USA töteten 42 Zivilisten bei Bombenangriff auf Krankenhaus in Kunduz in Afghanistan - geringe Strafen

Ärzte ohne Grenzen: US-Angriff auf Krankenhaus in Kundus war kein Unfall sondern ein Kriegsverbrechen im Oktober 2015 - US- Bericht jetzt veröffentlicht

Der General-Direktor von Ärzte ohne Grenzen (MSF), Christopher Stokes, hat gegenüber Journalisten betont, dass er nach dem aktuellen Stand davon ausgeht, dass der Angriff auf das Krankenhaus  in Kundus absichtlich erfolgte. Dafür sprächen das Ausmaß und die Präzision der Angriffe. Wenn dies zutrifft, handelt es sich nach Völkerrechtsdefinition um ein explizites Kriegsverbrechen der USA.
„Das Krankenhaus wurde wiederholt an der Eingangsseite sowie am Hinterausgang bombardiert und weitestgehend zerstört, obwohl wir die genauen Koordinaten an alle Konfliktparteien gegeben hatten. Das Ausmaß und die Präzision der Zerstörung des Krankenhauses deuten nicht auf einen Fehler hin.“

So Christopher Stokes, der Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen, gegenüber der Nachrichtenagentur AP. Zudem führte er aus, dass der Angriff trotz verzweifelter Anrufe von MSF an die verantwortlichen NATO- und US-Militärstabsstellen über eine Stunde anhielt. Stokes forderte angesichts dieser Ungereimtheiten „eine umfassende und unabhängige Untersuchung, denn alle bisherigen Hinweise deuten auf einen gravierenden Bruch des internationalen Völkerrechts und damit auf ein Kriegsverbrechen hin.“

Der einstündige Angriff durch das auch „Kanonenboot“ genannte US-Kampfflugzeug Lockheed AC-130 auf das MSF-Krankenhaus in Kundus hatte am 3. Oktober über 22 Personen getötet, davon 12 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und zehn Patienten.

Nach dem Angriff hatte sich US-Präsident Barack Obama persönlich für den “versehentlichen Angriff” entschuldigt. Auffällig war, wie der offizielle US-Diskurs zu den Verantwortlichkeiten für den Angriff innerhalb weniger Tage vier verschiedene Versionen wiedergab. Zunächst hieß es „wir wissen nicht genau, was vorgefallen ist“, dann erfolgte das Eingeständnis, dass US-Spezialeinheiten die Luftunterstützung für Kundus angefordert hatten und endete vorläufig mit der Behauptung, dass die afghanische Regierung die alleinige Verantwortung für die Zerstörung des Krankenhauses tragen würde.

Schlussendlich hatte John Campbell, Oberbefehlshaber der US-NATO-Mission in Afghanistan das Schlusswort und legte dar, dass der Luftschlag von afghanischer Regierungsseite angefragt worden war, dass aber in der Endkonsequenz "US-Kräfte" die Luftunterstützung eingeforderten und koordinierten.

Die Vorsitzende von MSF, Joanne Liu, hat in Konsequenz der Ereignisse die Einberufung einer „Humanitären Untersuchungskommission“ gefordert. Ein solches Instrument ist Teil der Genfer-Konvention und dient der Untersuchung von militärischen Angriffen auf zivile Ziele. MSF hat bereits Briefe an alle 76 Staaten geschickt, die seit 1991 das entsprechende Protokoll für die Einsetzung einer solchen Kommission ratifiziert haben.

Allerdings haben weder Afghanistan noch die USA dieses Zusatzprotokoll zu den Genfer-Konventionen bisher unterzeichnet. Angesichts dieser Umstände haben sich die Ärzte ohne Grenze dazu entschieden eine Petition ins Leben zu rufen, die eine unabhängige Untersuchung des Vorfalls zum Ziel hat.

Zudem wurde kürzlich bekannt, dass US-amerikanische Analysten für “Spezialoperation” wenige Tage vor dem Angriff das Krankenhaus in Kundus eingehend untersucht haben, da sie glaubten, dass ein pakistanischer Agent von dort aus militärische Aktivitäten der Taliban koordinierte.

