Wieder mobilisiert marxistische CGT 500 000 Demonstranten gegen neoliberale Sozi-Regierung in Frankreich

Wieder demonstriert eine halbe Million gegen das Gesetzesvorhaben der französischen Regierung zur Arbeitszeit. Die Repression nimmt weiter zu. Drohnen und Hubschrauber überwachten die Demos.

Am gestrigen nationalen Mobiliserungstag in Frankreich ging laut Angaben der CGT eine halbe Million Menschen gegen das Arbeitsgesetz „El Khomri“ auf die Straße. Der nach der Arbeitsministerin benannte Gesetzesentwurf soll niedrigere Löhne bei mehr Arbeit und niedrigerem Kündigungsschutz festschreiben. Nach dem am 9. März, 31. März und dem 9. April ist es der vierte nationale Mobilisierungstag gegen das Gesetz, zu dem die größten Gewerkschaftsverbände aufriefen.

Wieder wurden die Demonstrationen von Streiks vor allem im Verkehrssektor begleitet. Bei Air France, der Bahn (SNCF) und im öffentlichen Nahverkehr legten die Beschäftigten die Arbeit nieder. Doch konnten diesmal mehr als 90 % der Züge der SNCF fahren. Nur in Le Havre war alles wie immer: Der Hafen und die Stadt waren dicht, weil die 2.000 Hafenarbeiter*innen mit der Jugend streikten.

Die größte Demonstration fand in Paris mit 60.000 Teilnehmer*innen statt. Dort kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die in großer Präsenz auftrat. Sie griff die Demonstration mehrmals an. Landesweit wurden 124 Demonstrierende festgenommen. Besonders hart war die Repression, als 200 Menschen den Hafen von Gennevilliers blockierten. Allein dort wurden 78 Personen festgenommen. Die Polizei überwachte die Demonstrationen verstärkt mit Drohnen und Hubschraubern.

In Frankreich protestierten bereits im März Gewerkschaften, Studentenverbände und Schüler gegen eine geplante Arbeitsmarktreform der sozialdemokratischen  Regierung. Tausende Angestellte, Studenten und Schüler gingen in mehreren Städten auf die Straße, um gegen das im linken Lager als zu arbeitgeberfreundlich kritisierte Reformvorhaben zu protestieren. Nach Angaben der größten Gewerkschaft CGT waren damals im ganzen Land mehr als 140 Demonstrationsmärsche angesetzt.

Sie wollen die 35-Stunden-Woche abschaffen, betriebsbedingte Kündigungen also Hire and Fire erleichtern und eine Obergrenze für Abfindungen bei sogenannten ungerechtfertigten Entlassungen einführen. Ebemnso sollen Gesetze ähnlich der deutschen Hartz IV Gesetze eingeführt  und der Sozialabbau forciert werden.  Die Arbeitslosigkeit ist in Frankreich seit Jahren hoch, sie liegt bei etwa zehn Prozent.

Mit der Neuauflage des Arbeitsmarktreform brachte Präsident Hollande nun endgültig den linken Flügel der Regierungspartei Parti Socialiste gegen sich auf. Zwar hat die Regierung inzwischen einige Abstriche gemacht. Sie bezeichnet den neuen Entwurf als „Kompromiss“, der mit den reformistischen Gewerkschaftsverbänden CFDT und mit dem Unternehmerverband Medef ausgehandelt worden sei.

Der Kern des Projektes bleibt jedoch unberührt: Die Kriterien für die Entlassung von Mitarbeitern werden aufgeweicht. Die gesetzlich verankerte 35-Stunden-Arbeitswoche kann auf betrieblicher Ebene neu ausgehandelt werden. Damit wird die Regelung faktisch außer Kraft gesetzt.

Das ist das genaue Gegenteil von der durch Präsident François Hollande immer wiederholten Versicherung, die 35-Stunden-Woche werde nicht angetastet“, zitiert die Tageszeitung Neues Deutschland den Vorsitzenden des Gewerkschaftsbundes Confédération générale du travail (CGT), Philippe Martinez.

Die Gewerkschaften sehen in dem Gesetz einen Versuch, die hart erkämpften Branchenverträge abzulösen und die Arbeiter und Angestellten stattdessen auf der Ebene der Betriebe neu verhandeln zu lassen.

„Viele Betriebsräte sind nicht stark genug, um sich den Ansinnen der Unternehmensleitung entgegenzustellen“, beschreibt Martinez den zu erwartenden Effekt. „Diese Reform liest sich, als sei sie durch den Unternehmerverband Medef selbst formuliert worden. Das ist ein Rückfall ins 19. Jahrhundert.“

Arbeitsministerin Myriam El Khomri preist die geplante Reform weiterhin als „Grundlage für das soziale Modell des 21. Jahrhunderts“. Beim aktuellen Entwurf handele es sich um einen „ausgewogenen Kompromiss“ mit „neuer Flexibilität für die Unternehmen“. Zudem enthalte das Gesetz ihrer Meinung nach „neue Absicherungen und Rechte für die Beschäftigten“.

Dieser Argumentation wollten heute Tausende Franzosen nicht folgen. In allen großen Städten des Landes kam es zu Massendemonstrationen. In Paris griffen teils vermummte Jugendliche die Sicherheitskräfte mit Wurfgeschossen an und zündeten Rauchbomben. Auch in Nantes und Rennes gab es Zusammenstöße.

Schüler blockierten rund 200 Gymnasien im ganzen Land. Wegen Streiks bei der Staatsbahn SNCF, den Pariser Verkehrsbetrieben und der Fluglotsen kam es zu Behinderungen im Nah-, Fern- und Flugverkehr. Bis die Nationalversammlung Anfang Mai über die Reform abstimmt, sind weitere Demonstrationen geplant. Präsident Hollande steht erheblich unter Druck. Die Reform des Arbeitsrechts könnte sein letztes großes politisches Projekt werden - nächstes Jahr sind Präsidentschaftswahlen. Er gilt schon jetzt als der unbeliebteste französische Präsident seit Jahrzehnten.