IZ-History. Nach Nato Abschuß von Itavia-Flieger blieb 1980 nur noch Konfetti übrig

Flugzeugabsturz von Ustica 1980

Zusammenbruch des Lügengebäudes

Mehr als 30 Jahre nach dem Itavia-Abschuss muss Italien 110 Millionen Euro Entschädigung zahlen. Die Zivilmaschine wurde von Nato-Kampffliegern abgeschossen.

Anfangs hatte man wegen der konfetti-artigen Zerstörung einen Absturz nicht behaupten können. Deshalb wurde das Lügenmärchen der Explosion einer Bombe an Bord gestrickt und medial verkündet.  

Aus Berichten italienischer und US-Medien wurde schon bald bekannt, daß der libysche Staatschef Muammar Al-Ghaddafi Ziel des im Rahmen eines NATO-Manövers geführten Angriffs war. Er befand sich an Bord einer sowjetischen Tupolew zur selben Zeit über Ustica. Seine Maschine dreht aber überraschend ab. Es sickerte durch, daß proarabische Kreise in Rom Kenntnis von dem Anschlagsplan erhalten hatten und Ghaddafi in letzter Minute warnten. Das Attentat sollte in Tripolis einen Putsch auslösen. Der die Rakete abschießende Pilot hatte die DC 9 für die Tupolew gehalten, da sich beide Flugzeuge im Profil ähnelten. 

In den Medien tauchten sofort Berichte auf, linke Terroristen hätten eine Bombe zur Explosion gebracht. 

Dann hieß es, Abnutzungserscheinungen, Materialermüdung und schlechte Wartung der Maschine hätten das Unglück herbeigeführt. Die Itavia wies diese Anschuldigungen zurück. Sie legte Radaraufzeichnungen des römischen Flughafens Fiumicino vor, auf denen ein fliegendes Objekt zu erkennen war, bei dem es sich um ein Jagdflugzeug gehandelt haben konnte, das eine Rakete auf die DC 9 abfeuerte. Die NATO und ihre Geheimdienste, allen voran die CIA, erklärten sofort, »sämtliche Maschinen seien am Boden, alle Raketen in den Hangars« gewesen. 

Über ein Jahrzehnt wurden diese Lügen aufrechterhalten. Noch im März 1989 erklärte das Pentagon, daß »zur Zeit des Unglücks weder Schiffe noch Flugzeuge der US-Marine oder -Luftwaffe in oder über dem Thyrrenische Meer anwesend waren. In Rom verbreitete US-Botschafter Richard Gardner denselben Standpunkt. Manfred Wörner (BRD), von 1982 bis 1988 Verteidigungsminister und von 1988 bis zu seinem Tode 1994 NATO-Generalsekretär, deckte das Verbrechen ebenfalls und beteuerte laut Spiegel 14/1991 »die Unschuld der NATO-Piloten«. 

Mehr als 30 Jahre nach dem Flugzeugabsturz von Ustica entschädigte der italienische Staat endlich die Angehörigen der ums Leben gekommenen 81 Personen mit 110 Millionen Euro.

Italiens höchstes Gericht, der Kassationshof in Rom, befand 2013, das Flugzeug sei eindeutig von einem Nato-Kampfflieger mit einer Rakete abgeschossen worden.

 Im Inneren der Maschine waren nach Bergung im Meer keine Spuren von Flammen zu erkennen, was eine Bombenexplosion ausschloß. Einen Raketeneinschlag bestätigte dagegen die Tatsache, daß eines der beiden Triebwerke völlig geschmolzen und im Frachtraum Einschläge zu erkennen waren. Bezeichnenderweise wurde der Voicerecorder, der die letzten Meldungen des Piloten aufgezeichnet haben mußte, von der französischen Bergungsgesellschaft IFREMIR angeblich nicht gefunden. Das Unternehmen, das bereits mit den Amerikanern Teile der 1912 gesunkenen Titanic geborgen hatte, wurde beschuldigt, den Fund unterschlagen zu haben. 

