Tsipras macht sein Kabinett noch neoliberaler und feuert linke Sparkritiker

Obama kommt und er wird applaudieren - das Volk leidet

Vor dem Hintergrund von wachsenden politischen und sozialen Problemen hat Regierungschef Alexis Tsipras sein Kabinett umgebildet. Tsipras spricht von einem "Neuanfang." Andere befürchten eher, dass der Weg für die rigorose Sparpolitik jetzt frei ist.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama besucht heute Griechenland. Zu feiern gibt es dort nichts. Zwar wuchs die griechische Wirtschaft diesen Sommer um 0,5 Prozent, doch der verhaltene Optimismus wird nach wie vor durch gravierende soziale Probleme überschattet. Wie die aktuelle Studie zur sozialen Gerechtigkeit der Bertelsmann-Stiftung feststellt, sind die Armutszahlen in Griechenland und Spanien erschreckend.

In Griechenland leben etwa 36 Prozent der Bevölkerung an der Armutsgrenze. Jeder Dritte junge Grieche unter 18 Jahren steht davor, ein Leben in Armut führen zu müssen. Der Anteil der von Armut und sozialer Exklusion Bedrohten liegt in Griechenland bei 35,7 Prozent. Bei Kindern sind es sogar 37,8 Prozent.

Vor diesem Hintergrund vereidigte Ministerpräsident Alexis Tsipras am 5. November das neue griechische Kabinett. Es wird vermutet, dass die neue Ausrichtung auf eine noch engere Zusammenarbeit mit den internationalen Kreditgebern ausgerichtet ist. Die griechische Tageszeitung „To Ethnos“ schreibt dazu, Tsipras habe

alle Stimmen, die ein Hindernis in der Beziehung zu den Kreditgebern darstellten, aus der Regierung oder von den Verhandlungen ausgeschlossen.

Spiegel Online schrieb, es gehe darum, sich „neuen politischen Handlungsspielraum“ zu verschaffen und „Reformwillen zu demonstrieren.“ Der griechische Ministerpräsident selbst bezeichnete den Schritt als „Chance für einen Neuanfang.“

Bei der Kabinettsumbildung wurden unter anderem Schifffahrtsminister Theodoris Dritsas, der Minister für Wirtschaft und Entwicklung Panos Skourletis, Kultusminister Aristidis Baltas und Bildungsminister Nikos Filis ausgetauscht. Alle vier sind alte Weggefährten von Tsipras und gleichzeitig Kritiker des Sparkurses.

So hatte sich zum Beispiel Panos Skourletis offen gegen Privatisierungspläne auf dem Energiesektor gestellt. Dritsas hatte in beiden Amtszeiten der Syriza-Regierung im Schifffahrtsministerium gedient und war unter anderem für die Privatisierung des Hafens von Piräus verantwortlich. Er ist zu dem Teil der „Bewegung 53+“, des sogenannten „linken“ Flügels in Syriza.

Tsipras Wirtschaftsberater Dimitris Liakos wird im neuen Kabinett für die Umsetzung des Reformprogramms zuständig sein. Zum Wirtschaftsminister wurde der Ökonom Dimitris Papadimitrou ernannt. An seine Seite rückte der Chef der Privatisierungsagentur, Stergios Pitsiorlas. Die 31-jährige Effie Achtsioglou, die ebenfalls am Verhandlungstisch mit den Kreditgebern saß, wurde zur Arbeitsministerin befördert. Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise wurde ein eigenständiges Migrationsministerium geschaffen.

Theodoris Dritsas wird durch Panagiotis Kouroumblis ersetzt, der bis 2011 Mitglied der sozialdemokratischen Pasok war und damals als Abgeordneter für das erste Sparmemorandum votiert hatte. Er wechselte später zu Syriza und diente im ersten Syriza-Kabinett als Gesundheitsminister und im zweiten als Innenminister.

Der ehemalige Minister für Bildung, Forschung und Religionsfragen Nikos Filis fiel in Ungnade, weil er den griechisch-orthodoxen durch einen allgemeinen Religionsunterricht an der Schule ersetzen wollte. Tsipras nahm hingegen eine versöhnliche Haltung gegenüber dem Erzbischof von Athen ein, der scharfe Kritik an Filis geübt und implizit dessen Absetzung gefordert hatte.

Laut der Tageszeitung "To Vima" zeichnet sich bereits eine „neue Verhandlungslinie“ mit der europäischen Expertengruppe ab, die eine Reform des griechischen Arbeitsrechts fordert. Die neue Arbeitsministerin Achtsioglou wolle auf mehrere Forderungen eingehen, darunter die Einführung von Kurzarbeit in Unternehmen.

Die europäischen Vertreter schlagen außerdem eine Ausweitung der Massenentlassungen, veränderte Bedingungen für den Mindestlohn im Privatsektor und die Einschränkung von Branchenverträgen und Tarifverhandlungen vor. Achtsioglou muss in den nächsten Tagen 21 Ministerbeschlüsse fassen, zu denen auch die Rentenmaßnahmen gehören.

Auch in der Griechenland-Berichterstattung verdeutlichten deutsche Medien im Zweifel lieber einmal zu oft ihre

Die Zusatzrenten sollen 2017 um weitere 439 Millionen Euro gekürzt werden. In diesem Jahr wurden bereits Renteneinsparungen von rund 230 Millionen Euro durchgesetzt. Am vergangenen Mittwoch demonstrierten wieder Tausende Rentner in Athen und forderten Gelder zurück, die von der Regierung „aus den Rentenfonds gestohlen wurden“.

Am Tag zuvor waren erneute Kürzungen der Zusatzrenten in Kraft getreten, die über 248.000 Rentner betrafen. In einer aktuellen Meinungsumfrage der Universität Makedonien sank Syriza auf 15 Prozent ab, während Nea Dimokratia (ND) auf 30 Prozent zulegen konnte. Die faschistische Goldene Morgenröte, liegt mit 7 Prozent immer noch auf Platz 3, verlor aber leicht an Stimmen.

Alle Parteiführer werden von über 60 Prozent der Befragten negativ eingeschätzt. Die schlechtesten Umfragewerte hat mit 86,5 Prozent der Faschist Nikolaos Michaloliakos, gefolgt vom Anel-Chef Kammenos (82,5 Prozent) und Tsipras (75 Prozent).