Im Wortlaut


31.12.2014 Gregor Gysi, der Freitag

»Die Leute wollen, dass wir regieren«

Foto: ddp images/CommonLens/Axel Schmidt

 

 

Gregor Gysi sieht die Linkspartei in der ersten Liga angekommen. Doch unter der Oberfläche muss sie weiter Widersprüche aushalten.

 

Der Freitag: Herr Gysi, wann haben Sie das letzte Mal politischen Mut bewiesen?

Gregor Gysi: Das ist schwer einzuschätzen, weil die Maßstäbe so unterschiedlich sind. Ich habe vor kurzem die Grenze zwischen Irak und Syrien überquert, was ja auch ein bisschen illegal war. Die Kämpfer des Islamischen Staats waren so etwa neun bis zehn Kilometer weit weg – aber ich fand’s nicht so besonders mutig. Eigentlich ist Mut etwas anderes, nämlich sich bewusst gegen einen Mainstream zu stellen, wenn man von Leuten umgeben ist, die lautstark nichts anderes als den Mainstream fordern. Dann ist man sehr einsam. Das finde ich viel schwieriger als meinen Grenzübertritt.

Haben Sie den Eindruck, sich noch häufig gegen den Mainstream zu stellen?

Ich vertrete zwar häufig Standpunkte, die nicht dem Mainstream entsprechen, aber ich mache es auf eine Art und Weise, die die Akzeptanz für mich erhöht hat. Dadurch ist es nicht mehr so mutig wie vielleicht 1990 oder 1991. Das ist nicht mehr vergleichbar. Damals sind mir im Wesentlichen nur zwei Gefühle begegnet: Hass oder tiefe Zuneigung – fast nichts dazwischen. Das war eine viel schwierigere Situation als die gegenwärtige.

Hätten Sie auch mit dieser Akzeptanz im Rücken den Mumm gehabt, bei einer Stimme Mehrheit in einer unerprobten Konstellation in eine geheime Wahl zu gehen, so wie Bodo Ramelow?

Unter den Bedingungen von Thüringen wahrscheinlich. Ich müsste natürlich das Gefühl haben, dass auch die Abgeordneten von SPD und Grünen mir vertrauen. Dann würde ich das schon machen. Eine knappe Mehrheit führt auch zu einer höheren Disziplin. Eine große Mehrheit führt eher zu Disziplinlosigkeit. Trotzdem hatte ich vor dem ersten Wahlgang ein Kribbeln im Bauch, wie das letzte Mal als Kind zu Weihnachten direkt vor der Bescherung, als ich es nervlich auch kaum noch aushielt.

Dann muss Ramelows Durchfaller im ersten Wahlgang für Sie ein großer Schock gewesen sein.

Da ging es mir logischerweise nicht gut. Das Problem war, dass der Landtagspräsident überhaupt keine Miene verzogen hat – da konnte man überhaupt nicht erkennen, wie das Ergebnis aussieht. Aber unsere Abgeordnete aus der Zählkommission ging nach dem ersten Wahlgang mit einem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck zurück an ihren Platz und nach dem zweiten strahlte sie. Da war ich dann überzeugt, dass es geklappt hat. Ich hatte nach dem ersten Wahlgang gehofft, dass einer zeigen will, dass er Bedenken hat, aber gleichzeitig die Koalition nicht verhindern will. Natürlich wäre es auch im dritten Wahlgang gegangen – darauf hatten wir uns eingestellt. Das Verfassungsgericht in Thüringen saß schon bereit, um zu klären, wer jetzt Ministerpräsident ist. Gott sei Dank ist uns das erspart geblieben.

Welche Auswirkungen sehen Sie durch die Wahl eines linken Ministerpräsidenten auf das politische System?

Es ist natürlich wirklich neu, dass die SPD uns auch als Seniorpartner akzeptiert. Das ist ein Qualitätssprung. Es hat seit 1949 keinen Ministerpräsidenten links von der Sozialdemokratie gegeben. Aber jetzt wird es für die SPD zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern in zwei Jahren schwer zu erklären, warum sie lieber die CDU als Juniorpartner nimmt als uns. Und in Sachsen-Anhalt wird es noch schwerer zu erklären, weshalb sie nicht bereit ist, auch dort einen linken Ministerpräsidenten zu akzeptieren. Das hat auch die Union verstanden. Sie sieht, dass die SPD jetzt aus der Pflicht entlassen ist, mit ihr zu koalieren. Außerdem hatte die Union von Thüringen ja eine eigentumsrechtliche Vorstellung. Aber ich habe dem Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring in meiner grenzenlosen Großzügigkeit angeboten, ihm und den CDU-Abgeordneten eine Stunde unentgeltlich zu erklären, wie Oppositionsarbeit funktioniert. Er ist bislang allerdings noch nicht darauf eingegangen.

Und welche Auswirkungen auf die Linke erwarten Sie?

Wir spielen nun in der ersten Liga, haben eine größere Verantwortung, brauchen eine größere Disziplin. Eine weitere Lektion ist, dass die Leute wollen, dass wir mitregieren. Das müssen alle in unserer Partei begreifen – auch die, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht regieren wollen. Die müssen sich einen Ruck geben, sich überwinden. Als Zweites muss uns klar sein, dass man mit Wählerinnen und Wählern niemals spielen darf. Man darf nicht sagen, man wäre zu etwas bereit, wenn man es nicht ist. Und das Dritte ist, dass wir einen Weg finden müssen, Kompromisse einzugehen, ohne unsere Identität zu verlieren. Das ist die eigentliche Schwierigkeit. Aber im Bund, um das gleich zu sagen, findet das alles nur statt, wenn es eine Wechselstimmung gibt. Und davon kann bisher überhaupt keine Rede sein – das weiß auch der Freitag.

Aber liegt es nicht in der Verantwortung der Opposition, für eine Wechselstimmung zu sorgen?

Richtig! Eigentlich muss die Linke der Motor für eine Wechselstimmung werden. Aber das sind wir noch nicht – eben weil es so eine Unsicherheit gibt, wohin das Ganze gehen soll. Aber allein schaffen wir das auch nicht. Ich habe zweimal eine Wechselstimmung erlebt: 1998 im Bund wollten die Leute Kohl einfach nicht mehr. Es war genug nach 16 Jahren. Und 2001 in Berlin nach der Bankenkrise. Da gab es eine Wechselstimmung. Aber wenn die nicht da ist, ist so ein Wahlkampf auch nicht besonders spannend.

Bislang versucht die Linke ja auf sehr unterschiedlichen Wegen, die Menschen von sich zu überzeugen. In den Ländern regieren Sie gnadenlos pragmatisch, im Bund zeichnet Sie – freundlich formuliert – eine gewisse Vielstimmigkeit aus …

Na ja, die meisten Sachen machen wir schon ziemlich einstimmig. Aber gelegentlich machen wir auch mal etwas vielstimmig. Das sind immer ein paar neuralgische Punkte. Aber das ist nicht das Problem. Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass es eine machbare Alternative gibt und dass die für sie viel besser wäre – wirklich mehr Frieden und soziale Gerechtigkeit und vieles andere mehr schüfe.

Die Gelegenheit dazu haben Sie – schließlich sind Sie seit einem Jahr Oppositionsführer. Macht die Linksfraktion in dieser Rolle einen angemessenen Job?

