17.Juni 1953 in der DDR: Berechtigte Arbeiterproteste treffen auf anti-sozialistische Konterrevolution 

Die Bewertung der Ereignisse am 17. Juni 1953 in der DDR unterliegt wie alle relevanten gesellschaftlichen Vorgänge und Erscheinungen den Deutungsansprüchen der agierenden politischen Kräfte. Er wurde zum Bestandteil des ideologischen Kampfes um die Verwirklichung der Klasseninteressen und –Klassenziele der beteiligten Kräfte.

Auch die Bundesrepublik hatte schwere Unruhen  - aber erst 1968 also 15 Jahre später als es im Rahmen der  Studentenbewegung auch zu massenhaften Protesten gegen die Regierung und das kapitalistische System  ( in Form der RAF Attentate später)  und sogar zur Ermordung des Studenten Benno Ohnesorg  ( 1967) und zu einem Anschlag auf  den Studentenführer Rudi Dutschke gekommen war. 

Die DDR hatte einen holprigen Start, weil Reparationszahlungen und Zerstörungen größer waren als im Westen. Zudem war es komplizierter einen Sozialismus ohne Konzernherrschaft aufzubauen als den Kapitalismus der Nazis einfach fortzusetzen. Zudem wurden in der BRD viele alte Nazikader mit CDU Ticket reaktiviert und insofern auch eine Kontinuität in Staat und Verwaltung wie in der Wirtschaft sichergestellt. 

Die Sowjetunion hatte ihr Einverständnis mit diesem Schritt erst zögernd im unmittelbaren Vorfeld der SED-Parteikonferenz signalisiert. Stalin und seine Gefolgsleute waren eigentlich mehr an einem blockfreien Gesamtdeutschland interessiert: politisch dem Frieden verpflichtet, militärisch neutral und wirtschaftlich so leistungsfähig, daß die Reparationsforderungen der UdSSR befriedigt werden konnten. Das zeigte deutlich die sowjetische Note vom 10. März 1952 an die Westmächte zur Deutschlandfrage mit ihren Vorschlägen für einen Friedensvertrag, die jedoch von Washington, London und Paris wie von Bonn brüsk abgelehnt wurden.

Die USA und ihre Verbündeten verschärften zu dieser Zeit den Kalten Krieg gegen das sich herausbildende sozialistische Weltsystem mit einer forcierten Aufrüstung, gipfelnd mit der amerikanischen Wasserstoffbombe und mit der Strategie des »Roll back«, des gewaltsamen »Zurückrollens« des Sozialismus. Deshalb unterstützten sie auch den Bonner Kurs auf Remilitarisierung Westdeutschlands, unter anderem seine Einbindung in die »Europäische Verteidigungsgemeinschaft« (EVG), und auf Liquidation der DDR.

Die Sowjetunion unternahm unter diesen Bedingungen – ausgehend von den Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg, der ihr 27 Millionen Todesopfer abverlangt hatte – verstärkte Anstrengungen, ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken, was wenig später mit dem erfolgreichen Test ihrer ersten Wasserstoffbombe seinen Ausdruck und in dem damit erreichten »nuklearen Gleichgewicht« seine Bestätigung fand. Die damit verbundenen steigenden Wirtschafts- und Finanzlasten allerdings wurden zum Teil auf ihre Verbündeten umgelegt.

Auch das verursachte in der DDR wachsende ökonomische Schwierigkeiten. Diesen suchte die SED- und Staatsführung seit 1952 durch administrative Maßnahmen zu begegnen, beispielsweise dadurch, daß das Ablieferungssoll für bäuerliche Betriebe heraufgesetzt, die Steuern für Handwerker, kleine und mittlere Unternehmer erhöht, ihnen aber neue Kredite verwehrt wurden, man den Freischaffenden, Großbauern, Handwerkern und Gewerbetreibenden die Lebensmittelkarten entzog, so daß sie nun auf HO-Läden mit deren höheren Preisen angewiesen waren, einige Waren des Grundbedarfs verteuerte und schließlich im Mai 1953 die Arbeitsnormen in Industrie und Bauwesen durchweg um zehn Prozent anhob.