Definitiv verwarf damit der Kassationshof die Theorie, auf die sich Italiens Regierungen zurückgezogen hatten: Danach war der Absturz wegen Materialermüdung oder wegen einer Explosion an Bord erfolgt, schrieb 2013 die Taz.

Von Bologna nach Palermo war am Abend des 27. Juni 1980 die Passagiermaschine der Fluglinie Itavia unterwegs, als sie um 20.59 Uhr nordöstlich der Insel Ustica plötzlich vom Radar verschwand.

„Materialermüdung“ oder Bombe  – eilig verkündeten Italiens Behörden die vorgebliche Unglücksursache, noch ehe überhaupt Untersuchungen erfolgt waren. Die Wrackteile nämlich lagen in 3.000 Meter Tiefe und wurden erst Jahre später geborgen.

Es waren die Opferangehörigen und einige misstrauische Journalisten – unter ihnen der damalige taz-Korrespondent Werner Raith –, die sich mit dieser Erklärung nicht zufriedengaben.

Nato-Flieger auf Jagd

Schnell wurde deutlich: An jenem Abend hatte sich über dem Tyrrhenischen Meer zwischen Korsika und Sardinien im Westen und dem Festland im Osten ein wahres Kriegsszenario abgespielt, auf der einen Seite diverse Nato-Mächte, auf der anderen Libyen.

Etwa 15 französische, britische, italienische und US-Jagdflieger waren in der Luft, während über Elba eine Awacs-Boeing kreiste. Einige der Jagdflieger befanden sich in unmittelbarer Nähe des Passagierflugzeuges, als es abstürzte.

Doch Italiens Regierung leugnete hartnäckig. Radaraufzeichnungen standen angeblich nicht zur Verfügung, da die Radars zufällig gerade zum Unglückszeitpunkt ausgeschaltet gewesen seien, hieß es zum Beispiel.

Tote Zeugen

Aber einige der in den militärischen und zivilen Radaranlagen Beschäftigten redeten – mit dramatischen Folgen. Mehr als ein Dutzend Zeugen des Unglücks sollten in den Folgejahren unter mysteriösen Umstanden ums Leben kommen, darunter zwei Piloten der Kunstflugstaffel „Frecce tricolori“, deren Maschinen 1988 bei einer Flugschau in Ramstein kollidierten.

Jenes Unglück forderte 70 Tote, unter ihnen der Pilot Ivo Nutarelli, der sich während der Katastrophe von Ustica im Einsatz befunden hatte – und der gerade erklärt hatte, er werde aussagen.

Es galt als sicher, daß zumindest eine der italienischen Maschinen manipuliert worden war. Die beiden Piloten waren am 27. Juni 1980 als Jagdflieger über Ustica im Einsatz und nach der Flugschau zur Vernehmung vorgeladen. Es kam ans Licht, daß bis dahin über ein Dutzend Zeugen, alle Mitwisser der Umstände des Absturzes, auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen bzw. – wie in italienischen Medien immer wieder offen geäußert wurde – umgebracht worden waren. 

Ein ungeheuerliches Verbrechen wurde mit der Verschleppung der Such- und Bergungsarbeiten der DC 9 begangen. Obwohl die Absturzstelle genau bekannt war, wurden die Bergungskommandos in ein weit abseits liegendes Gebiet geschickt. Die »Rettungsversuche« begannen erst zehn Stunden nach dem Absturz. Eindeutiges Ziel war, es sollte keine Überlebenden geben, die aussagen konnten, daß die Maschine von einer Rakete getroffen wurde. Das Mailänder Nachrichtenmagazin Panorama berichtete 1989, die DC 9 sei von dem Piloten aufs Wasser aufgesetzt worden und habe sich noch einige Stunden über Wasser gehalten. Sie sei erst gesunken, nachdem ihr Rumpf im Morgengrauen von Froschmännern eines britischen U-Bootes gesprengt wurde. Panorama zitierte einen Zeugen aus Militärkreisen, daß es bis zu dieser Sprengung noch Überlebende gegeben habe. 