Ich glaube, dass wir unserer Rolle als Oppositionskraft schon gerecht geworden sind. Wir haben den Vorteil, dass die Medien jetzt gelegentlich unsere Stimme oder die der Grünen benötigen – sie können ja nicht immer bloß Regierungsparteien nehmen. Das nutzen wir natürlich. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass unsere Äußerungen anders wahrgenommen werden. Wir sind jetzt die Herausforderer. Wir sprechen immer direkt nach der Kanzlerin – und in der Debatte über den Kanzleretat sogar vor ihr. Das zieht natürlich eine besondere Verantwortung nach sich. Die darf man nicht unterschätzen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass die Opposition so klein ist, dass ihr einige Möglichkeiten verwehrt sind. Deshalb müssen wir Wege finden, mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Und wir müssen einen Fehler auf jeden Fall vermeiden: Wir können nicht wieder damit anfangen, uns mit uns selbst zu beschäftigen. Das wissen auch alle – aber gelegentlich verfallen wir in diesen Fehler.

Zuletzt vor wenigen Tagen: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie Ihr Fraktionsmitglied Diether Dehm Arm in Arm mit dem umstrittenen Moderator Ken Jebsen auf einer Demo sehen?

Ich halte das für falsch, und das werde ich ihm auch deutlich sagen.

Warum suchen Teile der Linken die Nähe von Neurechten?

Das stimmt nicht. Die Linke ist sich völlig einig gegen die Rechten. Aber wir müssen noch besser aufklären.

Um auf die neuralgischen Punkte zurückzukommen, von denen Sie sprachen: Halten Sie die Linkspartei in den großen Fragen heute für befriedet?

Was die großen Linien angeht, sind wir uns einig. Wir haben hier niemanden, der gegen Frieden, Umverteilung, Minderheitenschutz oder die Gleichstellung von Ost und West und von Frauen und Männern wäre. Diskussionen führen wir zur Höhe der Forderung oder zur Art der Herangehensweise. Wie hoch soll die Umverteilung ausfallen? Wie kann man gegen den Islamischen Staat vorgehen? Da gibt es Widersprüche. Und wir müssen aufpassen, dass wir Dinge nicht zum Dogma verkommen lassen. Auf der anderen Seite müssen wir auch aufpassen, dass wir nicht „käuflich“ werden, uns nicht anbiedern und unsere Identität aufgeben. Das wäre kreuzgefährlich.

Würden Sie das Verhältnis der Partei zu Israel auch als eines dieser Themen unter der Oberfläche ansehen?

Eigentlich sind bei uns fast alle dafür, dass Israel in sicheren Grenzen existiert und dass Palästina in sicheren Grenzen existiert. Aber es gibt eine unterschiedliche Entwicklung. Die einen kommen aus der DDR, die ja gar keine Beziehung zu Israel hatte, und haben eher ein schlechtes Gewissen. Und die anderen haben eine entgegengesetzte Entwicklung, weil ihre Regierung zwar immer gute Beziehungen zu Israel hatte, aber die PLO vernachlässigt hat. Daraus entstehen unterschiedliche Leidenschaften. Da gibt es sehr viele, die leben diese in angemessener Form aus, und es gibt ein paar, die das gelegentlich in unangemessener Form machen – und dann gibt es Auseinandersetzungen.

Sie haben die als „Toiletten-Gate“ bekannt gewordene Situation, als Sie von Israel-Kritikern im Bundestag bedrängt wurden, die zwei Abgeordnete der Linken eingeladen hatten, sehr schnell abmoderiert. Haben Sie damit nicht einen notwendigen Dialog verhindert, der einmal abschließend geführt werden müsste?

Der kann gar nicht abschließend geführt werden. Gegen bestimmte emotionale Ausrichtungen kann man nicht argumentativ vorgehen. Und ich bin nun wirklich nicht der Typ, der Auseinandersetzungen aus dem Weg geht. Schließlich habe ich in Göttingen die Rede gehalten.

Sie meinen Ihre Rede, die Sie auf dem Linken-Parteitag von 2012 hielten. Sie sprachen damals von Hass in der Partei.

Bestimmte Auseinandersetzungen muss man führen. Aber zum rechten Zeitpunkt. Da muss vieles zusammenkommen. An diesem Punkt sind wir aber nicht. Außerdem ist das Israel-Thema für die Bevölkerung nicht das entscheidende Thema. Das spielt in den Intellektuellenkreisen eine Rolle, aber für meine Lidl-Kassiererin ist das eher neben ihren existenziellen Problemen. Letztlich müssen wir aufpassen, dass eine gewisse Grenze nicht überschritten wird, und da passe ich auf. Und die Betroffenen haben sich bei mir entschuldigt.

Wie lange wollen Sie Ihren Laden eigentlich noch zusammenhalten? Angeblich treten Sie ja im Winter 2015 zurück …

Wie kommen Sie denn auf so was? Ich bin doch topfit! Sie müssen mich noch fast ewig ertragen. Allerdings: Mit 90 könnte es so weit sein, dass ich tatsächlich aufhöre.


Interivew: Julian Heissler

der Freitag, 31.12.2014

 

Ebenfalls erschienen unter: http://linksfraktion.de/im-wortlaut/die-leute-wollen-dass-wir-regieren/

Europa streitet wieder über Alternativen

Alexis Tsipras bei einer Wahlkampfveranstaltung der griechischen Linkspartei SYRIZA,
Foto: Giannis Papanikos/ddp images

 

Kann die griechische Linkspartei SYRIZA bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 25. Januar stärkste Kraft und ihr Spitzenkandidat Alexis Tsipras neuer Ministerpräsident in Athen werden? Einen Einblick in das griechische Wahlsystem, die Entwicklung der griechischen Linken und das Wirtschaftsprogramm unserer Schwesterpartei SYRIZA gewährt die ausführliche Analyse von Dominic Heilig zur letzten Parlamentswahl in Griechenland am 17. Juni 2012, die wir hier dokumentieren. Der Autor ist Koordinator des Arbeitskreises Demokratie, Recht und Gesellschaftsentwicklung der Bundestagsfraktion DIE LINKE und ausgewiesener Europaexperte.

 

Vorbemerkung

Der „Aufmacher“ der Internetausgabe des Wochenmagazins DER SPIEGEL macht am Montag nach den Parlamentswahlen in Griechenland einmal mehr deutlich, worum es am 17. Juni im eigentlichen Sinne ging: „Anleger feiern Ergebnis der Griechen-Wahl“. Weiter heißt es „Es ist das Schlimmste befürchtet worden, doch das Börsendesaster bleibt aus. Nach der Wahl in Griechenland schießt der Dax in die Höhe, der Euro klettert auf den höchsten Stand seit einem Monat. Außenminister Westerwelle deutet der neuen Regierung in Athen ein Entgegenkommen bei den Sparauflagen an.“

Das sich seit Jahren immer tiefer in eine Wirtschafts- und Finanzkrise manövrierende Griechenland hatte mit den Parlamentswahlen vom 6. Mai 2012 und dem überraschend-überragenden Wahlergebnis des Linksbündnisses SYRIZA für jede Menge Aufregung in Europa und an den Finanzmärkten, unter Spekulanten und Anlegern, gesorgt. Der anfängliche Schock über die 17 Prozent für SYRIZA, alsbald kolportiert und exekutiert durch europäische Leitmedien, wich zwar zuletzt einer realistischeren Einschätzung der politischen Situation in Griechenland kurz vor dem zweiten Urnengang am 17. Juni - so bot selbst die deutsche Financial Times dem Parteichef des Bündnisses der radikalen Linken, Alexis Tsipras, Platz für einen Gastartikel – die Angst und die Vorbehalte vor einer linksgeführten Regierung in Athen blieben aber bestehen.