Im Gegensatz zu offiziell betriebener Agitation, die eine »weitere Verbesserung der Lebensverhältnisse« propagierte, hatten also viele DDR-Bürger zunehmenden Grund zur partiellen Unzufriedenheit. Die Zahl derer, die ihren Staat verließen – teils durch gezielte Abwerbung dazu veranlaßt –, war im Anwachsen begriffen. Hier machte sich ein weiteres Defizit im Gefüge der jungen Republik bemerkbar: Demokratie wurde überall proklamiert, aber längst nicht überall im Wirtschaftsleben praktiziert.

Wachsender Unmut

Der wachsende Unmut in bestimmten Kreisen der Bevölkerung blieb der Partei- und Staatsführung sowohl der DDR als auch der UdSSR nicht verborgen.

Nach wiederholten Verhandlungen zwischen ihnen beschloß das Politbüro des ZK der SED am 9. Juni 1953, die der Bündnispolitik abträglichen Maßnahmen zurückzunehmen. Mit gleichlautenden Beschlüssen des Ministerrates vom 11. Juni wurde der »neue Kurs« der Regierung eingeleitet. Der Beschluß über die Normerhöhung blieb jedoch einstweilen in Kraft. Als die Arbeiter im Juni feststellen mußten, wie sie sich auf ihre Löhne auswirkte, schlug stellenweise Mißstimmung in Protest um. Am 15. Juni legten Bauarbeiter in der Berliner Stalin-Allee die Arbeit nieder und bestimmten eine Delegation, am 16. Juni ihre Forderungen im Haus der Ministerien zu überbringen. Dem Zug dieser Abordnung schlossen sich unterwegs weitere Demonstranten an, darunter auch Westberliner.

Als im Vorhof des Hauses in der Leipziger Straße Minister Fritz Selbmann in einer kurzen Ansprache mitteilen wollte, auch die Normerhöhung sei rückgängig gemacht worden, wurde er von der aufgebrachten Menge niedergeschrien und mit Steinen beworfen.

Erste regierungsfeindliche Losungen wurden skandiert. Gleichzeitig wurden die ersten ladenneuen Maureranzüge von Westberlinern sichtbar, die sich als Bauarbeiter ausgaben, aber in Wirklichkeit von ganz anderen Kräften angeheuert waren und ganz andere Absichten verfolgten.

So nahm das Geschehen seinen Anfang, dessen Eskalation am 17. Juni 1953 ihren Höhepunkt erreichte. In den Vordergrund gerückt werden von den heutigen politischen Eliten Streiks und Demonstrationen, bei denen die DDR geschmäht und »freie Wahlen« gefordert wurden.

In Erinnerung bleiben allen demokratisch gesinnten Menschen allerdings geplünderte Geschäfte und in Brand gesetzte HO-Verkaufskioske, gestürmte öffentliche Gebäude und ihr verwüstetes Inneres, »befreite politische Gefangene«, darunter verurteilte Nazi- und Kriegsverbrecher und Kriminelle, und tätlich angegriffene, ja stellenweise zu Tode geschleifte SED- und FDJ-Mitglieder, Volkspolizisten und Gewerkschaftsfunktionäre.

Jeder kann erkennen: Das ist nicht Arbeiterart! Trotzdem wird hartnäckig behauptet, der 17. Juni sei ein »Arbeiteraufstand« gewesen. Nein, er war – ursprünglich berechtigtes Verlangen von Arbeitern ausnutzend – ein Versuch konterrevolutionärer Kräfte, die DDR mit ihren sich entwickelnden sozialistischen Produktions- und Machtverhältnissen zu beseitigen und mit dem »Tag X« die alten Gesellschaftsverhältnisse wiederherzustellen. Angeheizt wurde dieser Putschversuch durch Bonner und Westberliner Politiker und Medien, allen voran durch den RIAS, der in seiner Hysterie sogar von amerikanischer Seite gebremst werden mußte, weil die USA zu dieser Zeit nicht »wegen Berlin« in einen kriegerischen Konflikt verwickelt werden wollten.

