Pulse of Europe - Demos für Neoliberalismus in der EU 

Gastbeitrag von Ralf Krämer via Fabio de Masi 

Ein kritisches Herangehen an »Pulse of Europe« ist notwendig, findet der Gewerkschafter Ralf Krämer

 
Eurokrise

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Viele Menschen haben das berechtigte Bedürfnis, dem erstarkenden Rechtspopulismus und Nationalismus ihren Protest entgegenzusetzen. »Pulse of Europe« bietet dafür einen Rahmen. Vor allem ein gut-bürgerliches Publikum versammelt sich hier und demonstriert »für Europa«. Aber wird »Pulse of Europe« damit »ein Partner für die Linke«, wie etwa Sebastian Weiermann in »nd« schreibt?

Auf der Website http://pulseofeurope.eu wird völlig kritiklos ein Positivbild von einem »vereinten, demokratischen Europa« gemalt, in dem angeblich »die Achtung der Menschwürde, die Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und Respekt selbstverständliche Grundlage des Gemeinwesens« sind. Die Europäische Union sei »in erster Linie ein Bündnis zur Sicherung des Friedens«. Als sechste Grundthese dann ziemlich purer Neoliberalismus: »Die europäischen Grundfreiheiten sind nicht verhandelbar. Personenfreizügigkeit, freier Warenverkehr, freier Zahlungsverkehr (tatsächlich geht es um Kapitalverkehrsfreiheit, RK) und Dienstleistungsfreiheit – die europäischen Grundfreiheiten – sind historische Errungenschaften, die aus Nationalstaaten eine Gemeinschaft gemacht haben. Sie sichern individuelle Freiheit und Wohlstand.« Viele Millionen Menschen, besonders in Südeuropa, die durch die Eurokrise und eine von Troika und Europäischer Union erzwungene Austeritätspolitik in Armut gestürzt wurden, haben ganz andere Erfahrungen gemacht. Weder die zunehmende Militarisierung der Union, ihr menschenverachtender Umgang mit Flüchtlingen, noch ihre Handelspolitik zugunsten der Konzerne und auf Kosten der Menschen in Afrika werden erwähnt.

Die heutige EU stellt die Binnenmarktfreiheiten des Kapitals über soziale und demokratische Rechte, auch wenn diese in einzelstaatlichen Gesetzen garantiert sind. Streikrecht, Geltung von Tarifverträgen oder soziale Mindeststandards werden ausgehebelt. Nicht umsonst fordern die Gewerkschaften, dies mit einer Sozialklausel in den Verträgen zu stoppen. Die EU-Kommission treibt mit immer neuen Richtlinienentwürfen Liberalisierung, Marktöffnung und Privatisierung voran. Demokratische Steuerungsmöglichkeiten zum Beispiel durch öffentliche Unternehmen, Auftragsvergabe oder Landesbanken wurden massiv eingeschränkt.

Mit »refit« und »better regulation« werden Finanzmarktregulierung, Arbeitszeitenerfassung, Arbeits- oder Gesundheitsschutz blockiert, wenn sie Profitinteressen hemmen. Die im Gefolge der Eurokrise verschärfte Economic Governance der Europäischen Union ist auf einseitig neoliberale Krisenbewältigungspolitik festgelegt. Dieser zunehmend autoritäre Neoliberalismus ist in den Verträgen und weiteren EU-Rechtsakten in einer fast unumkehrbaren Weise verankert. Die gegenwärtige EU bedeutet eine substanzielle und fortschreitende Aushöhlung von Demokratie.
Die allermeisten Menschen auf diesen Veranstaltungen wissen das nicht. Sie haben nicht verstanden, dass diese Entwicklung der real existierenden EU ein Hauptgrund für den Aufschwung der Rechtspopulisten und Nationalisten ist, den sie bekämpfen wollen. Und »Pulse of Europe« erklärt es ihnen auch nicht – im Gegenteil. Kollegen der Initiative »Europa neu begründen« berichten, dass sie dort am Reden gehindert wurden und progressive, linke Kritik an der Europäischen Union offenbar unerwünscht ist. Dennoch sollten Linke dies weiter versuchen und mit Flugblättern usw. aufklären und ihre Positionen und Argumente an die Menschen bringen.

Sich an einer kritiklosen EU-Bejubelung beteiligen sollten sie aber keinesfalls. Damit würde nur den herrschenden Neoliberalen der Rücken frei gehalten, im Windschatten der Rechtspopulisten ihre antisoziale und antidemokratische Politik weiterzutreiben. Sie versuchen auch US-Präsident Donald Trump zu nutzen, um bisherige Widerstände gegen Aufrüstung und neoliberale Freihandelsverträge zurückzudrängen. Die Aufgabe von Linken ist es, die Neoliberalen und Konservativen unter Druck zu setzen, nicht sich mit ihnen in ein Boot zu setzen. Wer ein soziales und demokratisches Europa will, muss für eine andere als die bestehende neoliberale, undemokratische und militaristische EU kämpfen