Seit dem Sturz der Militärdiktatur Mitte der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hatte das arme Land am südlichen Rand der Europäischen Union nicht mehr so viel journalistische und politische Aufmerksamkeit erhalten, wie in den letzten beiden Monaten. Grund hierfür war neben dem sehr guten Abschneiden der radikalen Linken bei den Wahlen am 6. Mai u.a. die zunehmende Fragmentierung des politischen Systems Griechenlands und die daraus resultierende Unfähigkeit der politischen Akteure in Athen zu stabilen Regierungsmehrheiten zu gelangen. Nicht aber die Lager der politischen Linken und der politischen Rechten standen sich gleichauf gegenüber und verhinderten eine stabile Regierungsmehrheit, sondern die Lager der Befürworter und der Gegner der Kürzungsprogramme standen sich unversöhnlich gegenüber. Hinzu kam, dass die ehemals etablierten Volksparteien Nea Demokratia und PASOK sich mit neuer Stärke ausgestatteten Exponenten der jeweiligen politischen Ränder konfrontiert sahen, die bislang lediglich „nur“ als Legitimationsgehilfen der Simulation von Demokratie in Griechenland herhalten mussten. Nie waren die kleinen Parteien der politischen Ränder – trotz ihrer Vertretung im Parlament und ihrer gesellschaftlichen Verwurzelung – an Koalitionsregierung beteiligt worden. Nun aber brauchte man diese plötzlich, denn die Zeit der klaren Mehrheiten und des Regierungswechsels zwischen PASOK und ND waren nun vorerst vorüber.

Hatte es nach dem Rücktritt des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Papandreou ganze sieben Monate gedauert, bis die Bürgerinnen und Bürger über den Kurs und die Besetzung einer neuen Regierung abstimmen durften, verging diesmal, nach den Niederlagen der beiden Volksparteien im Mai 2012 kein ganzer Monat, bis ein erneutes Votum den WählerInnen abgerungen werden sollte. Ein bemerkenswerter Vorgang.

Beinahe jedoch hätten sich die Exponenten der etablierten Parteien mit dieser Strategie – der Demagogie gegenüber der radikalen Linken und der schnellen Ausrufung von Neuwahlen – verzockt. Dass sie dennoch wohl weiter an den Hebeln der politischen Herrschaft schalten und walten werden können – trotz einer erneut gestärkten radikalen Linken - liegt nicht nur an dem ungeheuren (medialen) Druck aus Europa, sondern auch an der politischen Linken in Griechenland selbst. Die Fehler auf der politischen Linken wurden aber nicht im Wahlkampf für den zweiten Wahlgang, sondern bereits im Vorfeld des ersten Wahlganges am 6. Mai 2012 gemacht. Diese Linke – deren Vielfalt in dem bestehen gleich dreier starker Parteien Ausdruck findet – war nicht in der Lage gewesen, bereits im Vorfeld des erste Wahlganges ein gemeinsames Agieren und Wahlantreten zu organisieren. Im Gegenteil. Vielmehr kultivierten vor allem die Demokratische Linke (DimAr) und die Kommunistische Partei (KKE) ihre Abneigung gegenüber dem politischen Shootingstar, Alexis Tsipras von SYRIZA, und lehnten jede prä-elektorale Kooperation sowie jede post-elektorale Koalition ab.

Der Wahlkampf für den zweiten Urnengang am 17. Juni 2012 war durch die Frage dominiert, wer denn als stärkste Partei die durch das Wahlsystem feilgebotenen 50 Bonussitze im Parlament erhalten würde. In den Hintergrund trat dabei fast die inhaltliche Auseinandersetzung über den Weg Griechenlands aus der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Da ich bereits zum 6. Mai 2012 eine kurze Wahlanalyse geschrieben hatte und zudem kurz vor den Parlamentswahlen am 17. Juni 2012 ein ausführliches Standpunktepapier bei der Rosa-Luxemburg- Stiftung zum Thema Griechenland erschienen ist, versuche ich mich in dieser aktuellen Analyse kurz zu halten und auf das Wesentliche, auf das Neue zu beschränken, und nicht erneut sämtliche Grundlagen, die für die Betrachtung der politischen Situation in Griechenland notwendig sind, zu referieren. Die Links bzw. Verweise auf die angesprochenen Vorgängerpapiere sind am Ende dieses Dokuments angeführt.

 

I. Das griechische Wahlsystem

In der Vorbemerkung habe ich bereits darauf verwiesen, dass der zweite Wahlgang vor allem unter dem Eindruck des griechischen Wahlsystems – genauer gesagt der 50 Bonussitze für die stärkste Partei – stand. Beinahe in den Hintergrund gerieten dadurch die politisch-inhaltlichen und programmatisch-strategischen Trennlinien der griechischen Parteienlandschaft. In der gebotenen Reduzierung nun also einiges Darstellendes zum griechischen Wahlsystem:

Auch bei den Parlamentswahlen am 17. Juni 2012 waren rund zehn Millionen Griechen zur Stimmabgabe aufgerufen. In Griechenland herrscht Wahlpflicht, Sanktionen haben Nicht-Wähler aber nicht (mehr) zu befürchten. Gewählt wird nicht (wie in Deutschland) mit einem einzigen Wahlzettel, auf dem die Kandidaten aller Listen bzw. Parteien stehen, sondern jede Partei hat eigene Stimmzettel, die allerdings im selben Format und auf gleichem Papier gedruckt werden müssen. Die Kandidaten werden nicht von regionalen (Partei)Organisationen bestimmt, sondern von den jeweiligen Parteivorsitzenden und einer zentralen Wahlkommission, die durch die jeweiligen Parteien berufen werden.

Das griechische Parlament besteht aus einer Kammer, die über 300 Sitze verfügt. Die stimmstärkste Partei erhält 50 sogenannte Bonussitze – die übrigen 250 Sitze werden analog zu den abgegebenen gültigen Stimmen an die Parteien verteilt, die die Dreiprozenthürde überwunden haben.

Insgesamt 288 Sitze werden dabei in 48 Regionen mit mehreren Mandaten und in acht Regionen mit nur einem Mandat vergeben. Dabei gilt die sogenannte Kreuzwahl, d.h. einen Sitz erhalten die Kandidaten, hinter denen die meisten Wähler ein Kreuz gesetzt haben. Die übrigen zwölf Sitze werden unter besonderen griechenlandweiten Kandidatenlisten verteilt, von denen jede Partei eine aufgestellt hat. Mit der Regierungsbildung wird zunächst immer der Parteichef der stärksten Partei im griechischen Parlament beauftragt.

Bislang war es in Griechenland unüblich Koalitionsregierungen zu bilden. Meist wechselte die Regierungsgewalt zwischen den beiden großen Parteien, der sozialdemokratischen PASOK und der rechts-konservativen Nea Demokratia. Das Parteiensystem in Griechenland gilt als stark fragmentiert, wenngleich nur wenige Parteien über die Dreiprozenthürde springen und auf den Parlamentssesseln mit Abgeordneten Platz nehmen dürfen.