Der letzte Chef der SED de DDR Gregor Gysi schätzt den Aufstand zuletzt etwas anders ein - aber anders und differenzierter als die politische Klasse und im Westen dominierende rechtspopulistische CDU-Ideologen es im Springer-Stil bis dato es taten: 

Für viele Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus der Emigration und für viele Überlebende des NS-Terrors war die Gründung der DDR ein Hoffnungsschimmer. Sie verbanden mit der DDR die Hoffnung, dass das Kontinuum der Geschichte, immer eine Gewalt-, Ausbeutungs-, und Kriegsgeschichte gewesen zu sein, endlich aufgebrochen werden könnte. Diese Vorstellungen kollidierten mit den Realitäten einer traumatisierten Nachkriegsgesellschaft. Die Mehrheit der Gesellschaft bestand aus Menschen, die den Nationalsozialismus passiv geduldet haben – nur ein geringerer Teil waren aktive Nazis oder Widerstandskämpfer gegen die Nazis. Ein wesentliches Moment der psychologischen Verfasstheit einer solchen Gesellschaft ist jedenfalls völlige Desillusionierung.

Hinzu kam, dass die Herrschaft der SED nicht einfach nur als undemokratisch, sondern als eine von der sowjetischen Besatzungsmacht installierte Staatlichkeit wahrgenommen wurde. Berücksichtigt man den Antikommunismus und Antisowjetismus, der unter den Nazis forciert wurde, dürfte sich die DDR nur einer begrenzten Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung erfreut haben, zumal die Bundesrepublik zu demonstrieren schien, dass es auch anders geht. Schließlich litt die Bevölkerung auch unter den Reparationslasten des Krieges.

Unter diesen Bedingungen erscheint die Entscheidung der SED von 1952, die „Grundlagen des Sozialismus“ aufbauen zu wollen, wie eine völlig wirklichkeitsfremde Entgleisung.

Konkret bedeutete diese Entscheidung, dass sich infolge des damals noch direkt an Stalin orientierten  Sozialismuskonzepts der Druck auf mittlere und kleine Unternehmer massiv erhöhte (in der ideologischen Sprache tauchten sogar Begriffe wie „Liquidierung“ der kapitalistischen Klasse auf) und dass die wirtschaftliche Steuerung auf den Ausbau der Groß- und Schwerindustrie ausgerichtet wurde. Unter den Bedingungen hoher Reparationslasten führte das zu einem Absinken des Lebensniveaus bei ständig erhöhten Arbeitsanforderungen. Das wird von keiner Arbeiterklasse in keinem Land der Welt bejubelt.

Bei einer Gesamtschau dieser Umstände hätte es – im Nachhinein gesehen – an ein Wunder gegrenzt, wenn es nicht zu Protesten, Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen oder ähnlichen Ereignissen gekommen wäre.


https://17juni1953.wordpress.com/2013/06/14/der-17-juni-1953-einige-anmerkungen/

Ebenso hartnäckig wird von anderen Zeitgenossen versucht, den 17. Juni als »Volksaufstand« hinzustellen. Zu jener Zeit zählte die DDR knapp 18 Millionen Einwohner. Einige hunderttausend waren an den genannten Aktionen beteiligt. Sie spielten sich vor allem in industriellen Zentren ab; in den Dörfern und kleineren Städten machten sie sich kaum bemerkbar. Am 18. Juni, spätestens aber am folgenden Tag nahmen die Streikenden fast allerorten ihre Arbeit wieder auf.

Lage beruhigt

Erst als im Verlauf des 17. Juni sowjetische Militärkommandanten den Ausnahmezustand ausriefen, beruhigte sich die Lage. Wo sowjetische Panzer auftauchten, zogen sich zumeist die Randalierer recht schnell zurück. Nur in wenigen Fällen kam es zu bewaffneten Provokationen, die mehrere Tote und Verletzte auf beiden Seiten verursachten. Wer in jenen Tagen schuldlos zu Tode kam, verdient unser Gedenken.

