Rede von Sahra Wagenknecht auf dem Hannover Parteitag  2017 + Interview 

Video unten - und Interview mit russischen Medien 

Zum Ende des Linke-Parteitags in Hannover hat Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht noch einmal die Ziele ihrer Partei abgesteckt. Dazu gehört auch eine gute Nachbarschaft zu Russland. Sputnik hat mit ihr vor Ort exklusiv über mögliche Koalitionen, das neue Wahlprogramm, sowie die von der Linke angestrebte Außen- und Russlandpolitik gesprochen.

Frau Wagenknecht, eine der großen Fragen an diesem Wochenende war: Will die Linke koalieren, oder will sie das nicht. Alle Augen haben dabei auch auf Sie geschaut. Wie ist Ihre Position?

Ich finde, dass dies auch eine abstrakte und unsinnige Frage ist. Klar, wenn wir die absolute Mehrheit haben, dann wollen wir regieren. Wenn wir Partner für unsere Ziele haben, wollen wir regieren. Aber wir wollen uns in keine Regierung begeben, wo wir am Ende das Gegenteil von dem machen müssen, was wir den Wählerinnen und Wählern versprochen haben. Denn solche Parteien gibt es wirklich genug, die haben keine Glaubwürdigkeit, die sind unzuverlässig gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern. So werden wir nicht werden.

Sie haben bei Ihrer Rede auf dem Parteitag auch noch eimal gesagt, dass sie einen Jeremy Corbyn von der britischen Labour Party sofort unterstützen würden, wenn er als Kanzlerkandidat der SPD antreten würde. Wo liegen für Sie die größten Unterschiede zwischen Corbyn und Martin Schulz?

Nun Jeremy Corbyn hat ja wirklich einen ganz klaren und konsequenten Wahlkampf gemacht, mit klassisch sozialdemokratischen Positionen. Er hat eine Rücknahme der Privatisierung gefordert, er will mehr öffentliches Eigentum, er will mehr gute Bildung, eine gute Gesundheitsversorgung. Und er war dafür geschmäht worden als jemand, der rückwärts gewandt wäre. Das ist ja ein Vorwurf, den wir in Deutschland auch immer wieder hören: Wenn man den Sozialstaat wieder herstellen will, dann ist man angeblich rückwärts gewandt. Aber Corbyn hat sich davon überhaupt nicht beeindrucken lassen, von den ganzen Beschimpfungen und Diffamierungen. Das war ja wirklich schlimm was er da erlebt hat und was auch in den Medien gelaufen ist. Doch er hat einfach seinen Stiefel durchgezogen. Er hat klar gesagt, das ist das was ich will. Und er hatte Glaubwürdigkeit, dass ist vielleicht sogar das Entscheidende. Es geht also nicht nur um das, was er den Wählern verspricht, sondern auch darum, ob sie ihm das abnehmen.

Bei Martin Schulz gibt es das alles nicht. Es gibt bei ihm keine Glaubwürdigkeit und es sind ja noch nicht einmal die Forderungen da. Das ist ja wirklich alles windelweich, dass ist alles ein Betteln um die Fortführung der großen Koalition. So gewinnt man keine Wahlen, aber so ist man eben auch aus dem Spiel, wenn es darum geht, eine neue Koalition mit linker Beteiligung zu machen. Das ist ja absurd, denn wir wollen ja nicht die bisherige Politik fortsetzen.

Beim Thema Außenpolitik haben auf dem Parteitag darauf hingewiesen, dass es bei den etablierten Parteien einige Stimmen gibt, die Russlands Präsident Putin sehr gerne für die Präsidentschaft von Donald Trump verantwortlich machen würden. Was denkt die Linke darüber?

Diese Debatte gibt es ja allen Ernstes und die ist nun wirklich kurios. Ich muss nun wirklich sagen: Wer Russland diese Macht zuschreibt, wesentlich darüber zu entscheiden, wer die US-amerikanische Nation führt und wer Präsident wird, der ist ja nun völlig verrückt geworden. Und natürlich hat das auch überhaupt kein Gehalt. Ich finde, man soll ernsthaft darüber reden, warum jemand wie Donald Trump gewählt werden konnte. Und da sind wir bei sozialen Fragen und sozialen Problemen, da sind wir bei Perspektivlosigkeit. Die Wahl in den USA war vor allem eben auch eine Anti-Wahl. Die Menschen dort wollten kein „weiter so“, sie wollten keine Hillary Clinton. Das ist die Wahrheit und alles andere ist wirklich komplett lächerlich.

Was sieht das an diesem Wochenende beschlossene Wahlprogramm für die Russlandpolitik ihrer Partei vor?

Wir wollen das Verhältnis zu Russland verbessern. Wir wollen, dass es wieder eine Anknüpfung an die Tradition der Entspannungspolitik gibt, eine Politik der guten Nachbarschaft. Das bedeutet, gegenseitig seine Interessen ernstzunehmen und gegenseitig zu akzeptieren, dass man legitime Interessen hat. Europa und Russland haben eine Geschichte, das kann man nicht wegwischen. Und Russland ist immer wieder Opfer von Überfällen und Kriegen geworden, nicht zuletzt und am schlimmsten im zweiten Weltkrieg durch Deutschland. Deswegen kann ich gut verstehen, dass wenn inzwischen wieder deutsche Soldaten an der russischen Grenze stehen, viele Menschen das als Bedrohung empfinden. Das wollen wir nicht, wir wollen Frieden in Europa und Frieden gibt es nur mit Russland und nicht gegen Russland.

Was ist nun ihr Fazit von diesem Parteitag hier in Hannover? Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis und auch mit der Parteibasis an diesem Wochenende?

Ich finde, wir haben wirklich ein anstrengendes Wochenende gehabt. Es waren logischerweise ellenlange Debatten, denn wir hatten viele Anträge. Aber ich finde, wir haben im Großen und Ganzen doch ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Und ich bin wirklich auch voller Respekt dafür, wie diszipliniert die Delegierten diesen Marathon durchgestanden haben. Das waren ja unendlich viele Abstimmungen und ich finde, wir haben jetzt ein gutes Programm, mit dem wir jetzt wirklich arbeiten können und einen guten Wahlkampf führen können.   
  
Interview: Marcel Joppa