 

II. Die griechische Linke – Ein geschichtlicher Abriss

Wie bereits zu den Parlamentswahlen am 6. Mai 2012 kam es auch beim zweiten Wahlgang am 17. Juni 2012 im Vorfeld zu keiner Verständigung unter den relevanten griechischen Linksparteien im Hinblick auf einen gemeinsamen Wahlantritt oder eine post-elektorale Kooperation zwischen SYRIZA, KKE und DimAr. Das ist vor allem in der Geschichte der drei Linksparteien selbst begründet.

Die Demokratische Linke und der Hauptbestandteil von SYRIZA, die Linkspartei Synaspismos, stammen beide aus derselben Wurzel, dem eurokommunistischen Teil der KKE, der sich 1968 von der damals noch illegalen und deswegen im Ostblock «stationierten» griechischen KP getrennt hatte. Die eurokommunistische KKE wandte sich Ende der 1980er Jahre vom Marxismus-Leninismus ab und benannte sich in «Griechische Linke» (EAR) um. Die Eurokommunisten und später die EAR galten als Parteien des linken Bildungsbürgertums. Bereits in diesem politischen Milieu entstand eine europafreundliche und reformorientierte politische Strömung, die dem «modernisierungsfreundlichen» Flügel von PASOK sehr nahe stand und in den 1990er Jahren für eine Koalition mit der reformorientierten PASOK plädierte. Ende der 1980er Jahre und mitten in einer skandalbedingten Krise der PASOK-Regierung formte die EAR mit dem verbliebenen marxistisch- leninistischen Teil der KKE «Synaspismos» (Bündnis) als gemeinsame Wahlplattform. Im Jahr 1991 und im Zuge des Kollapses des real-existierenden Sozialismus ist das Bündnis bereits wieder zerbrochen. Wenig später ausgetretene KKE-Funktionäre, die sich für eine Erneuerung des Parteiprogramms ausgesprochen hatten, und die EAR entschieden daraufhin, das Bündnis Synaspismos in eine zugelassene politische Partei umzuwandeln.

Diese neue Partei, ebenfalls Synaspismos genannt, rang in den kommenden Jahren ständig darum, die Dreiprozenthürde zu überwinden, und musste nach den Wahlen 2000 einige Abgänge des rechten Flügels in Richtung PASOK hinnehmen. In den darauffolgenden Jahren rückte Synaspismos weiter nach links und bildete mit mehreren kleineren Gruppen und Parteien erstmals vor den Parlamentswahlen 2004 das Parteienbündnis SYRIZA, bestehend aus neun linken Parteien und Organisationen. Bei diesen Wahlen errang SYRIZA 3,26 Prozent der Stimmen und sechs Mandate. Das Bündnis zerfiel danach jedoch weitgehend, da es interne Auseinandersetzungen, vor allem um die Rolle von Synaspismos, gegeben hatte. 2007 wurde SYRIZA wiederbelebt. Alekos Alavanos wurde zum neuen Präsidenten gewählt und führte einen weiteren Linksschwenk durch. Ihm folgte im Februar 2008 Alexis Tsipras. Weitere Gruppierungen schlossen sich SYRIZA an. Bei den Parlamentswahlen 2007 hatte SYRIZA ein Ergebnis von 5,04 Prozent und 14 Sitze im Parlament errungen. Bei den Parlamentswahlen 2009 ging der Stimmenanteil aber auf 4,6 Prozent zurück (13 Sitze).

In dem Linksbündnis SYRIZA sind seither viele AktivistInnen der außerparlamentarischen Bewegung tätig. Als einigendes Band dient vor allem die Antiglobalisierungsbewegung, und obwohl im Bündnis auch ehemalige stalinistische Gruppierungen zu finden sind, behielt Synaspismos immer die Oberhand. So wurde auch nach der Bildung von SYRIZA innerhalb von Synaspismos die traditionelle Europafreundlichkeit der Partei nie radikal infrage gestellt. Kritik an der EU-Politik kam vor allem vom linken Flügel, die EU-Mitgliedschaft an sich ebenso wie der Verbleib in der Euro-Zone wurden jedoch nicht hinterfragt.

Der Streit zwischen den Flügeln spitzte sich erst nach Studentenprotesten 2006 bis 2008 zu. Und als die Finanzkrise ihren Lauf nahm, entschied sich der größte Teil des rechten Flügels von Synaspismos, aus der Partei auszuscheiden und die Demokratische Linke als eine «konstruktive, linke Opposition» zu gründen. Synaspismos hat das Ausscheiden des rechten «erneuerungs-orientierten» Flügels relativ leicht verkraftet. Die Parteiführung unter Alexis Tsipras hatte nunmehr neue Spielräume gewonnen, und die verschiedenen Richtungen in Synaspismos scheinen zu einem Ausgleich gekommen zu sein. Der bis 2010 ausgetragene Konflikt innerhalb von Synaspismos zwischen denen, die eine Machtverschiebung zugunsten SYRIZA anstrebten, und der Synaspismos-Führung, hat ebenfalls nachgelassen, und trotz der weiterhin bestehenden Meinungsverschiedenheiten hat Synaspismos nicht an Handlungsfähigkeit verloren.

Was die verschiedenen Fraktionen innerhalb vom Synaspismos betrifft, so waren die in den letzten zwei Jahren ergangenen Appelle der Parteiführung unter Tsipras an die frustrierte Parteibasis von PASOK erfolgreich, die Seiten zu wechseln und mit SYRIZA zusammenzuarbeiten. Bereits vor den Neuwahlen vom Mai kooperierten im Parlament unter dem Eindruck der rigiden Kürzungspolitik der Großen Koalition ausgeschiedene PASOK-Abgeordnete mit der SYRIZA-Fraktion.

Für Kontinuität und Stabilität innerhalb des Linksbündnisses SYRIZA steht also vor allem Synaspismos. Denn bei den anderen Bündnispartnern in SYRIZA ist die Haltung oft unklar: Die meisten von diesen Gruppierungen stammen aus dem Milieu der außerparlamentarischen und kommunistischen Linken. Ihnen ist es bislang nicht gelungen, das Bild von SYRIZA nach außen entscheidend mitzubestimmen bzw. sich bei wichtigen Punkten nach innen (Frage des Verbleibs in der EU) durchzusetzen. Das (mediale) Missverständnis, bei SYRIZA handele es sich um Linksradikale, kann und muss auf die Namensbezeichnung «Bündnis der radikalen Linken» zurückgeführt werden. In SYRIZA sind zwar linksradikale Gruppen und Personen aktiv, einen bestimmenden Einfluss üben diese jedoch nicht aus. Im Gegenteil: SYRIZA ist eine realpolitische linke Kraft im griechischen Parteiensystem, welche anders als die KKE beispielsweise nicht auf Revolution und Volksaufstand setzt. Vor allem der konstituierende Teil von SYRIZA, Synaspismos, ist der spanischen Izquierda Unida oder dem portugiesischen Bloco de Esquerda vergleichbar. Im Gegensatz zur deutschen LINKEN versteht sich Synaspismos nicht nur als Partei, sondern gleichzeitig als Bewegung. In der griechischen Linkspartei herrscht ein ausgeprägtes Verständnis von offener Debatte und solidarischem Streit. Die politische Strategie zur Einbindung von PartnerInnen und der Formulierung bzw. Vertretung politischer Forderungen ist mit dem Herangehen der deutschen LINKEN somit nicht vergleichbar.