Mit ihrem Eingreifen nahm die UdSSR ihre Rechte und Pflichten als eine von vier Besatzungsmächten wahr. Auch die Westalliierten hätten gegebenenfalls nicht anders gehandelt. Wer behauptet, der Aufruhr sei »von sowjetischen Panzern niedergewalzt« oder sogar »im Blut erstickt worden«, sollte sich erinnern, daß sowohl das Besatzungsstatut für die Westzonen vom 10. April 1949 als auch der »Generalvertrag« der BRD mit den drei Mächten vom 26. Mai 1952 »wirksame Maßnahmen« der alliierten Streitkräfte vorsah, um »einer ernstlichen Störung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu begegnen«. Stufenweise außer Kraft gesetzt wurde diese Bestimmung erst mit der Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO 1955, der Verabschiedung der Notstandsgesetze durch den Bundestag 1968 und letztlich dem Zwei-plus-vier-Vertrag vom 31. August 1990, der Besatzungsrecht generell außer Kraft setzte.

Sowohl das besonnene Verhalten der bewaffneten Kräfte der DDR als auch die nachhaltig demonstrierte militärische Präsenz der UdSSR trugen wesentlich dazu bei, daß jene Revolte trotz aktiver westlicher Unterstützung in sich zusammenbrach. Entscheidend für ihr Scheitern war die Bereitschaft ungezählter arbeitender Menschen, die Ergebnisse ihrer gemeinsamen Aufbauarbeit zu verteidigen. Wichtig war vor allem, daß ein Bürgerkrieg in der DDR verhindert wurde, der unversehens zu einem neuen Weltkrieg hätte führen können. Der Status quo in Europa, ein friedenssichernder Faktor, blieb erhalten.

Fehldarstellungen der Geschichte dienen dem fortgesetzten Streben, die DDR zu verteufeln und letztlich jeden Gedanken an eine nichtkapitalistische Zukunft zu diskreditieren.

www.gbmev.de

Die  bürgerlichen Kapitalfraktionen in der Bundesrepublik und ihre politischen Handlanger von der CSU über die SPD bis zu den Grünen sind sich mit „Volks- oder Arbeiteraufstand“ oder „Aufstand gegen die kommunistische Herrschaft“ weitgehend in der Begriffswahl einig.


Die sich als marxistisch oder anderweitig oppositionell verstehenden Parteien und politischen Gruppierungen tun sich bei ihren Definitionsbemühungen schwerer. Ihre Uneinigkeit gruppiert sich um Fragestellungen nach der Schuld an diesen Ereignissen sowie um Abwägungen, ob man beispielsweise die Sache als „berechtigtes Aufbegehren vor allem der Arbeiter gegen die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen in der 2. Hälfte des Jahres 1952“ bezeichnen kann oder als  konterrevolutionären anti-sozialistischen und „faschistischen Putsch“.

In diesem Kampf um die Begriffe als dem Kern der ideologischen Auseinandersetzung sollten für die marxistischen Kräfte weder intellektuelle Rechthaberei noch wohlwollende Weisheiten aus der Distanz von 60 abgelaufenen Jahren zählen, sondern die Fähigkeit, die Vorgänge als Ausdruck des Agierens von Klassenkräften, als Klassenkampf zu analysieren und zu werten.

Der 17. Juni 1953 war nur acht Jahre vom Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus entfernt, dem Tage, an dem die Zerschlagung des deutschen Imperialismus faschistischer Prägung durch die Siegermächte in Berlin-Karlshorst per Unterschrift besiegelt wurde. Dieser Sieg wurde errungen auf der Grundlage eines von den Völkern nachdrücklich geforderten antifaschistischen Bündnisses, das mit der Sowjetunion eine zwar stark geschwächte, aber an internationalem Einfluss außerordentlich gestärkte staatliche Macht zur Grundlage hatte. Es ist die Plattform des am 2. August 1945 von den drei Siegermächten unterzeichneten Potsdamer Abkommens.

Der Zusammenhang zwischen den Interessen der Völker, der politischen Rolle der Sowjetunion, also zwischen klassenbedingten Zielen und Aktivitäten einerseits und dem Wohlergehen der Völker andererseits wird hier deutlich.

