Erdogan holt 51 % - Opposition wittert Wahlbetrug- Erdogan sieht es als Sieg gegen den Westen und IS

Tausende Oppositionelle wurden insbesondere nach dem letzten Putschversuch in der Türkei verhaftet. Insbesondere Linke und prokurdische HDP Politiker und Journalisten wurden tausendfach verhaftet. 

Die Linke Fraktionschefin Sahra Wagenknecht erklärt ähnlich wie Sevim Dagdelen (Linke MdB) dazu: 

Despot Erdogan feiert sich für einen Sieg, der keiner ist. Denn die gestrige Abstimmung in der Türkei war weder frei noch gerecht. Mein herzlicher Dank geht an so viele Menschen, die in der Türkei trotz der laut OSZE deutlichen "Einschüchterung der Anhänger der Nein-Kampagne", trotz ihrer fehlenden Versammlungsfreiheit, trotz Tausender inhaftierter Mitglieder und Funktionäre der für ein ‚Nein‘ mobilisierenden Partei HDP und trotz völlig unausgewogener Medienberichterstattung gegen Erdogangs Gang in die Präsidial-Diktatur gestimmt haben. Ich schließe mich der Forderung aus der türkischen Opposition an, die das Ergebnis anfechten will. Angesichts all der erfolgen Manipulation, Erpressung und Verfälschung im Vorfeld sowie angesichts ernstzunehmender Hinweise auf Wahlbetrug dürfen Kanzlerin Merkel und Außenminister Gabriel diesen angeblichen Sieg nicht anerkennen. Meine Solidarität geht an meine Genossinnen und Genossen in der Türkei. Ich wünschen Ihnen viel Mut und Kraft, um weiter für die Demokratie in ihrem Land zu kämpfen! Für die Bundesregierung wiederum muss das endlich der Anlass sein, ihre Türkeipolitik grundlegend zu ändern. Mit einer Diktatur darf die EU keine Beitrittsverhandlungen mehr führen, Vorbeitrittshilfen von 630 Millionen Euro jährlich sind ebenso wie eine Erweiterung der Zollunion zur Unterstützung Erdogans sofort zu stoppen. Die Bundesregierung ist gefordert klar zu machen auf wessen Seite sie steht: Auf der Seite der Demokratie oder auf der Seite der Diktatur Erdogans.

Nach dem scheibchenweisen Völkermord an Kurden will Erdogan mit einem Präsidialsystem noch mehr Macht an sich reissen. 

 

Der Staatschef wird jetzt auch Regierungschef uned Oberbefehlshaber der Streitkräfte - ähnlich wie im Präsidialsystem der USA. Zudem kann er mit Dekreten regieren und einige Richter  renennen. 

Auch die menschenverachtende Todesstrafe will er notfalls per Volksreferendum durchsetzen, wenn es im Parlament dafür keine Mehrheit gibt.

Er  behauptet diese Macht auch für den Kampf gegen den Westen und den IS aber auch gegen die Kurden zu benötigen.

Auch gegenüber dem US Imperialismus und der EU scheint er sich  zu positionieren und sich in der Syrienfrage scheinbar Russland anzunähern. 

Den IS hat er lange Zeit unterstützt - wohl auch um den USA zu gehorchen - aber hier scheint sich ein Wandel zu  vollziehen . Beim Krieg gegen die Kurden bleibt es aber. Die US Regierung beschuldigte  er auch lange Zeit, hinter dem Gülen-Putsch zu stehen. 

Ja“ wählten am Sonntag 51,39 Prozent und damit die Mehrheit aller wahlberechtigten Türken. 48,61 Prozent der Gesellschaft stellte sich gegen die Verfassungsänderung, die einen Wechsel des politischen Systems hin zu einem Präsidialstaat vorsieht.

Ismail Arslan von der AKP in Berlin zeigte sich optimistisch über das Wahlergebnis. Er sagte auf Anfrage von RT Deutsch:

Wir haben uns durchgeboxt, auch wenn wir das Ergebnis weit höher angesetzt haben. Aber immerhin, wir sind über die Hürde gekommen. Das ist das wichtigste.“

Der Linken- und HDP-Politiker Ferat Kocak ist dennoch über die Leistung der Opposition in der Türkei erfreut.