Eine zweite Linkspartei, die zu den Wahlen im Mai 2012 erstmals antrat, war die Demokratische Linke. DimAr entstand, wie erwähnt, im Juni 2010 als Abspaltung von Synaspismos. Damals traten mehr als 550 Mitglieder des gemäßigten Synaspismos-Flügels, Parlamentsabgeordnete, aus und gründeten ihre eigene Partei. Die KKE als drittgrößte und älteste politische Partei Griechenlands. Anknüpfend an ihre des modernen Griechenlands vertritt die Partei noch heute kommunistische des internationalen Marxismus-Leninismus. Entsprechend versteht sie sich sondern als revolutionär. Trotz zweier größerer Spaltungen der Partei, 1968 Jahre, strebt sie weiterhin den Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung an. Die KKE vertritt die These, dass eine endgültige positive Entwicklung zugunsten der arbeitenden Bevölkerung nur durch die revolutionäre Machtübernahme der großen Volksmehrheit und eine demokratisch gelenkte Wirtschaft in Staats- und Kollektivhand erreicht werden kann. Die Partei hat deshalb jede Beteiligung an einer Linksregierung von vornherein abgelehnt. Sie steht dem Bündnis SYRIZA vor allem wegen dessen proeuropäischer Haltung kritisch bis ablehnend gegenüber. SYRIZA wird von der KKE vorgeworfen, keinen klaren Klassenstandpunkt zu vertreten, sondern Illusionen über einen reformierten, menschlichen Kapitalismus zu verbreiten.

Eine Einigung im innerlinken Konflikt ist aus den genannten Gründen und angesichts der teilweise gemeinsamen, wechselhaften Geschichte der drei Parteien auch zukünftig unwahrscheinlich.

 

III. Die Wahlergebnisse von Mai und Juni 2012 im Vergleich

Tabelle 1: Wahlergebnis Mai 2012

 

Tabelle 2: Wahlergebnis vom 17. Juni 2012

 

Gegenüber den Wahlen vom 6. Mai 2012 sank die Wahlbeteiligung am 17. Juni 2012 erneut um 2,6 auf 62,47 Prozent. Trotz der extrem zugespitzten politischen Auseinandersetzung in Griechenland kam es also nicht zu einer größeren Mobilisierung der Wahlberechtigten.

Zu den Zahlen im Einzelnen:

Wahlsieger ist erneut die rechts-konservative Nea Demokratia, die mit 29,7 Prozent der Stimmen nun auch noch in den Genuss der 50 Bonussitze kommen wird. Damit verbesserte sich die ND im Gegensatz zu dem ernüchternden Ergebnis in den Maiwahlen um etwas mehr als zehn Prozent der Stimmt und verharrt bei einem Resultat, dass den Ergebnissen der Partei vor der Wirtschafts- und Finanzkrise wieder näher kommt. Im Vergleich zu den Parlamentswahlen im Jahre 2009 musste die ND „lediglich“ ein Minus von vier Prozent verzeichnen.

Nach dem Absturz bei den Parlamentswahlen vom Mai 2012 auf 13 Prozent und dem Verlust von rund 30 Prozent an Wählerstimmen im Vergleich zu den Parlamentswahlen 2009 war im Vorfeld des Juniurnenganges unklar, ob sich die bis 2011 regierende sozialdemokratische PASOK wieder erholen würde. Das Gegenteil ist der Fall. PASOK verlor im Vergleich zu den Maiwahlen erneut (-0,9 Prozent) und liegt nunmehr nur noch bei 12,3 Prozent der Stimmen.

Die Morgenrotfaschisten (Chrysi Avgi) – und dies sollte europaweit für schlaflose Nächte sorgen – konnten ihr überraschend gutes Ergebnis bei den Maiwahlen halten (+ 3 Mandate) und erreichten erneut knapp sieben Prozent der Stimmen. Ebenfalls im Parlament vertreten sein werden Abgeordnete der ND-Abspaltung „Unabhängige Griechen“, die zwar drei Prozent einbüßten, aber dennoch auf 7,5 Prozent der Stimmen und 20 Abgeordnetensitze kommen.

Die Demokratische Linke gewann zwar leicht hinzu, verliert aber im Vergleich zu den Maiwahlen mit 6,3 Prozent der Stimmen zwei Abgeordnetenmandate. Besonders herb sind die Verluste für die orthodox-kommunistische KKE. Diese verlor gegenüber den Maiwahlen knapp vier Prozent und erhält nur noch 4,5 Prozent der Stimmen. Gegenüber den Wahlen 2009 büßt die Partei damit mehr als drei Prozent der Stimmen ein. Die Fraktion der KKE hat sich damit mehr als halbiert und besteht nur noch aus 12 Parlamentariern.

Das Bündnis der radikalen Linken, SYRIZA, lieferte sich bis zuletzt ein spannendes Kopf-an-Kopf- Rennen mit der rechts-konservativen ND und erhielt schließlich 26,9 Prozent der Stimmen. SYRIZA konnte sich damit gegenüber den Maiwahlen erneut verbessern. Zehn Prozent Plus und mehr als 500.000 zusätzliche absolute Stimmen bedeuten unter dem Strich eine Fraktionsstärke von etwa 71 Parlamentariern. Gegenüber den Parlamentswahlen von 2009 (4,6 Prozent) bedeutet dies ein

Zuwachs von nicht nur 22 Prozent der Stimmen, sondern auch einen Anstieg der Wählerschaft um knapp 1,3 Millionen (2009: 315.000).

 

IV. Das (Wirtschafts-)Programm von SYRIZA

Kurz vor den Juniwahlen 2012 gelang es SYRIZA viele Missverständnisse und Unklarheiten durch die Veröffentlichung einiger programmatischer Eckpunkte, vor allem im Hinblick auf die Bewältigung der zahlreichen Krisen in Griechenland, zu zerstreuen bzw. aufzugreifen. So machte Alexis Tsipras mehr als deutlich, wer aus seiner Sicht Verantwortung für die aktuelle Situation in Griechenland trägt – wer zu den Profiteuren der Krise gehört:

„All jene, die Immobilien mittels Offshore-Gesellschaften hatten. Weil ihnen die Gelegenheit geboten wurde, sie nach sechs Monaten auf ihren Namen umzuschreiben, ohne irgendeine Besteuerung des Zugewinns zu entrichten.

Die Steuerhinterzieher. Weil sie mit den Anreizen zur Kapitalrückführung ihre Gelder zu einem Satz von 5% reinwuschen (in vielen Fällen, wenn der Betrag wieder investiert wurde, reduzierte sich der Satz auf 2,5%). Es war die unmoralischste Bestimmung der PASOK-Regierung: prüfungslose Legalisierung von Einkünften, möglicherweise sogar aus Waffengeschäften, Menschenhandel, Drogen.

Und wieder die Steuerhinterzieher. Weil mit der Abwicklung der Jahre 2000 – 2010 alle Delikte der Steuerhinterziehung, der Steuervermeidung und des Steuerdiebstahls einer Periode verjährten, während Steuern in der Größenordnung von 110 Mrd. Euro an den Staat abzuführen gewesen wären. Alle, die Gewinne aus Geschäften an der Athener Börse hatten. Weil die Erhebung der Wertzuwachssteuer aus dem Verkauf von an der Athener Börse notierten Aktien bis zum 31.12.2012 aufgeschoben wurde.

Alle, die wirklich hohe Einkommen hatten. Weil die Spitzensätze bei der Einkommensteuer nicht erhöht wurden.