Die Haltung zu diesem Abkommen bringt die Achtung oder Missachtung des Volkswillens, den Umgang mit den historischen Lehren zum Ausdruck. Die Entscheidung fällt – wie in allen Angelegenheiten von gesellschaftlichem Belang – in Abhängigkeit von den Klasseninteressen. Daran ändert auch kein Fabulieren über die Abhängigkeit der politischen Kräfte in West- und Ostdeutschland von den jeweiligen Großmächten und ihren führenden Persönlichkeiten etwas. Die Lebensinteressen des deutschen Volkes, die unübersehbaren Erfordernisse des gesellschaftlichen Fortschritts verlangten gebieterisch, die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zu realisieren. Damit war noch kein sozialistischer Weg für Deutschland vorbestimmt, obwohl in dieser Zeit so gut wie alle, besonders lautstark führende Sozialdemokraten, davon redeten.

Die Haltungen zum Potsdamer Abkommen und die ihnen entsprechende politische Praxis bestimmen auch die Handlungslinien, die zum 17. Juni 1953 in der DDR führen. Geschützt und unterstützt durch die sowjetische Besatzungsmacht werden in Ostdeutschland die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens buchstabengetreu realisiert. Das Gemeinwesen erhält eine antifaschistische Prägung, die in der imperialistischen Zeit entstandenen Monopolmächte und die Konzernherrschaft werden zerschlagen, Rüstungskonzerne und Großgrundbesitzer im Ergebnis demokratische Entscheidungen enteignet und die Masse der Produktionsmittel in gesellschaftliches, staatliches Eigentum überführt.

Dieser im Ansatz schon revolutionäre Vorgang war zwangsläufig mit politischen Konsequenzen verbunden, speziell mit der Ausgestaltung der Machtorgane. Entscheidend dabei war, dass es gelang, 1946 die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung in zwei Parteien zu überwinden und damit für den zu errichtenden Staat antifaschistisch-demokratischen Charakters die politische Grundlage zu legen.

Dass diese Maßnahmen objektiv in die Richtung auf eine sozialistische Gesellschaftsordnung hin trieben, liegt in der Natur der Sache.

Es erscheint in diesem Zusammenhang völlig müßig, darüber zu streiten, ob die Beschlüsse der 2. Parteikonferenz der SED von 1952 vielleicht doch etwas zu voreilig gefasst worden seien. Auch eine andere Problematik begünstigt Spekulationen dieser Art. Die sowjetische Besatzungszone befand sich politisch und ökonomisch in einer Situation anhaltender Schwäche. In einem weitgehend zerstörtem Land, ohne bedeutende Ressourcen, ohne größere ökonomische Hilfe von außen, aus einer faschistischen Vergangenheit kommend eine völlig neue gesellschaftliche Ordnung zu errichten, bei einem militant feindlichen Nachbarn und bei offener Grenze – das war tatsächlich ein gewagtes Unternehmen, das von fundierten Gesellschaftstheorien und einem nahezu grenzenlosen historischen Optimismus getragen werden musste.

Diese Grundhaltung, die man als revolutionär bezeichnen kann, muss gerade heute verteidigt werden, wenn Kleingeister oder Feinde raten, bei erkennbaren Schwierigkeiten auf schöneres Wetter zu warten!

Bekanntlich war die Tinte auf den in Cecilienhof zu unterzeichnenden Dokumenten noch nicht trocken, als die von den USA betriebenen Aktivitäten um den Erhalt und die Ausdehnung der imperialistischen Herrschaft begannen. Damit war jede politische, ökonomische und militärische Aktion in ihrer „antibolschewistischen“ Zielrichtung definiert. Europa und Deutschland bildeten dabei Brennpunkte.

Dieser Linie folgt die Neuordnung des deutschen Monopolkapitals als „in seine Schranken verwiesene“ Konkurrenz, der Erhalt des früheren faschistischen Führungspersonals, die offene und verdeckte Unterdrückung demokratischer Kräfte und Willensbekundungen, die Nutzung der Währung als hochwirksames Instrument zur Spaltung des Landes, die Verordnung der Staatsgründung durch die imperialistischen Siegermächte, die Einbeziehung in die von den USA dominierten Bündnissysteme verbunden mit der unter dem Namen Marshall bekannt gewordenen wirtschaftlichen Unterstützungsmaßnahmen. Das versetzte die Regierung unter Adenauer bereits fünf Jahre nach der Niederlage des deutschen Imperialismus in die komfortable Lage, vor dem Bundestag zu erklären: „Die Bundesregierung unterstützt jederzeit mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln den Willen der Bevölkerung der Sowjetzone nach Befreiung von dem kommunistischen Joch der Sozialistischen Einheitspartei.“

