Neues Staatssicherheitsgesetz verabschiedet - BND Gesetz neu gefasst

Diese "Reform" zähmt den BND nicht - Stasi 2.0

Der BND ging aus der Organisation Gehlen hervor, an dessen Spitze des westdeutschen Geheimdienstes  auch nach 1945 zuerst ein General Adolf Hitlers gestanden hatte. In der DDR hatte man hingegen Antifaschisten und aktive  Widerstandskämpfer an die Spitze des ostdeutschen Geheimdienstes gesetzt.

Spionage ist ein schmutziges Geschäft. Agenten lügen, täuschen, stehlen. Daran ändert die diese Woche beschlossene BND-Reform nichts. Vielmehr erlaubt das Kanzleramt die Überwachung nun per Gesetz.

Im Windschatten der Fußball EM wurde das neue Staatssicherheitsgesetz durchgepaukt. Endgültig soll es im nächsten Jahr in Kraft treten.

Spionage ist ein unsauberes Geschäft. Daran ändert auch die BND-Reform wenig, die diese Woche von der Bundesregierung beschlossen wurde. Altgediente Mitarbeiter finden für das Gesetzespaket deutliche Worte: "Augenwischerei" oder "für die Galerie". Im Grundsatz gilt doch: Der BND agiert per se illegal. Die Agenten brechen nahezu täglich Gesetze anderer Staaten, um Informationen zu beschaffen. Sie lügen, täuschen, stehlen. Das ist ihr Auftrag. Der Spagat dabei: illegales Handeln im Ausland, legitimiert und kontrolliert durch Gesetze im Inland.

In dem Gesetzestext (hier veröffentlicht von der Bundesregierung) fallen jedoch verschiedene Punkte auf, die nicht zu der offiziellen Darstellung passen.

Es beginnt mit dem Titel. Der lautet: "Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichtendienstes". Ausland-Ausland meint all jene Kommunikation, die Menschen außerhalb Deutschlands mit anderen Menschen außerhalb Deutschlands führen. Um die aber geht es in dem Gesetz gar nicht. Der entsprechende Paragraf sechs des Entwurfes enthält eine wichtige Ergänzung. Sein erster Satz: "Der Bundesnachrichtendienst darf zur Erfüllung seiner Aufgaben vom Inland aus mit technischen Mitteln Informationen [...] über die Telekommunikation von Ausländern im Ausland erfolgt, erheben und verarbeiten."

Diese Befugnis ist für den BND neu. Bislang durfte er Daten im Inland nur dann erheben, wenn er sich das von der G10-Kommission des Bundestages genehmigen ließ. Er tat es allerdings trotzdem – mit einer Genehmigung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, von der sich die G10-Kommission betrogen fühlt – und half dem amerikanischen Geheimdienst NSA dabei, Internetkabel in Frankfurt anzubohren und die darin enthaltenen Daten zu durchsuchen. Der Gesetzentwurf will dieses skandalöse Vorgehen, das den NSA-Untersuchungsausschuss und die Öffentlichkeit über Monate beschäftigte, legalisieren.

Tritt das Gesetz in Kraft, darf der BND jeden Telekommunikationsprovider in Deutschland zwingen, ihm seine Datenleitungen zu öffnen. Denn die Kommunikationsdaten von Ausländern würden nur durch Deutschland durchgeleitet, lautet das Argument. Doch gibt es dabei ein gravierendes technisches Problem. Nach Aussage verschiedener Wissenschaftler und Juristen ist es nahezu unmöglich, beispielsweise in einem Telekomkabel zu unterscheiden, welches Datenpaket in dem Glasfaserkabel von einem Ausländer stammt und an einen Ausländer geschickt wird und welches nicht.

Die Botschaft: Jetzt kann man dem BND wieder vertrauen.

Peter Altmaier (CDU) frohlockte, als er am Dienstag voller Stolz den Gesetzesentwurf präsentierte, der im Herbst verabschiedet werden soll. "Wort gehalten", jubelte der Kanzleramtschef auf Twitter.

Die Botschaft aus dem Kanzleramt lautete: Jetzt geht nichts mehr schief – der BND, ein Geheimdienst, dem man wieder vertrauen kann. Demnächst hat er seinen Hauptsitz nicht mehr versteckt im Wald von Pullach, sondern mitten in der Hauptstadt. Nah an der Regierung und dem Parlament. Inklusive neuen Chefs, der – welch Zufall – in der Woche der Reform sein Amt angetreten hat.

Selbst Edward Snowden applaudierte. Es sei zwar nicht genug, um die Bedenken des NSA-Untersuchungsausschusses auszuräumen, twitterte der Mann, der die NSA-Affäre ins Rollen gebracht hatte. "Aber es ist der Beginn eines besseren Deutschlands."

In Wahrheit ist die Reform des BND alles andere als ein Eingeständnis von Fehlern. Das Kanzleramt, das ja die Fach- und Dienstaufsicht über die Agenten ausübt, hätte damit schließlich auch eigenes Versagen festgestellt.