Alle, die ihre Gelder ins Ausland schafften. Weil niemand beschloss, eine Steuer auf die Ausführung von Kapital aus dem Land zu erheben, die in anderen Ländern wie bspw. den USA gilt.“

 

SYRIZA skizzierte zudem in diesem Programm, wie eine zukünftige Regierung unter ihrer Führung aussehen könnte:

„Wir werden ein kleines und flexibles Kabinett bilden. Wir werden dem Heer der Berater ein Ende setzen, welche die öffentliche Verwaltung substituieren und deren fähigste Funktionäre überdecken und schwächen. Wir werden der öffentlichen Verwaltung Vertrauen entgegenbringen und ihre Amtsträger in der Planung und Ausführung der Beschlüsse einbeziehen, unabhängig von ihrer parteilichen Ansiedlung. Wir werden mit Entschlossenheit dem politisch unmöglichen und gesellschaftlich provokativen Phänomen der parteilichen Golden Boys und Akkreditierten bei den unter staatlicher Kontrolle stehenden DEKO und Banken ein Ende setzen. [...]

Ich möchte ebenfalls klarstellen, dass die erste Handlung der Regierung der Linken unmittelbar nach der Bildung des neuen Parlaments die Annullierung des Memorandums und der Gesetze zu seiner Umsetzung sein wird. Wir werden es durch den von uns ausgearbeiteten Nationalen Plan zum Wiederaufbau für den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufschwung, die produktive Reorganisation und die gerechte volkswirtschaftliche Sanierung ersetzen. Unmittelbar nach der Annullierung des Memorandums wird die Regierung die belastenden Bedingungen aufkündigen und die Neuverhandlung des Kreditabkommens verlangen. Speziell bezüglich der überlebensfähigen Bewältigung der Krise der öffentlichen Verschuldung des Landes wird sie nach einer europäischen Lösung suchen.“

SYRIZA plante zudem eine Erhöhung der Einnahmen des Staates um vier Prozent in den kommenden vier Jahren, d.h. eine Erhöhung des BIP um jährlich einen Prozent. Dies setze „eine radikale Reform des Steuersystems voraus, damit das Einkommen und Vermögen eines jeden Bürgers ausfindig gemacht und die Steuerlast gerecht verteilt“ werden könne. Parallel dazu wollte SYRIZA folgende Programmpunkte in Regierungsverantwortung umsetzen:

  • unmittelbare Einfrierung der Kürzungen bei sozialen Ausgaben, Löhnen und Renten, damit die Ausgrenzung der niedrigen Einkommen und die Abwertung der mittleren aufhört,
  • grundsätzliche Neuuntersuchung und Neuverteilung der öffentlichen Ausgaben, damit die eingesparten Mittel die Qualität der erbrachten öffentlichen Güter und Dienstleistungen verbessern,
  • Änderung der Steuersätze und der Einkommensteuerklassen natürlicher und juristischer Personen und deren Angleichung an das europäische Durchschnittsniveau, damit eine Erhöhung der Einnahmen bei Entlastung der Ärmeren und Belastung der Reicheren erzielt wird.
  • Neuuntersuchung aller Sonderbesteuerungsregelungen und effiziente Bekämpfung der Steuerhinterziehung.
  • Schrittweise Senkung der MwSt.-Sätze und ihre Minimierung bei den preiskontrollierten Lebensmitteln (Brot, Milch usw.).“

SYRIZA verband diese wirtschafts- und steuerpolitischen Maßnahmen zugleich mit der Demokratisierung des gesamten politischen und gesellschaftlichen Systems. So wollte man gegen das System der Korruption und Verfilzung, gegen das System der Parteilichkeit und Paternalisierung vorgehen und Transparenz in die politischen Entscheidungsstrukturen bringen. Darauf aufbauend legte SYRIZA in ihrem Wirtschaftsprogramm ebenfalls dar, dass Griechenland zu einer unabhängigen, mehrdimensionalen und aktiv pazifistischen Außenpolitik finden müsse, unter Anerkennung des internationalen Rechtes. Dieser Programmpunkt bedeutete eine Absage an die bisherige politische Einbindung des Landes in das Militärbündnis NATO und die Beteiligung Griechenlands an der Abschottung Europas durch Programme der Europäischen Union. Klar und unmissverständlich machte SYRIZA in der Programmschrift aber auch deutlich, dass sie die Probleme Griechenlands in Europa, mit Europa und nicht gegen Europa lösen wollte. Damit wurde Vorurteilen begegnet, mit einem Wahlsieg der radikalen Linken würde Griechenland zukünftig aus der EU und/oder der EURO- Zone aussteigen wollen.

 

V. Fazit

Als Referenzpunkt zur Bewertung des Abschneidens der politischen Linken bei den Parlamentswahlen vom 17. Juni 2012 sollten die Ergebnisse von 2009 gelten. Der Ernüchterung – die vielerorts in der europäischen Linken zu beobachten ist – dass SYRIZA nun nicht stärkste politische Kraft geworden ist, sollte Anerkennung und Respekt für die Steigerung der Zustimmungswerte im Angesicht der Krise von 315.000 auf über 1,3 Millionen Stimmen weichen. Doch auch im Vergleich zu den Maiwahlen diesen Jahres steht unter dem Strich ein großartiger Erfolg des Bündnisses des radikalen Linken. SYRIZA ist es in dieser Situation gelungen, erneut zehn Prozent zuzulegen und knapp 27 Prozent Zustimmung zu erhalten.

Interessant für die europäische Linke dürfte sein, zu analysieren, mit welcher Strategie und welcher Kommunikation es SYRIZA gelang, ein derart gutes Ergebnis einzufahren. In diesem Zusammenhang wären zunächst und als erstes die klar pro-europäische Ausrichtung des Bündnisses zu nennen, aber auch der Wille zur Reform des europäischen Institutionengefüges, sowie der Bereitschaft Verantwortung für das eigene Land glaubhaft übernehmen zu wollen.

Die Kritik an der Sachzwangpolitik der Troika und der Spardiktate aus Brüssel und Berlin wurde durch konkrete politische Inhalte und Maßnahmen angereichert. Den Menschen wurde ein einfaches, wie logisches Programm zur Bewältigung der Krise in Griechenland durch SYRIZA vorgelegt. Jeder und jede konnte hieraus die Differenzen zu den Sparbefürwortern herauslesen und sich danach entscheiden.

Gleichzeitig gelang es SYRIZA die politische Linke erstmals als eine verantwortungsvolle Linke zu präsentieren. Man war bereit für die Menschen im Lande Verantwortung zu übernehmen und dafür auch Bündnisse einzugehen, mit jenen, die die Sparkdiktate von EU und IWF ablehnten.

Dass es nun für eine Koalitionsregierung von ND und PASOK reichen wird, liegt nicht in deren Abschneiden bei den Wahlen selbst begründet, sondern vor allem in dem Wahlsystem Griechenlands. Ohne die 50 Bonsusitze würde es – wie bereits im Mai diesen Jahres – nicht für eine Koalition der Kürzungsbefürworter reichen. Dass dies ND und PASOK klar ist, zeigt sich u.a. in der Forderung nach der Bildung einer All-Parteienkoalition, die rechnerisch gar nicht notwendig ist. Vor allem PASOK fürchtet um die Stärke und die Mobilisierungsfähigkeit von SYRIZA.

