2 Mio.  Franzosen demonstrierten gegen verhasste französische Sozi-Regierung

Marxistische Gewerkschaft CGT bleibt Speerspitze des Widerstandes gegen Agenda 2010 auf französisch

Nichts kann Philippe Martinez vom Streiken und Demonstrieren abbringen. Nicht der islamistische Terror, der Frankreich schon wieder aufschreckt. Erst recht nicht der Umstand, dass gerade Fußball-Europameisterschaft ist.

Im Gegenteil, der Chef der französischen Gewerkschaft CGT wählte als Endpunkt einer Demonstration am Dienstag just das Viertel, das auch die Pariser Fanmeile beherbergt.

Martinez will maximale Aufmerksamkeit. Auch die autonomen Randalierer, die seit Monaten CGT-Demonstrationen begleiten, lassen sich nicht aufhalten. Am Dienstag nun gaben sie sich wahren Gewaltexzessen hin: Vermummte Männer bewarfen Sicherheitskräfte mit Steinen und Stöcken. Dazu riefen sie Parolen wie: "Alle hassen die Polizei" - was als Anspielung auf den Anschlag in einem Pariser Vorort verstanden werden kann. Scheiben gingen zu Bruch, etwa am Überseeministerium und an einem Kinderkrankenhaus. Die Polizei setzte Tränengas und einen Wasserwerfer ein. Nach vorläufigen Angaben kam es zu 42 Festnahmen. 29 Polizisten und elf Demonstranten wurden verletzt. Es sind nicht die ersten heftigen Ausschreitungen am Rande der Proteste gegen das umstrittene Arbeitsgesetz der sozialistischen Regierung. Die Demonstrationsverbote, die von den Behörden gegen 130 Personen ausgesprochen worden waren, haben nicht viel bewirkt. CGT-Chef Martinez hatte sie begrüßt - nachdem seine Gewerkschaft vor einigen Wochen auch wiederkehrende Polizeigewalt angeprangert hatte. Den Protestmarsch in Anbetracht der äußerst angespannten Sicherheitslage in Frankreich auszusetzen, kam für Martinez aber nicht in Frage. Seit Monaten fordert er vergeblich die Rücknahme der Arbeitsreform. Der Marsch vom Dienstag sollte eine Machtdemonstration sein, Martinez hatte eine "enorme" Mobilisierung angekündigt. Entsprechend hoch fiel seine Schätzung der Teilnehmerzahl am Abend aus: Der CGT zufolge demonstrierten allein in Paris eine Million Menschen. Die Behörden zählten nur rund 80 000 Menschen - was nach offizieller Zählung dennoch der höchste Wert seit Beginn der Proteste im Winter ist.

Die Frage, wie viele Leute Martinez auf die Straße gebracht hat, entscheidet über seine Verhandlungsposition bei einem für Freitag geplanten Treffen mit der Regierung. Dann wollen er und Arbeitsministerin Myriam El Khomri erstmals seit März miteinander sprechen. Beide Seiten schieben sich die Schuld für die verfahrene Lage zu, wollen aber Dialogbereitschaft signalisieren. Umfragen zeigen, dass die Franzosen die Streiks leid sind. Zugleich wenden sie sich aber auch gegen die Regierung und ihren Plan einer vorsichtige Liberalisierung des Arbeitsrechts.

Martinez verlangt den Verzicht auf eine zentrale Bestimmung, der zufolge Verhandlungen der Sozialpartner auf Ebene der Betriebe Vorrang vor Tarifverträgen oder arbeitsrechtlichen Regeln bekommen sollen.

Deutsche Mainstreammedien berichten über diese rervolutionären  Arbeitskämpfe kaum.  

Mehr als zwei Millionen Franzosen sind am Dienstag in Paris und in anderen Großtädten des Landes gegen das geplante Arbeitsrecht der sozialdemokratischen Regierung auf die Straßen gegangen.

Allein in der Hauptstadt zählten die sieben Gewerkschaften und ihre Untergliederungen, die zum Widerstand gegen das von ihnen in Gänze abgelehnte Gesetz aufgerufen hatten, bis zu 800.000 Menschen. Lohnabhängige aller Berufsgruppen, Beamte sowie Vertreter der Studenten- und Schülervereinigungen folgten dem Demonstrationszug.

Staatspräsident François Hollande und sein Premierminister Manuel Valls kritisierten vor allem den CGT-Sekretär Philippe Martinez, dessen mit 700.000 Mitgliedern drittgrößte Gewerkschaft des Landes den Widerstand seit Monaten anführt. Der Aktionstag, der mitten in eine erneute Sicherheitskrise des Landes falle, sei »kontraproduktiv« und nehme die »gutwilligen Bürger des Landes in Geiselhaft«.

Die CGT und die Force ouvrière (FO) hatte am Morgen mit rund 600 Bussen Demonstranten aus allen Landesteilen nach Paris gebracht. An der Spitze des Zuges, bewacht von einigen Hundertschaften der schwerbewaffneten Spe­zialeinheit CRS, riefen junge Arbeitslose: »Paris, steh auf, erhebe dich!« Bei mehreren Auseinandersetzungen zwischen CRS-Polizisten und jugendlichen Demonstranten gab es Verletzte.

Das Gesetz der Regierung soll am 23. Juni in der zweiten Parlamentskammer, dem Senat, diskutiert und zu Abstimmung gestellt werden. Da die Regierung Hollande-Valls die »Reform« des »Code du travail« mit Hilfe des Verfassungsparagraphen 49.3 bereits ohne Votum der ersten Kammer, der Nationalversammlung, für rechtskräftig verabschiedet erklärt hat, ist die Abstimmung im Senat nicht mehr als parlamentarische Kosmetik.