(Anton Latzo: Die Fälscher sind am Werk!: Der 17. Juni – ein Beispiel, S. 3, herausgegeben vom Landesvorstand Brandenburg der DKP)

In dieser Zeit wird in den USA die Bedeutung der ideologischen Kriegsführung entdeckt, mit der „eine Verbindung von Propaganda und subversiven Aktivitäten oder die Benutzung der Propaganda für Subversions- und Diversionszwecke“ (a.a.O., S. 11) als Kampfmethode zum Tragen kommt.

Das systematische Hinarbeiten auf einen Tag X in der DDR (Wortschöpfung der Initiatoren des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen) Anfang der 1950-er Jahre ist vielfach belegt. Dieser Prozess wurde durch dieses Ministerium offen und verdeckt geführt.

Im März 1952 erfolgt bei diesem Ministerium die Gründung eines Forschungsbeirates für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands, in dem Vertreter der Banken, der Industriekonzerne, der Gutsbesitzer, des DGB und der SPD an einem „Generalstabsplan für die administrative Machtübernahme“ arbeiten.

(nach Hans Bentzien: Was geschah am 17. Juni?, S. 84 ff, Verlag edition ost)

Am 12. Juni 1953 lassen führende Konzerne, die in der DDR enteignete Betriebe zu beklagen haben, Aktien dieser Betriebe – „Ostwerte“ – aufkaufen.

Am 17. Juni dieses Jahres und in den Tagen davor versammelt sich in Westberlin eine Art Generalstab: Allan Dulles, der US-Spionagechef, seine Schwester Eleanore, Sonderberaterin für Berliner Fragen im State Department, General B. Ridgeway, der die US-Truppen im Koreakrieg geführt hatte, der Staatssekretär im Bundeskanzleramt Otto Lenz, der „gesamtdeutsche“ Minister Jakob Kaiser, Heinrich von Brentano und der Vorsitzende der SPD Erich Ollenhauer

(nach Hans Bentzien, a.a.O., S. 167 und Anton Latzo, a.a.O., S. 9)

Der Krieg gegen die um ihre Stabilität und Entwicklung ringende DDR umfasste, wie ursprünglich konzipiert, das gesamte Arsenal von der Propaganda bis zu subversiven Handlungen. Die Bedingungen dafür konnten mit Westberlin als „billigster Atombombe“, einer S-Bahnfahrt in das „Feindland“ für 20 Pfennig und als Stationierungsort eines Heeres von Spionage- und Agentenorganisationen nicht günstiger sein. Dieser Krieg war gerichtet auf ein Staatswesen, auf ein Land, das um die Grundlagen seiner Existenz zu kämpfen hatte.

Die wirtschaftlichen Spannungen entfalteten sich in der DDR, die in dieser Zeit mit äußerster Kraftanstrengung ihre industrielle Basis auszubauen begonnen hatte, etwa in der Zeit nach der 2. Parteikonferenz der SED vom Juli 1952.

Mit dem dort gefassten Beschluss, zur planmäßigen Errichtung der Grundlagen des Sozialismus überzugehen, war eine Wendemarke gesetzt worden, von der der Gegner wusste, dass bei einem erfolgreichen Beschreiten dieses Weges die Chancen für eine kapitalistische Restauration der Verhältnisse in Ostdeutschland auf längere Sicht verloren gehen. Für das in der Entwicklung befindliche gesellschaftliche System der DDR waren damit aber auch grundlegende Veränderungen und Belastungen verbunden.