Die europäische Linke sollte aus dem Ergebnis von SYRIZA nicht nur Kraft, Mut und Selbstbewusstsein schöpfen, sondern sich vor allem mit den Ursachen und Gründen für den Wahlerfolg der griechischen GenossInnen beschäftigen. Denn: Mit den Juniwahlen ist nun vorerst deutlich geworden, dass es sich bei den WählerInnen von SYRIZA nicht ausschließlich um sogenannte Protestwähler handelt. Im Gegenteil: Die Zahlen zeigen, dass es gelungen ist, über 26 Prozent der Wahlbevölkerung hinter einer alternativen Politik zu versammeln, die aus Gegenwehr UND auf gestalterischer Verantwortung fußt.

Diese Einschätzung wird insbesondere durch das Abschneiden der Kommunistischen Partei gestützt. Die KKE verfügte seit den ersten freien Wahlen Griechenlands und auch nach dem Zusammenbruch des real-existierenden Sozialismus im Osten Europas immer über stabile Zustimmungswerte zwischen sieben und neun Prozent. Mit ihrer klaren Haltung, die durch Verweigerung statt gestaltender Verantwortung geprägt ist, gelang es ihr in dieser Situation nicht einmal, ihr traditionelle Potential ausschöpfen. So ist die Halbierung ihres Ergebnisses auf 4,5 Prozent der Stimmen folgerichtig erklärbar.

Die Zahlen machen aber auch deutlich, dass es in Griechenland eine neue, starke gesellschaftliche Konfliktlinie gibt. Diese heißt Zentrum-Peripherie. SYRIZA und DimAr waren vor allem in den urbanen Zentren und unter den gebildeten Wählerschichten erfolgreich, während die Landbevölkerung und die weniger gebildeten Schichten sich für die Morgenrotfaschisten und die Nea Demokratia aussprachen.

Fakt ist aber auch, dass mit SYRIZA, DimAr und KKE die politische Linke neben PASOK über knapp 38 Prozent Zustimmung im Land verfügt. Damit ist die politische Linke zu einem realen Machtfaktor – auch in Opposition – geworden. Gegen diese wird sich keine Koalitionsregierung mit Abgrenzungstaktiken durchsetzen können, denn ein Großteil dieser 38 Prozent gehört zu dem Mobilisierungsfähigen, die bereit sind, ihre Forderungen nicht nur in Wahlen, sondern auch auf der Straße und in den außerparlamentarischen Bewegungen deutlich zu artikulieren. Zum ersten Mal in der Geschichte des demokratischen Griechenlands braucht nun eine rechnerisch-stabile Regierung die eigene Opposition im Land, wollte sie Griechenland erfolgreich aus der Krise herausführen. Weil aber kein Anlass besteht, zu glauben, dass ND und PASOK dies in ihrer Politik berücksichtigen werden, sind Neuwahlen in den kommenden Monaten erneut nicht auszuschließen.

Das große Verdienst vor allem von SYRIZA besteht also darin, dass zum einen Europa wieder ohne die übliche Häme über alternative politische Forderungen diskutiert und zum anderen darin, dass Brüssel und Berlin verstanden haben, dass sie ihre Kürzungsforderungen eben nicht bedingungslos durchzocken können. Die Angebote aus Deutschland und der EU an die neue Regierung in Athen, man könne ja noch einmal nachverhandeln, wären ohne die Stärke und die politischen Inhalte von SYRIZA niemals ausgesandt worden.

Quelle: http://linksfraktion.de/im-wortlaut/europa-streitet-wieder-u-ber-alternativen/

Bereits 250 000 Unterschriften gegen rechtspopulistischen Pegida-Rassismus gesammelt

Die Internet-Petition gegen die Pegida-Aufmärsche hat bereits über 250.000 Unterstützer gefunden. Unter der Überschrift »Für ein buntes Deutschland« sollen »eine Million Unterschriften« gegen Rassismus und Islamfeindlichkeit gesammelt werden, lautet das Ziel der Petition. »Tausende von Bürgern treten auf die Straße und lassen ihrer Enttäuschung und Wut freien Lauf, ,geführt‘ und verführt von Demagogen«, heißt es in der Begründung des Appells, der sich an die gesamte Republik richtet. Lobend werden die Aktionen erwähnt, bei der bereits Tausende gegen Pegida und »dieses unmenschliche und unverantwortliche Konglomerat zwischen dem rechten Rand bis hin zum Neonazismus  und der bürgerlichen Mitte protestiert« haben. Die Petition kann hier im Internet unterzeichnet werden.

 

Die verlogene Neujahrsansprache der Kanzlerin Merkel - oder ist es schiere Dummheit? 

Das Bundeskanzleramt hat am Dienstag die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Jahreswechsel 2014/2015 veröffentlicht. Nachfolgend der vollständige Wortlaut.( siehe unten)- 

Erstens ist es eine  glatte Lüge wenn Merkel behauptet, das in Europa erstmals durch Russland die Grundlagen der  Friedensordnung in Frage getellt und Grenzen souveräner Staaten  angetastet worden seien . Die USA haben im Kosovokrieg 1998 die Abspaltung des Kosovo von der Republik Serbien mit Gewalt  und im Gegensatz zur Krim auch mit vielen Toten brutal durchgesetzt . Zudem agierten sie als  ausser-europäische Führungsmacht in diesem Krieg. Es wurden sogar Splitterbomben gegen Flüchtlingskonvois eingesetzt und Massaker unter Zivilisten verursacht. Damit ist Angela Merkel erstmal der dreisten Lüge überführt. Die USA und die Nato und auch Teile der EU haben so ein neues Völkergewohnheitsrecht bereits vor  16 Jahren geschaffen bzw. das bis dahin geltende  Völkerrecht selber mit Füßen getreten.

Zudem ist es völkerrechtlich umstritten, ob Russland überhaupt das Völkerrecht gebrochen hatte, zumal die Krim historisch lange Zeit russisch war und nur innerhalb eines gemeinsamen Staatengebildes Russlands mit der Ukraine im Rahmen der gemensamen  Sowjetunion praktisch ukrainische Provinz wurde. So ist der deutsche Völkerrechtler Merkel beispielsweise der Meinung, dass es keine russische Annektion der Krim gegeben habe- zumal ein Referendum mit klarem Ausgang erfolgte. 

Es ist also eine Lüge, wenn Merkel behauptet, das sie das Recht des Stärkeren, dass die USA permanent in Anwendung bringen ( zuletzt beispielsweise im Irak und in Syrien durch völkerrechtswidrige Bombardierungen dieser Länder) nicht akzeptieren könne. Entweder ist es Unwissenheit und Dummheit oder sie belügt die Menschen hier im Lande ganz eiskalt und dreist. Der Verweis auf die "transatlantischen Partner" ist deshalb in diesem Zusammenhang besonders fragwürdig und hinterlistig.

Sie redet von der Einheit Europas und davon, dass sich Europa nicht spalten lasse. Aber genau das ist passiert . Europa ist tief gespalten und den USA ist es gelungen Europäer gegen Europäer aufzuhetzen und an den Rand eines Krieges in Europa mit Moskau zu treiben. Verlogener  kann man nicht mehr argumentieren - oder aber Angela Merkel fehlt wirklich der politische Durchblick  für das große Ganze.

