Türkei-Regierung: Wir haben die Erpressungen der USA satt- Wir kooperieren jetzt militärisch mit Moskau

Türkischer Außenminister: Unerträgliche NATO-Arroganz - wir planen Militärkooperation mit Moskau

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu hat die NATO scharf kritisiert. Die Allianz kooperiere mit Ankara nicht auf Augenhöhe und behandle Türkei und Russland wie Staaten zweiter Klasse. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Sputnik deutete er an, dass die Türkei eine Militärkooperation mit der Russischen Föderation ins Auge fasst.

Laut Çavuşoğlu ist Ankara alarmiert über die mangelnde Bereitschaft der NATO, mit der Türkei zusammenzuarbeiten. Die Türkei ist eines der ältesten Mitglieder der westlichen Militärallianz.

„Es erscheint uns, als ob NATO-Mitglieder sich in Fragen des Technologie-Austauschs und gemeinsamer Investitionen ausweichend verhalten. Die Türkei aber möchte ihre Verteidigungsindustrie entwickeln und ihr Abwehrsystem stärken“, so der Diplomat gegenüber Sputnik.

„Sollte Russland in diesem Sinne Interesse zeigen, sind wir bereit, die Möglichkeit einer Zusammenarbeit in diesem Bereich zu berücksichtigen“, erwiderte Çavuşoğlu auf die Frage, ob Ankara als Konsequenz daraus im Verteidigungsbereich mit Russland kooperieren wolle.

Das gilt als bislang stärkste Reaktion des türkischen Außenministers auf das Verhalten der NATO gegenüber ihrem langjährigen Mitgliedsstaat. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur Anadolu am 10. August hatte Çavuşoğlu bereits angekündigt, die Türkei und Russland werden einen gemeinsamen Mechanismus für die militärische, geheimdienstliche und diplomatische Zusammenarbeit schaffen. Er fügte hinzu, die Beziehungen der Türkei zur NATO seien alles andere als zufriedenstellend:

„Die Türkei wollte bis heute mit der NATO zusammenarbeiten. Aber die Ergebnisse, die wir bisher ausmachten, sind nicht zufriedenstellend. Deshalb ist es nur natürlich, dass wir nach anderen Optionen suchen. Wir betrachten es nicht als Schritt gegen die NATO.“

Erdoğan und der umstrittene Hamas-Führer Ismail Haniyya, 2012.

Vor einer Woche äußerte der türkische Botschafter in der Russischen Föderation, Ümit Yardim, zudem an die Adresse des Westens, die NATO habe kein Recht, die Außenpolitik der Türkei zu bestimmen. „Die NATO kann unsere Kontakte zu anderen Staaten nicht beschränken. Das bedeutet, die NATO hat kein Recht, uns Bedingungen zu diktieren und uns zu sagen, wen wir treffen und nicht treffen sollten“, sagte Yardim am 11. August laut RIA Novosti.

Die sich wieder aufwärmenden Beziehungen zwischen der Türkei und Russland, die im November 2015 nach dem Abschuss eines russischen Bombers ihren Tiefpunkt erreicht hatten, rufen laut Medienberichten große Besorgnis in den Reihen des Westens hervor.

Çavuşoğlu deutete zudem an, dass es einen wachsenden Unmut in der Türkei auf Grund der verzerrten Wahrnehmung in der EU und den USA hinsichtlich des vereitelten Putschversuchs am 15. Juli gibt. Der Westen zeigt im Zuge des niedergeschlagenen Staatsstreichs nur reservierte Unterstützung. Zudem traten im Westen, anders als in Russland, zahlreiche Texte auf, in denen ein Putsch gegen die Erdoğan-Regierung mehr oder weniger gutgeheißen wurde. Die Türkei fordert die Auslieferung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen, dessen Bewegung auch in Russland wegen mutmaßlicher panturkistischer Aktivitäten und des Verdachts auf intensive Kooperation mit der CIA verboten ist. Gülen wird beschuldigt, den Putsch in der Türkei über seine Anhängerschaft im Militär und in anderen Sicherheitsapparaten angestoßen zu haben. Washington lehnt die Auslieferung des mutmaßlichen Terrorpaten bislang strikt ab.

Im Gespräch mit Sputnik beschuldigte Çavuşoğlu den Westen außerdem, die Türkei und Russland wie „Staaten zweiter Klasse“ zu behandeln. Das sei darauf zurückzuführen, dass der Westen beide Länder nicht auf Augenhöhe betrachte:

„Für sie sind Russland und die Türkei Staaten zweiter Klasse. Sie sind außer sich, wenn diese Staaten zweiter Klasse es wagen, sie zu kritisieren. Wegen der Geradlinigkeit und Belastbarkeit von Präsident Erdoğan und Präsident Putin fühlen sie sich besorgt und sind ängstlich.“

Die Kritik Çavuşoğlus beschränkte sich damit nicht auf die NATO, da er auch explizit den Westen im Allgemeinen ins Visier nahm. Seiner Meinung nach sei der Westen auch hauptsächlich verantwortlich für die anhaltende Krise in der Ukraine:

„Schaut, was in der Ukraine geschah. Sie bedrohten immer das Land und zwangen es, sich zwischen dem Westen und Russland zu entscheiden. Sie sagten: ‚Ihr steht entweder mit uns oder mit Russland‘. Dieses Vorgehen ist zwecklos. Was in der Ukraine passiert, ist eine Reflexion der Hauptprobleme in der Region.“

Türkische Diplomaten wollen, so der Minister, Frieden in der Schwarzmeer-Region. Diese soll nicht zum Epizentrum für neue Konflikte werden. Çavuşoğlu rief alle involvierten Konfliktparteien auf, eine friedliche Lösung zu finden. Seiner Meinung nach bedarf es eines intensiveren Dialogs zwischen Russland und der NATO. „Es sollte in der Region keine aufkeimenden Konflikte geben, nicht für die Türkei, nicht für Russland oder jemand anderen“, äußerte er.

Der türkische Außenminister betonte, dass die Türkei das einzige NATO-Mitgliedsland sei, das keine Sanktionen gegen Russland verhängte. Alle anderen Staaten versuchten vergeblich, Russland auf diese Weise einzuschüchtern.

Die Annäherung zwischen der Türkei und Russland sei der Beginn einer „neuen Dynamik“ nicht nur in den Beziehungen zwischen Ankara und Moskau, sondern auch für den gesamten Nahen Osten. Das sagte der ehemalige Pentagon-Beamte Michael Maloof im Gespräch mit RT:

„Ich glaube, dass der türkische Präsident Erdoğan die NATO und sogar die EU aufgegeben hat. Er wendet sich nun mehr dem Osten zu.“

„Was sich nun abzeichnet, ist, dass Russland die Unterstützung der Türkei sucht, um die sunnitisch-muslimische Welt einzudämmen und zu kontrollieren, vor allem die Dschihadisten in Syrien, aber auch, um in dieser Sphäre regionalen Einfluss zu gewinnen“, fügte der ehemalige Pentagon-Beamte aus.

Maloof glaubt, der Dialog mit Russland könnte der Türkei auch die Tore zu einer Mitgliedschaft in der Schanghaier Organisation für Kooperation (SOZ) öffnen. Auch eine engere Kooperation mit China würde sich anbieten, das nun auch an der Beilegung des Konflikts in Syrien beteiligt ist.