Militärputsch in der Türkei

Aufstand gegen den Despoten Erdogan

Freudenschüsse von Assad in Damaskus

Die türkischen Streitkräfte haben bei einem Putsch nach eigenen Angaben vollständig die Macht im Land übernommen. Das teilte das Militär am Freitagabend nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mit. "Die Macht im Land ist in ihrer Gesamtheit übernommen", hieß es auch in einer Erklärung des Militärs, die im türkischen Fernsehsender NTV verlesen wurde.

Erdogan hatte vorher den Bürgerkrieg gegen die Kurden intensiviert, die demokratische Linkspartei wie die HDP weitgehend entmachtet, den Krieg gegen Syrien geschürt und den IS massiv unterstützt. Jetzt droht  nach der zivilen Diktatur eine militärische Diktatur in der Türkei.

Entscheidend wird auch die Frage sein, wie sich die Putschisten zum US Imperialismus und  zur Nato positionieren werden.

Die Armee verhängte nach übereinstimmenden Medienberichten eine Ausgangssperre im ganzen Land. Sie diene der Sicherheit der Bürger, hieß es in einer Erklärung. Zudem riefen die Putschisten das Kriegsrecht aus. Mit dem Putsch sollten unter anderem die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden, teilte das Militär nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mit.

Erdogan: "Sollen sie mit ihren Panzern und ihren Kanonen machen, was sie wollen."

Staatschef Erdogan sprach in einem live übertragenen Telefonanruf beim Sender CNN Türk vom Putschversuch einer Minderheit innerhalb des Militärs. Auf diesen werde die nötige Antwort gegeben. Zugleich rief er die Bevölkerung auf, auf die Straßen zu gehen, um ein Zeichen zu setzen.

"Ich rufe unser Volk auf, sich auf den Plätzen und am Flughafen zu versammeln. Sollen sie (die Putschisten) mit ihren Panzern und ihren Kanonen machen, was sie wollen", sagte Erdogan. Wenig später zeigten die TV-Sender CNN International und BBC Live-Bilder aus Istanbul: Darauf sind zahlreiche Menschen zu sehen, die türkische Fahnen schwenken.

Der Putsch werde binnen kurzer Zeit niedergeschlagen sein, sagte Erdogan bei CNN Türk. Die Verantwortlichen würden vor Gericht einen hohen Preis dafür zahlen. Erdogan macht eigenen Angaben zufolge die Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich.

Erdogan telefonierte per Handy von seinem Urlaubsort mit dem Fernsehsender. Aus Präsidialamtskreisen hieß es, er sei an einem sicheren Ort. Nähere Angaben zu seinem aktuellen Aufenthaltsort gibt es bisher nicht. Erdogan kündigte aber an, er werde nun nach Ankara oder Istanbul fahren.

Es wäre der vierte Putsch in der Geschichte der Republik Türkei:

  • 27. Mai 1960: Das Militär sieht das demokratische System bedroht und stürzt die Regierung. Ministerpräsident Adnan Menderes und zwei Minister werden im September 1961 gehängt. Die Regierung hatte die Pressefreiheit sowie die politischen Rechte der Opposition eingeschränkt. Studentenunruhen waren die Folge. Die Militärs bleiben 17 Monate an der Macht.
  • 12. März 1971: Die zweite Intervention gilt als Antwort der Armee auf den wachsenden Terror gewalttätiger Gruppen der extremen Linken. Die Generale zwingen Ministerpräsident Süleyman Demirel per Denkschrift zum Rücktritt. Im Jahr darauf setzt das Militär wieder eine zivile Regierung ein.
  • 12. September 1980: Auch die zweite Amtszeit Demirels endet mit seinem Sturz. Die Militärführung unter General Kenan Evren verhängt das Kriegsrecht, um den Verfall staatlicher Autorität angesichts des Terrors von Rechts und Links aufzuhalten. Etwa 650.000 Menschen werden festgenommen und zahlreiche hingerichtet. Erst im November 1983 geht die Militärherrschaft offiziell zu Ende.

Ausgewählte Ticker-Meldungen zum Putsch

00:41 Putschisten-Anhänger versammeln sich auf Taksim-Platz +++

Augenzeugen berichteten auch von öffentlichen Solidaritätskundgebungen für die Putschisten in Istanbul. Am zentralen Taksim-Platz hätten sich Menschen in türkische Flaggen gehüllt und gerufen: "Die größten Soldaten sind unsere Soldaten."

+++ 00:36 Militärhubschrauber beschießen Geheimdienstzentrale +++
Militärhubschrauber eröffnen nach einer Meldung der Agentur Anadolu das Feuer auf die Geheimdienstzentrale in Ankara.

+++ 00:30 Gefechte zwischen Armee und Polizei +++
Nach Angaben des Senders CNN Türk kommt es in der türkischen Hauptstadt Ankara zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Militär. Die Armee habe die Polizeidirektion beschossen, hieß es. Augenzeugen berichteten von Panzern in den Straßen der Hauptstadt.

 

+++ 00:27 Putschgegner ziehen auf die Straßen +++
In Istanbul ziehen Gegner des Putsches auf die Straße. Ein dpa-Reporter berichtet, die Menge habe unter anderem "Gott ist groß" und "Nein zum Putsch" gerufen. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Türken zuvor zu Demonstrationen für seine Regierung aufgerufen. Über der Stadt waren aber immer wieder Militärjets zu hören.