Die Grundstoffindustrie und der Maschinenbau mussten verstärkt ausgebaut werden, für die Landwirtschaft wurde der genossenschaftliche Weg konzipiert, der Aufbau einer eigener Armee stand auf dem Plan und der Staatsapparat war an die neuen Anforderungen anzupassen. Die Reformen in allen gesellschaftlichen Bereichen, wie dem Gesundheitswesen, der Bildung, der Kultur mussten mit z.T. neuer Orientierung weitergeführt werden. Als ein Kernproblem der Entwicklung des Landes erwies sich die Stärkung der Akkumulationskraft der Wirtschaft, von der die Lösung aller anderen Aufgaben abhing. Sie war zusätzlich durch die zu leistenden Reparationen begrenzt.und die DDR leistete weit mehr Reparationen als die Westmächte, weil  die Sowjetubion imKrie4g aush weit mehr zerstört wurde als dei Westmächte. Das verlangsamte die industrielle Entwicklung in der DDR, die erst  seit 4 Jahren bestanden hatte udn gleich in Konkurrenz zum lange Zeit entwickelten Kapitalismus, der in der Bundesrepublik einfach wieder restauriert wurde und auf  gleiche ökonomische Strukturen aus der Nazi-Zeit zurückgreifen konnte. Vielfach wurden in der BRD auch ale Nazi-Kader mit CDU Ticket  in  Justiz, Wirtschaft  und Verwaltung wieder eingesetzt.   

Über die Versuche der Partei und der Regierung, in dieser Situation die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mit allen Mitteln, bis hin zur festgelegten Normerhöhung von 10 Prozent, zu stärken, wird immer noch fleißig diskutiert. Dass eine wirtschaftliche Leistungssteigerung in gesellschaftlicher Breite administrativ nicht durchsetzbar ist, bedarf heute wie damals keines wohlmeinend belehrenden Kommentars. Einen Weg zu finden, bei dem in einer höchst angespannten Situation der Fortgang eines revolutionären Prozesses gewährleistet werden kann, war eine Kunst im politischen Kampf und wird es bleiben. Das ist eine Ebene, die von Kleinbürgern nicht zu erfassen ist.

Tatsächlich ließen die wirtschaftlichen Anspannungen und der Versuch ihrer Lösung durch einen Zwang zur Effektivitätserhöhung bei gleichzeitiger Begrenzung von Wirtschafts- und Sozialleistungen die Unzufriedenheit nicht nur der Arbeiter und Angestellten spürbar anwachsen.

Das war der Nährboden, auf dem die Zielstellungen, den Staat und die politische Ordnung zu liquidieren, ansetzten. Der Ablauf der Ereignisse bestätigt diesen Zusammenhang. Streiks und Unruhen am 17. Juni und davor erfassten – nach unterschiedlichen Quellenangaben – 6 bis 11 Prozent der Arbeiterschaft und 272 von ca. 10.000 Gemeinden (nach GRH – Information Nr. 2/2013: 17. Juni – Wahrheiten und Lügen – Eine notwendige Wortmeldung, S. 45). Die Forderungen der Arbeiter waren grundsätzlich ökonomischer und sozialer Natur und in der Mehrzahl mit dem Appell an die Regierung verbunden, in ihrem Sinne zu handeln.

Dass die Demonstrationen sich über Berlin hinaus, speziell auf die Arbeiterzentren, ausbreiteten und fast schlagartig durch politische Forderungen ergänzt oder ersetzt worden sind, hat andere Ursachen. Sie kann man am besten in den Archiven des RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) und beim Chefredakteur des Senders, Egon Bahr, studieren. Das plötzliche Auftauchen von Totschlägern und Brandstiftern aus Westberlin mit Forderungen „Weg mit der Regierung“ und „Freie Wahlen sofort“ auf handgemalten Transparenten und auf tausenden von Flugblättern weist darauf hin, dass außer dem RIAS noch andere „nachhelfende“ Organisationen, wie das Ostbüro der SPD, in Aktion waren. Diese Phase der Ereignisse erinnert sehr an die Zeit der Noskeleute und an deren Plakate: „Schlagt ihre Führer tot!“. Und sie wiederholte sich, als 36 Jahre später, sozusagen über Nacht, der Wandel von der Losung „Wir sind das Volk“ zur Losung „Wir sind ein Volk“ vollzogen wurde.

