System-Götterdämmerung?: Deutsche Bank und Commerzbank in Schieflage

Der Wert der Deutschen Bank ist an den Aktienmärkten auf ca 15 Mrd. €uro geschrumpft.

Allein für Strafzahlungen in den USA droht der Bank eine Strafe von bis zu 12,5 Mio. Dollar. Trotz der Rücklagenvon 5 Mrd. €uro für Strafzahlungen würde das Bankhaus damit in eine existenzielle Bedrohungslage geraten.

Die Deutsche Bank ist seit Monaten unter Beschuss. Ihre US-Konkurrenten haben Unterstützung von der US- Regierung bekommen. Die Bundesregierung zaudert – und spielt ein gefährliches Spiel. Bluffen Merkel und Schäuble? Haben sie im Poker um die größte Bank Deutschlands wirklich bessere Karten als die Finanzindustrie?  Was sind die Optionen? 

Bail-in nach EU-Recht

Der rechtlich naheliegende Weg wäre die Beteiligung der nachrangigen Gläubiger. Dies sehen die EU-Regeln seit Jahresbeginn glasklar vor – wenngleich viele rechtliche Detailfragen interpretationsbedürftig sind und eine entsprechende Judikatur noch nicht sehr umfangreich ist. Doch das Problem ist, dass dies alle nachrangigen Gläubiger treffen würde, also auch jene Unternehmen oder Privatpersonen, die mehr als 100.000 Euro bei der Deutschen Bank liegen haben. Viele kleine und mittelständische Firmen würden in Deutschland ein akutes Liquiditätsproblem bekommen, wenn der Bail-In in seiner reinen Lehre durchgezogen würde.

Außerdem wäre ein Bail-in angesichts der riesigen ausstehenden Derivatebeträge eine gewaltige Belastung im System und könnte zum Beispiel einen möglichen Kollaps der Obligationenpreise auslösen. Denn neben Cash sind Staatsanleihen die wichtigste Form von Kollateral bei Derivate-Ausgleichszahlungen.

Deutschland könnte erhebliche Kapitalabflüsse sehen, wenn sich die Bundesregierung wirklich an europäisches Recht hält und den Bail-in durchzieht. Die Italiener stehen bei der Monte dei Paschi vor demselben Problem, weshalb Ministerpräsident Matteo Renzi seit Monaten laviert und nach anderen, „kreativen“ Lösungen sucht. Renzis Vorteil: Die Italiener beherrschen solche Lösungen. Deutschlands Nachteil: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat seit Jahren ohne jede Flexibilität auf dem Bail-in bestanden. Er ist Jurist und will die Gesetze verwirklicht sehen. Ob er bei seiner harten Haltung allerdings an die Deutsche Bank gedacht hat, ist unklar. Öffentlich hat er immer wieder den Eindruck erweckt, er ziele vor allem auf die Italiener.

Bailout durch den Steuerzahler

Eine Rettung durch den Steuerzahler ist nach EU-Regeln eigentlich verboten. Allerdings zeigt Renzi, dass es eine Möglichkeit gibt, über eine Art Zwischenfinanzierung Zeit bis zu einer Kapitalerhöhung zu gewinnen. Im Fall der Monte dei Paschi wäre eine solche verdeckte Finanzierung durch den Steuerzahler die Fortsetzung eines jahrelangen Verschleppungskurses. Schon unter Mario Monti hatte die MPS fünf Milliarden Euro vom Steuerzahler erhalten. Für die Deutsche Bank wäre eine Rettung durch den Steuerzahler ein Novum. Möglich wäre etwa eine Rettung durch staatliche Garantien. Im Bundestagswahlkampf käme eine solche Rettung nicht besonders gut an – aber das muss nichts heißen: So wurde vor wenigen Tagen ganz nebenbei die Deutsche Bahn gerettet, und die Öffentlichkeit hat es schon wieder vergessen. In Berlin sind Milliarden an Steuergeldern in die Bauwirtschaft geflossen, damit sie einen Flughafen errichtet – im Wahlkampf hat keine der verantwortlichen Parteien und auch keine linke Oppositionspartei den Regierenden einen Vorwurf gemacht.

Übernahme durch einen Konkurrenten

Die Übernahme der Deutschen Bank durch einen Konkurrenten ist angesichts des Kursverfalls eine Option, auf die viele Mitbewerber schielen dürften. Wenn eine US-Bank zuschlägt, würde das kurzfristig zu einigen ideologischen Debatten führen – aber auch solche Deals sind in der Öffentlichkeit schnell vergessen. Die französischen Banken wären in der Lage, eine solche Übernahme zu stemmen. Auch die Erschaffung eines „europäischen Champions“ wäre denkbar. Man sollte nicht vergessen, dass eine der deutschen Paradebanken, die Münchner HVB, längst keine eigenständige Bank mehr ist, sondern eine Tochter der italienischen Unicredit. Beim Kunden hat ihr das bisher nicht geschadet. Allerdings zittert man auch in München beim Blick nach Italien: Die Italiener haben gerade in Österreich vorgeführt, was sie mit Töchtern zu tun gedenken, wenn die Mutter leidet: Sie werden in die Bedeutungslosigkeit gestoßen, wie das Beispiel der Bank Austria belegt.