+++ 00:23 Sorge in Teheran, Freudenschüsse in Damaskus +++
Iran hat sich "zutiefst besorgt" über die Lage im Nachbarland Türkei geäußert. Besonnenheit und Sicherheit der türkischen Bevölkerung seien derzeit besonders wichtig und notwendig, schrieb Außenminister Mohammed Dschawad Sarif bei Twitter. In Damaskus waren nach den Meldungen über einen Putschversuch in der Türkei Freudenschüsse zu hören gewesen. Erdogan gehört seit dem Beginn des Aufstands in Syrien im Jahr 2011 zu den wichtigsten Unterstützern der Regimegegner.

+++ 00:19 Armee zieht wieder von Flughafen ab +++
Nach der Besetzung des Atatürk-Flughafens in Istanbul durch das Militär am Freitag ist die Armee nach Angaben aus Präsidialkreisen wieder vom Gelände abgezogen. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete,  Demonstranten seien auf das Gelände des Atatürk-Flughafens eingedrungen. Daraufhin habe das Militär den Flughafen verlassen.

+++ 00:13 Panzer eröffnen das Feuer nahe des türkischen Parlaments +++
Unweit des türkischen Parlaments haben Panzer Reuters-Reportern zufolge das Feuer eröffnet.

+++ 00:13 Berichte von Schüssen in Istanbul +++
Verschiedene Augenzeugen berichten übereinstimmend von Schusswechseln in Istanbul. Es seien lange Salven in der größten Stadt der Türkei zu hören. Die Nachrichtenagentur Reuters meldet Schusswechsel am Flughafen.

+++ 00:08 Heftige Explosion in Ankara +++
In Ankara haben AFP-Journalisten eine heftige Explosion gehört. Der Grund der Explosion war zunächst nicht klar. Doch Kampfjets und Militärhelikopter waren den ganzen Abend über dem Zentrum der türkischen Hauptstadt in der Luft zu sehen.

+++ 00:07 Staatlicher TV-Sender vom Militär eingenommen +++
Der türkische TV-Sender TRT, der vom Staat betrieben wird, ist vom Militär eingenommen worden. Das berichten unterschiedliche Medien übereinstimmend.

+++ 23:52 Militärhubschrauber eröffnet Feuer über Ankara +++
Ein Militärhubschrauber eröffnet Reuters-Reportern zufolge das Feuer über Ankara. Augenzeugen berichten von einer Explosion in der Stadt.

 

+++ 23:48 Erdogan ruft zu Demonstrationen auf +++
Der türkische Staatspräsident Erdogan rief die Türken im Nachrichtensender CNN-Türk auf, sich der versuchten Machtübernahme auf der Straße entgegenzustellen. "Ich rufe das türkische Volk auf, sich auf öffentlichen Plätzen und an Flughäfen zu versammeln. Ich habe nie geglaubt, dass es eine höhere Macht gibt als das Volk", sagte Erdogan dem Sender per Telefon. Die "Putschisten" würden keinen Erfolg haben.

+++ 23:43 Kriegsrecht erklärt +++
Das türkische Militär verkündet in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung das Kriegsrecht. Zudem wird eine Ausgangssperre für die Türkei verhängt. Die Ausgangssperre sei bis auf weiteres über das Land verhängt, heißt es in der Erklärung des "Rats für den Frieden im Land". Er werde "nicht erlauben, dass die öffentliche Ordnung in der Türkei gestört werde"

Nachtrag

Während in der Nacht die Lage zunächst unübersichtlich war, erklärte die Regierung in Ankara den Putsch am Samstag morgen für gescheitert. In der Nähe des Präsidentenpalastes in Ankara gebe es aber noch Probleme, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan am Morgen am Atatürk-Flughafen in Istanbul.

Ministerpräsident Binali Yildirim rief das Parlament für Samstag zu einer Sondersitzung zusammen. »Die Situation ist weitgehend unter Kontrolle«, sagte er. General Ümit Dündar werde kommissarisch neuer Militärchef, meldete Anadolu. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur sind bei dem Putschversuch mindestens 260 Menschen getötet worden. Es gebe zudem 1.154 Verletzte. Etliche Richter werden abgelöst. Säuberungen in der Armee hat Erdogan angekündigt.

Am Freitag hatte ein »Rat für den Frieden im Land« im Fernsehen verkündet, die Armee habe »die Macht im Land in ihrer Gesamtheit übernommen«. Damit sollten »die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie, die Menschenrechte und die Freiheiten« im Land gewährleistet werden, hieß es in der Erklärung. Die Putschisten riefen das Kriegsrecht aus und verhängten eine Ausgangssperre. Erdogan sprach dagegen von einem »Aufstand einer Minderheit in der Armee« und kündigte »sehr starke Gegenmaßnahmen« an. Der Staatschef rief seine Anhänger zu Gegendemonstrationen auf. In der Hauptstadt Ankara sowie in Istanbul und Izmir folgten zahlreiche Menschen dem Aufruf. An einer der beiden teilweise gesperrten Bosporus-Brücken in Istanbul eröffneten Soldaten das Feuer auf demonstrierende Regierungsanhänger. Ein AFP-Fotograf sah Dutzende Verletzte. Am Freitag ergaben sich hier Dutzende Putschisten. Sie ließen sich mit erhobenen Händen festnehmen. Außerdem ergaben sich laut Anadolu fast 200 Soldaten, die sich im Hauptquartier der Streitkräfte verschanzt hatten.

Im Zentrum von Ankara waren zuvor heftige Explosionen und Schüsse zu hören, während Kampfflugzeuge und Militärhelikopter über der Stadt kreisten. Medienberichten zufolge wurde das Parlament aus der Luft angegriffen. Laut Anadolu wurden dabei 17 Polizisten getötet.