RT Deutsch sagte er am Rande einer Wahlparty in Kreuzberg:Aus den offiziellen Erhebungen geht hervor, dass die drei größten Städte der Türkei beim Volksentscheid „Nein“ wählten.

Auch der mehrheitlich kurdische Südosten ist dagegen.

Unterm Strich zeigte die Allianz aus Regierungspartei AKP und nationalistische MHP ein eher positives Ergebnis im Südosten im Vergleich zu den Wahlen 2015, wo die linksgerichtete, pro-kurdische HDP stärker abschnitt. Zum wichtigen Helfer der AKP wurden die Kurden-Regionen der Türkei, auch wenn diese grundsätzlich gegen das Referendum stimmten. Vor allem aus Städten wie Agri, Mus, Bitlis, Hakkari, Sirnak, Siirt, Batman und Mardin kamen wichtige Stimmen.

Trotz einer Zusammenarbeit der AKP und MHP für ein „Ja“ haben sie die gemeinsamen Wählerstimmen von 2015 weit unterschritten. Es war auch ein sehr gelungener Wahlkampf in Deutschland, den die oppositionellen Kräfte gemeinsam mit Linken und demokratischen Organisationen deutschlandweit geführt haben.“

Bei den Parlamentswahlen im November 2015 kamen MHP und AKP noch auf 61,39 Prozent aller Wählerstimmen. Die Allianz verlor heute rund zehn Prozent seiner Wähler. Am 1. November 2015 wählten noch 49,49 Prozent aller Türken die AKP. Anders als in der Türkei führt die AKP die Wählerstimmen in Deutschland deutlich an. In der Bundesrepublik gewann das „Ja“-Lager 63,1 Prozent.

Bemerkenswert ist die Schwäche, mit der die Partei der Nationalen Bewegung (MHP) in der Türkei abschloss. Laut der türkischen Tageszeitung Sabah entschied sich die Mehrheit der traditionellen MHP-Wähler, ihrem schwachen Parteiführer Devlet Bahceli nicht zu folgen, der seit vergangenem Jahr heftigen Widerständen innerhalb der Partei ausgesetzt ist. Sie stellten sich gegen das Referendum.

Der Nahost-Experte Tallha Abdulrazaq, der gegenwärtig in Istanbul weilt, fasste für RT Deutsch die Stimmung auf den Straßen der Metropole ein. Er äußerte:

Egal wo ich war, war eine gedämpfte Atmosphäre auszumachen. Es wird tendenziell eine politische Diskussion vermieden, auch unter AKP-Anhängern. Sie erwarteten einen großen Sieg, aber das ist wohl die schlechteste Wahlleistung der AKP seit Wahlgründung.“


Der renommierte türkische Journalist Engin Bas sagte RT Deutsch voraus, dass das Wahlergebnis kaum einen oder zwei Prozent über die 50 Prozent-Wahlsieghürde steigen wird. Es war ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Bas sagte:„Auf der anderen Seite hast du die Opposition, die wohl eine schwere Niederlage erwartete. Die sind positiv gestimmt. Zwar hat die AKP gewonnen, aber mit einem faden Beigeschmack. Die Opposition wird gestärkt hervorgehen“, fügte Abdulrazaq hinzu.

Es gibt zahlreiche Wähler, die öffentlich eine andere Meinung vertreten als sie letztlich wählen.“

Hinsichtlich Wahlmanipulationen informierte Bas, dass es im Südosten einige offene Frage gab. RT Deutsch teilte er mit:

In Diyarbakir gab es ein paar Berichte, die darauf hinwiesen, dass es Ungereimtheiten gab. Nichtsdestotrotz sind das erstmal kleine insignifikante Vorfälle.“

Bas warnte allerdings, dass es noch lange Debatten in der Türkei über den Volksentscheid geben wird. Der Journalist mit Sitz in Istanbul informierte:

Die oppositionellen Parteien CHP und HDP haben bereits angekündigt, Teile des Wahlergebnisses anfechten zu wollen. Sie sprechen von Ungereimtheiten, die ermittelt werden müssen. Sie sprechen von Manipulation. Der CHP-Vize, Erdal Aksunger, erklärte, die Partei erwäge bis zu 60 Prozent der Stimmzettel anzufechten.“