Verstaatlichung

Eine Verstaatlichung wäre die Folge der Rettung mit Steuergeldern bzw eine Vergesellschaftung. Die Commerzbank ist zudem bereits teilverstaatlicht. Allerdings könnte die Fusion von Commerzbank und Deutscher Bank eine Variante sein. Wer erinnert sich noch an die traditionsreiche Dresdner Bank? Sie ging in der Commerzbank auf – und das Leben ist weitergegangen. Der Chef der Deutschen Bank, John Cryan, hat Erfahrung mit der Rettung durch den Staat: Er war Finanzchef bei der UBS, die vom Schweizer Steuerzahler und der Schweizerischen Nationalbank 2008 gerettet werden musste. Fünf Jahr nach der Rettung bilanzierte die NZZ: „Insgesamt hat die größte Rettungsaktion von Bund und Nationalbank für ein privatwirtschaftliches Unternehmen den Steuerzahler keinen Rappen gekostet, aber einen Gewinn in der Größenordnung von 6,5 Milliarden Franken in die Kasse des Staates und der Notenbank gespült.“

Allerdings – und das könnte ein entscheidender Grund sein, warum die Bundesregierung zögert – ist eine solche Rettung immer mit enormen Risiken verbunden. Auch bei der UBS gab es diese Risiken – doch der Bankensektor ist heute in einer ganz anderen Verfassung: Weltweite Rezession, Rohstoff-Schock, das Erodieren des Kerngeschäfts durch die Niedrigzins-Politik der Zentralbanken, der allgemeine Vertrauensverlust und die FinTechs machen allen Banken zu schaffen. Es wäre eine Chance, wenn eine Verstaatlichung gelingt. Aber insgesamt steht es schlecht um die Deutsche Bank.

Entsprechend finster äussert sich die linke Fraktionsvorsitzende Wagenknecht:

Zeitbombe: Zwei deutsche Großbanken in Not

Im Wortlaut von Sahra Wagenknecht, junge Welt,

Was ist nur aus den Managern geworden? Seitdem das US-Justizministerium die Verhängung eine Rekordstrafe gegen die Deutsche Bank wegen ihrer kriminellen Hypothekengeschäfte im Vorfeld der Immobilien- und Finanzkrise fordert, kommen statt der üblichen großspurigen Sprüche fast täglich SOS-Botschaften aus den Türmen der Frankfurter Konzernzentrale. Am Montag musste der Finanzkonzern sogar dementieren, dass sein Chef persönlich in Berlin die Bundeskanzlerin um staatliche Unterstützung angebettelt hat. Dumm nur, der Regierungssprecher wollte nicht ausschließen, dass es eine Begegnung im großen Kreis gegeben habe. Ein glaubwürdiges Dementi sieht anders aus. Der Aktienkurs der Deutschen Bank fiel anschließend weiter.

Untergangsstimmung herrscht nicht nur beim Branchenprimus. Beim zweitgrößten deutschen Kreditinstitut sieht es nicht besser aus. Am Dienstag verkündete die Commerzbank einen rekordverdächtigen Stellenabbau. 10.000 Mitarbeiter sollen dem verzweifelten Versuch geopfert werden, die Profitabilität wieder herzustellen. Der Kapitalgeber will Dividende sehen. Moment – war da nicht was? Genau, die Commerzbank wurde schon während der letzten Finanzkrise zum Teil verstaatlicht. Das hat nur niemand gemerkt, weil auf die Geschäftspolitik kein Einfluss ausgeübt wurde. So half die Commerzbank zum Beispiel Kunden weiter beim Nichtzahlen von Steuern. Im Februar 2015 durchsuchte die Staatsanwaltschaft die Firmenzentrale wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Steuerbetrug. Heute hält der Bund immer noch rund 17 Prozent der Aktien. Es ist ein Trauerspiel, dass der auch jetzt seine Einflussmöglichkeit nicht nutzen wird, um den Angestellten beim Kampf um ihre Arbeitsplätze zu helfen.

Mit dem »Gemerkel« muss Schluss sein. Zwar werden US-Interessen bei der geforderten Rekordstrafe gegen die Deutsche Bank sicherlich eine Rolle gespielt haben. Aber für die schwierige Situation in vielen heimischen Instituten ist zusätzlich zur Ausrichtung auf aberwitzige Geschäftsmodelle bei den privaten Großbanken auch die große Koalition verantwortlich. Durch verordnete Lohn- und Rentenkürzungen statt Investitionsprogrammen nötigt sie die Europäische Zentralbank anhaltend zu Niedrigzinsen. Ein solches Zinsumfeld untergräbt auf Dauer die Ertragsseite im traditionellen Einlagen- und Kreditgeschäft. Und speziell im Fall der Deutschen Bank hat die Koalition das explosive Geschäftsmodell aus einem weltweit vernetzten Spielcasino mit angeschlossenem seriösem Bankgeschäft nicht entschärft. Damit haben Merkel und Gabriel die »gefährlichste Bank der Welt« (Internationaler Währungsfonds) als tickende Zeitbombe in den Schoß der Steuerzahler gelegt. Statt neuer Bankenrettungen brauchen wir endlich eine konsequente Neuordnung des Finanzsektors. Im Ergebnis muss für Konsumenten und Unternehmen das notwendige Bankgeschäft durch die öffentliche Hand gesichert werden. Für den Rest müssen die Zocker haften.

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