Tatsächlich regelt das Vorhaben einige Befugnisse des Geheimdienstes neu, vor allem die Überwachung von E-Mails und Telefonverbindungen, die per Internet oder Satellit übertragen werden. Die große Koalition hat den deutschen Agenten dabei allerdings keine Stoppschilder aufgestellt. Im Gegenteil, sie gießt in vielen Bereichen die bisherigen Praktiken des BND lediglich in eine Gesetzesform. Das gibt den BND-Mitarbeitern Rechtssicherheit und lässt gleichzeitig die Kritiker zürnen. Was früher still und heimlich geduldet wurde, ist jetzt ganz offiziell legal.

Abhören von EU-Bürgern und Institutionen? Erlaubt, und zwar bei "besonderer Relevanz für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland". Was genau das sein soll? Unklar. Von deutschem Boden aus aktiv werden? Erlaubt. Weitergabe von Metadaten an US-Geheimdienste? Erlaubt. Deutschlands Agenten werden also in Zukunft weiter schnüffeln, abhören und ausforschen – wahrscheinlich sogar so intensiv und so umfangreich wie zuletzt im Kalten Krieg, zu einer Zeit, als es noch gar kein BND-Gesetz gab.

Überhaupt hat der BND die Post-Snowden-Krise nahezu unbeschadet überstanden. Er ist sogar gestärkt aus ihr hervorgegangen. In den kommenden Jahren wird der Dienst mehr Personal und einen höheren Etat bekommen. Die "Strategische Initiative Technik" wurde bereits auf den Weg gebracht. Ein gigantisches, bislang beispielloses Modernisierungsprogramm, bei dem in den nächsten Jahren rund 300 Millionen Euro schrittweise in technische Ausstattung investiert werden.

Außerdem soll die Zusammenarbeit mit den Franzosen noch weiter ausgebaut werden. Es geht um gemeinsame Operationen, aber auch um engere Vernetzung und gemeinsame Materialbeschaffung. Zudem wird es demnächst wohl mehr BND-Residenturen im Ausland geben. Der Dienst soll Muskeln zeigen. Kurioserweise passt genau jetzt jene Devise, die der nun aus dem Amt geschiedene BND-Präsident Gerhard Schindler bei seinem Start verkündet hatte: "No risk, no fun."

Dem Vernehmen nach will Schindler-Nachfolger Bruno Kahl diesen Kurs fortsetzen. Am Freitag erhielt er seine Ernennungsurkunde. Bislang ist nicht bekannt, dass der Neue irgendetwas grundlegend verändern möchte. Für das Kanzleramt hat der Wechsel an der BND-Spitze gleich mehrere Vorteile. Bruno Kahl gilt als langjähriger Vertrauter von Wolfgang Schäuble (CDU). Der mächtige Finanzminister war einer der größten Kritiker einer umfangreichen Geheimdienstreform. Mit der Personalie Kahl dürften auch bei ihm einige Bedenken ausgeräumt sein.

Gestern Abend lud die Atlantische Gesellschaft in Berlin zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Geheimdienstkontrolle in ihrer Reihe „NATO Talk around the Brandenburger Tor“ ein. Zum Einstieg führte Moderator Werner Sonne eine Impulsdiskussion mit Georg Mascolo, dem Leiter des Rechercheverbundes von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, unter anderem zur Frage, ob der BND sein Geld wert ist und ob wir Geheimdienste überhaupt brauchen.

Wie in der Einladung angekündigt, sollte die Debatte auch im Kontext der aktuellen BND-Reform stattfinden:

Die internationale Zusammenarbeit der Geheimdienste scheint aufgrund der verschärften Sicherheitslage wichtiger denn je, allerdings müssen aktuell die deutschen Sicherheitsbehörden auf vielen Baustellen arbeiten. Am 01. Juli 2016 wird der neue Präsident des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, sein Amt antreten. Noch vor der Sommerpause soll darüber hinaus das neue BND-Gesetz fertig werden, zu dem die Konsensfindung innerhalb der Regierungskoalition schwer werden wird.
Dieses Gesetz hat zwei Ziele: es soll dem Parlament mehr Kontrolle über den Dienst ermöglichen, aber auch den BND-Mitarbeitern mehr Sicherheit bei ihrer schwierigen Arbeit geben. Kritiker befürchten jedoch mehr Bürokratie und eine Schwächung des deutschen Auslandsnachrichtendienstes.

In der anschließenden Debatte diskutierten Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CSU) sowie die Bundestagsabgeordneten Clemens Binninger (CDU) und André Hahn (Die Linke) über den Stand der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste in Deutschland. Fritsche vertrat als Beauftragter für die Nachrichtendienste des Bundes die Seite der Geheimdienste, Clemens Binninger und André Hahn als Vorsitzender bzw. stellvertretender Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums repräsentierten die Seite der Geheimdienstbändiger.