Den Durchbruch in den Ermittlungen erzielte – nachdem zuvor vier Untersuchungsrichter das Handtuch geworfen hatten oder dazu gebracht worden waren – der in Terrorfragen erfahrene Staatsanwalt Rosario Priore. Er stellte Tonbänder der Radarzentrale sicher, die dem Chef der CIA-Residentur in Rom, Duane Clarridge, ausgehändigt worden waren. Er fand heraus, daß der US-Botschafter in Rom bereits einen Tag nach dem Abschuß der DC 9 einen »Sonderstab Ustica« gebildet hatte, der alle verfügbaren Beweise sicherstellte und unter Verschluß nahm. Exverteidigungsminister Lagorio sagte aus, daß alle Fäden bei den Geheimdiensten zusammengelaufen seien, welche die Ermittlungen in falsche Richtungen lenkten. Der General räumte ein, daß auch Zeugen »beseitigt« worden seien. 

Dennoch gelang es Untersuchungsrichter Rosario Priore in jahrelanger Puzzlearbeit, das Szenario von Ustica zu rekonstruieren. Seine These: Nato-Jäger waren an jenem Abend unterwegs, um ein Flugzeug mit Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi abzuschießen. Der aber entkam; stattdessen wurde die Itavia-Maschine vor Ustica von der Rakete getroffen.

 

Systematische Spurenverwischung

Vor der Strafgerichtsbarkeit kamen die von Rosario Priore wegen systematischer Spurenverwischung angeklagten italienischen Luftwaffengeneräle noch davon: Eine für Strafsachen zuständige Kammer des Kassationshofes machte sich im Januar 2007 die These zu eigen, eine Explosion an Bord habe den Absturz herbeigeführt, und sprach alle Angeklagten frei.

Alle Indizien, die ineinen andere Richtung deuteten, wurden systematishc verschweigen oder manipuliert. Manhatte sich auf eine Version festgelegt und alle Herrschaftsmedien und Lügenmedien machten kollektiv mit.

Die Zivilkammer des Kassationshofes kam dann dagegen zu einem diametral entgegengesetzten Urteil. In den Augen der Richter ist eindeutig bewiesen, dass sich über Ustica eine Luftschlacht abspielte.

Der italienische Staat habe seine Pflicht verletzt, die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten; deshalb seien das Verkehrs- und das Verteidigungsministerium zu den hohen Entschädigungszahlungen verpflichtet.

Staatsanwalt Priore bestätigte in seiner Anklage die in der Öffentlichkeit seit langem bekannten Enthüllungen, daß die DC 9 von einem NATO-Jäger abgeschossen wurde. Daß der Todesschütze ein US-Pilot war, konnte er nicht nachweisen. In seinem 5000 Seiten umfassenden Abschlußbericht verdeutlichte er jedoch, daß es aller Wahrscheinlichkeit nach ein Amerikaner war. Priore erhob schließlich Anklage gegen neun italienische Generäle und Offiziere wegen Hochverrats, Irreführung der Behörden, Beweisunterdrückung und Zeugenbeeinflussung. Eine Anklage wegen Mittäterschaft bei der Ermordung oder zumindest des Totschlags der 81 Insassen der DC 9 wurde nicht zugelassen, auch nicht eine wegen Zeugenbeseitigung. Und natürlich kamen auch die eigentlichen Drahtzieher des Verbrechens – die Verantwortlichen aus CIA, Militärischem Abschirmdienst der BRD und anderen westlichen Geheimdiensten sowie der NATO, unter ihnen deren damaliger Generalsekretär Wörner – nicht vor die Schranken des Gerichts. 

Die Richtersprüche fielen vergleichsweise mild aus, die Verurteilten kamen bald wieder auf freien Fuß, ihre Karrieren litten nicht. Der verurteilte General Lamberto Bartolucci stieg später sogar zum Generalstabschef des Verteidigungsministers auf.