Die Debatte darüber, dass die Kennzeichnung der Vorgänge als „faschistischer Putsch“ die entstandene Unzufriedenheit unter den Werktätigen und die bei der Führung der SED liegenden Ursachen der Probleme ausblenden würde, geht an den Realitäten vorbei.
Man kann darüber diskutieren, dass die Analyse der Lage und der Tätigkeit der Parteiführung und der Regierung nicht dem erforderlichen Niveau und der gebotenen Konsequenz entsprachen. Wer sich aber der Mühe unterzieht, die Dokumente dieser Zeit zu lesen und in der Lage ist, die nachfolgende politische und ökonomische Entwicklung unbefangen zur Kenntnis zu nehmen, wird feststellen, dass der „Neue Kurs“ kein propagandistischer Schachzug der SED-Führung war und grundlegende Schlussfolgerungen sowohl für die Wirtschaftspolitik als auch für die Führungstätigkeit der Partei gezogen wurden. Ebenso darf im Sinne der zu beherzigenden Lehren auch nicht übersehen werden, dass in den Tagen um den 17. Juni 1953 faschistoide Methoden des politischen Kampfes praktiziert worden sind und „alte“ Faschisten in den „Widerstandszentren“ keine geringe Rolle spielten.

Was am 17. Juni 1953 geschah, war eine planmäßig, mit allen Mitteln und mit äußerster Konsequenz betriebene Konterrevolution. Aktivitäten dieser Art begleiteten die sozialistischen Staaten vom ersten Tag ihrer Existenz an. Dass sie schließlich zum Erfolg führten, zwingt besonders diejenigen, die sich zu den marxistisch-leninistischen Kräften zählen dazu, die historischen Vorgänge und Erfahrungen mit aller Gründlichkeit in ihren Lernprozess einzubeziehen.

Im Kampf gegen den gesellschaftlichen Fortschritt hat die Bourgeoisie im Zeitalter des Imperialismus immer faschistische Lösungen „in der Hinterhand“.

Andererseits gab es auch in der DDR unterschiedliche und auch harte Reaktionen.Bis Anfang Oktober wurden 1.240 Personen zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, darunter 1.090 Arbeiter und 23 Einwohner Westberlins. 138 Personen hatten vor 1945 der einen oder anderen Nazi-Organisation angehört, 59 waren SED-Mitglieder, 76 waren Mitglieder anderer DDR-Parteien gewesen. Bei dieser Zusammensetzung kann man nicht auf eine Naziverschwörung schließen. Aber tatsächlich ist erkennbar, und das wurde für die weitere Entwicklung des Staatssozialismus wichtig, dass das soziale Zentrum der Unruhen die Arbeiterklasse war.

Da nichts auf einen politisch koordinierten Aufstand hindeutet, würde ich von einer  anfänglich spontanen Arbeitererhebung sprechen, deren wichtigstes Kampfmittel der politische Streik war. Es ist aber bis heute nicht geklärt, inwiefern Nazis, Ost-SPD und vor allem die staatlichen Geheimdienste der Bundesrepublik diese Anführer der Proteste  zum Teil steuerte. Es gibt Vermutungen, dass Nazi-Schläger rübergekarrt wurden udn tatsächlich kam es auch zu militanten Aktionen gegen Polizeistellen und gegen Partei-Funktionäre in der DDR. Es bleibt noch zu erforschen, wie intensiv diese Infiltrationsaktionen bei der offenen Grenze damals gingen. Erst dann kann man diese Proteste endgültig bewerten.     

Auch die DDR-Führung agierte nicht geschlossen.  Es kam bis Oktober zu etwa 1000 Verurteilungen nach Verhaftungen. Der damalige Minister für Staatssicherheit Wilhelm Zaisser plädierte für eine Ablösung Ulbrichts und wurde daraufhin aus der SED ausgeschlossen. Rudolf Herrnstadt, damals Chefredakteur des Neuen Deutschland, wurde aufgrund seiner Oppositionshaltung gegenüber Ulbricht ebenfalls aus der SED ausgeschlossen. Max Fechner, Justizminister der DDR, sprach sich gegen eine Verfolgung der Streikenden aus, und handelte sich dafür Untersuchungshaft ein. 

Die Sowjetunion reagierte positiv und lockerte die Reparationsforderungen an die DDR. Die Lage stabilisierte sich.