MSF verneint diese Vorwürfe vehement. Geschäftsführer Stokes betonte gegenüber Pressevertretern, dass sich nach Informationen seiner Organisation zum Zeitpunkt des US-Bombardements keine bewaffneten Taliban auf dem Grundstück des Krankenhauses befanden:

„Was wir von unseren Mitarbeitern und Wachpersonal wissen, gab es eine sehr strenge und gute Kontrolle über das was sich auf dem Grundstück des Krankenhauses abspielte. Und in den Stunden vor dem Luftangriff auf unsere Krankenhaus gab es auch keine Berichte über Kämpfe in Nähe.“

Untersuchung wegen Angriff auf MSF-Krankenhaus in Kundus: Disziplinarverfahren gegen 16 US-Soldaten

Am Freitag hat das Pentagon den Untersuchungsbericht zum Bombardement des MSF-Krankenhaus in Kundus veröffentlicht. Darin wird argumentiert, dass die Operation zu früh startete, die Mannschaft nicht vorbereitet war und die Satelliten-Kommunikation ausfiel. 16 Angehörige der US-Armee werden für ihre Teilnahme am tödlichen Angriff disziplinarisch bestraft. Allerdings wird keiner Gefahr laufen, vor ein Militärgericht gestellt zu werden.

Das US-Verteidigungsministerium hat 16 Personen disziplinarisch belangt, die für den Luftangriff im Oktober für schuldig erklärt wurden. Bei dem angegriffenen Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen handelt es sich um ein Traumazentrum im afghanischen Kundus. Es wurden 42 Menschen getötet. Die Los Angeles Times und Reuters berichteten am Donnerstag über die Konsequenzen des Vorfalls. Unter den bestraften sind ein Zwei-Sterne-General, Mitglieder der Air Force und  Spezialkräfte der US-Armee, so teilten es Beamte, die anonym bleiben wollen, der LA Times mit.

Keiner der 16 wird vor das Militärgericht gestellt werden, ein Offizier jedoch wurde suspendiert und aus Afghanistan abgezogen. Sieben erhielten schriftliche Verweise, eine administrative Strafe, die weitreichende Folgen für die Karriere eines Soldaten haben kann. Sechs weitere wurden zur Beratung geschickt, und zwei wurden aufgefordert, sich einer Umschulung zu unterziehen.

John Campbell, General der US-Armee und verantwortlicher für US- und NATO-Truppen in Afghanistan, leitete eine 3000-seitige Untersuchung des Angriffs zum US Central Command, der zentralen Führungsstelle weiter. Eine stark bearbeitete Fassung des Berichts wurde am heutigen Freitag veröffentlicht.

US-Army General Joseph L. Votel, Befehlshaber des U.S. Central Command präsentierte die Ergebnisse der Untersuchung. Laut seiner Darstellung, wurde das Bombardement früher als geplant in die Wege geleitet, die Mannschaft sei nicht ausreichend vorbereitet gewesen und die Satelliten-Kommunikation wäre ausgefallen.

Die humanitäre Organisation "Ärzte ohne Grenzen", auch bekannt als Medecins Sans Frontieres (MSF), nannte die Bombardierung ein Kriegsverbrechen und forderte eine unabhängige Untersuchung der Tragödie. Unter den getöteten waren 14 Mitarbeiter der Organisation sowie 24 Patienten, die in Behandlung waren.

„Die Patienten sind in ihren Betten verbrannt, medizinisches Personal wurde enthauptet und verlor Gliedmaßen. Andere wurden durch das kreisende „Gunship“ [Kanonenboot genannte Kampfflugzeug] AC-130 erschossen, während sie aus dem brennenden Gebäude flohen“, hieß es in dem November von „Ärzte ohne Grenzen“ veröffentlichten Bericht über die Angriffe.

Präsident Barack Obama hat sich für den Angriff entschuldigt, der durchgeführt wurde, um afghanischen Truppen bei der Rückeroberung der Stadt zu unterstützen. Das Pentagon hat es als „Fehler“ bezeichnet.

„Das war eine tragischer, aber vermeidbarer Unfall, der in erster Linie durch menschliches Versagen verursacht wurde“, sagte Campbell in einer Telefonkonferenz im November, als er auch Disziplinarmaßnahmen gegen die beteiligten Soldaten empfahl.

Einen gezielten Angriff auf ein Krankenhaus würde man offiziell natürlich auch nie zugeben - das ist Teil dieser globalen Kriegsstrategie der  USA in aller Welt.