Offensichtlich meint sie aber die EU und nicht Europa.  Das Duckmäusertum gegenüber den USA geht also weiter . Aus der NSA Affäre und dem Abhören ihres Handys hat sie offensichtlich nichts gelernt. Sie verhält sich trotzdem gegenüber den USA weiter unterwürfig - die Bespitzelung von Muillionen Bundesbürgeren lässt sie straflos und ohne Anzeige durchgehen - das macht sie zur schlechtesten Kanzlerin aller Zeiten- weil sie das sogar macht, obwohl die Bundesbürger sich der Totalüberwachung bewusst sind. Das war bei vorherigen Kanzlern nicht der Fall.. Da passierte das auch aber alles verdeckt.  Ihr kann man aber unterlassenes Handeln und somit das Decken von Straftaten im Kontext der NSA Totalüberwachung im Lande und in der ganzen Welt zum Vorwurf machen . Ebenso es zu unterlassen den Kronzeugen Edward Snowden hier im Lande zu verhören ist ein schweres Versäumnis der offenbar völlig überforderten und  absolut unfähigen sowie oftmals inkompetenten Bundeskanzlerin. 

Erst nach der Kritik des CSU Funktionärs Friedrich äussert sie sich indirekt zu Pegida. Friedrich hatte Merkel vorgeworfen, die Pegida stark gemacht zu haben.  Jetzt erinnert sich die Ex- Kommunistin Merkel an den Leitspruch ihrer FDJ, deren regionalen Führungskadern sie angehörte und besinnt sich auf die internationale Solidarität der Völker , die die quasi SED Jugendorganisation und auch sie damals  ständig propagiert hatte.

Von den Rechtspopulisten  der Pegida grenzt sie sich ab - ohne sie namentlich zu erwähnen.  So ist der einzig postive Aspekt der Rede, dass sie sich gegen völkischen Rassenhass zur Wehr setzt und auch den Hass dieser Leute auf Menschen mit anderer Ethnie oder Religion explizit erwähnt und verurteilt. Gleichzeitig haben andere Landesfunktionäre wie Mohring aus Thüringen längst Geheimgesprächge mit den AfD-Rechtspopulisten geführt und eine Kooperation angedacht um Rot-Rot-Grün im Land zu verhindern,was aber misslang.  Doch die politische Affinität großer Teile der Union mit Rechtspopulisten und  völkisch denkenden Rassisten sollte man nicht ausblenden und weiter beobachten.  

Auch die Schaffung von Al Kaida und der IS durch die Weltherrschaftspolitik der USA hat sie entweder nicht verstanden oder sie  belügt auch hier das Volk ganz bewußt.  Die Al kaida erstarkte im Irak unter US Besatzung und wurde durch den Krieg der USA gegen den Irak in diesem Lande überhaupt nur zu deshalb zu einer wichtigen Größe. Schon vorher htten die USA die Al Kaida im Kampf gegen die russische Besatzung Afghanistans nach 1979 als Söldnerarmee unter Führung von Osama Bin Laden aufgebaut. Aus dieser Al kaida im Irak ging 2006 die IS hervor, ,die von prowestlichen Straaten wie Katar, Saudi Arabien und der Nato-Türkei unterstützt, finanziert und sogar bewaffnet  wurde.-  wohl im Auftrag der USA, deren Vasallen hier entsprechend agierten. All das blendet Angela Merkel aus - entweder aus Unwissenheit, politischer Dummheit und Ahnungslosigkeit oder aber weil sie die Menschen bewusst in die Irre führen will - Beides wäre in gleicher Weise schäbig und einer Kanzlerin nicht würdig - deren Rücktritt überdies überfällig ist -

Natürlich darf auch die Wende-Lüge von 1989 in der Ansprache nicht fehlen. Die DDR Bürger gingen zunächst für eine bessere DDR und für einen besseren Sozialismus in der DDR auf die Straße  und nicht für ein Groß-Deutschland und auch nicht für einen Beitritt zur Bundesrepublik . Das ist eine weitere dreiste Lüge in ihrer Rede, die sie immer wieder neu auftischt - Erst im Verlauf der Zeit ist die Bewegung von Ultranationalisten , Rechtspopulisten und auch Nazis gekapert und großdeutsch gewendet worden. Aber mit der Wahrheit nimmt es diese Kanzlerin offensichtlich nicht so genau - eine Schande für das Land.    

Selbst ihr politischer Ziehvater Helmut Kohl  hatte die angebliche revolutionäre Bewegung in Wendezeiten als Hirngespinst von  wenig gebildeten Volkshochschulhirnen wie WolfgangThierse (SPD) bezeichnet, wie 2014 bekannt wurde. In Wahrheit hatte die SED beschlossen, die Mauer zu öffnen und auch einen politischen Wandel für eine bessere DDR einzuleiten und der Sowjetunion war die Finanzierung des Sowjet-Imperiums schlicht nicht mehr möglich. All das blendet Merkel aus.  

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Artikel als Video 

Die Rede im Wortlaut.

 

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 2014 wird als ein Jahr in Erinnerung bleiben, das anders verlaufen ist, als wir uns das zu Silvester vor einem Jahr vorstellen konnten. Es war das Jahr, in dem wir in Europa in lange nicht gekannter Härte erfahren haben, was es bedeutet, wenn Grundlagen unserer europäischen Friedensordnung in Frage gestellt werden - also die freie Selbstbestimmung der Völker. Genau das mutet Russland der Ukraine zu. Es steht völlig außer Frage, dass wir Sicherheit in Europa gemeinsam mit Russland wollen, nicht gegen Russland. Aber ebenso steht völlig außer Frage, dass Europa ein angebliches Recht eines Stärkeren, der das Völkerrecht missachtet, nicht akzeptieren kann und nicht akzeptieren wird. Deshalb war 2014 auch das Jahr, in dem Europa genau diese Herausforderung verstanden und gemeinsam mit seinen transatlantischen Partnern angenommen hat. Europa hat sich entschlossen, sich nicht spalten zu lassen, sondern stärker denn je als Einheit zu handeln, um seine Friedensordnung und seine Werte zu verteidigen. Werte, die Europas Zukunft als Ganzes und die seiner Mitgliedstaaten politisch wie im Übrigen auch wirtschaftlich tragen. Diese Einheit Europas ist kein Selbstzweck, aber sie ist der Schlüssel, um die Krise in der Ukraine zu überwinden und die Stärke des Rechts durchzusetzen. 2014 wird auch als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem die schreckliche Krankheit Ebola die Menschen Westafrikas in bislang nicht gekanntem Ausmaß heimsuchte. Ich danke allen, die einen Beitrag da zu leisten, diese Krankheit, die noch lange nicht besiegt ist, einzudämmen: den Ärzten, den Pflegern, den Helfern des Deutschen Roten Kreuzes und nicht zuletzt den Soldaten, die hier wie anderswo auf der Welt ihr Leben für uns einsetzen. 2014 mussten wir außerdem erleben, dass die Terrororganisation IS alle Menschen verfolgt und auf bestialische Weise ermordet, die sich ihrem Herrschaftswillen nicht unterwerfen. Diese Terrororganisation wütet ganz besonders in Syrien und im Nordirak, aber sie bedroht auch unsere Werte zu Hause. Die freie Welt stellt sich ihr entgegen. Dazu leisten auch wir Deutschen unseren Beitrag, denn das ist in unserem Interesse. Eine Folge dieser Kriege und Krisen ist, dass es weltweit so viele Flüchtlinge gibt wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele sind buchstäblich dem Tod entronnen. Es ist selbstverständlich, dass wir ihnen helfen und Menschen aufnehmen, die bei uns Zuflucht suchen. Kürzlich erzählte mir jemand von einem Kurden, der heute Deutscher ist. Vor vielen Jahren sei er aus dem Irak geflohen - unter sehr schwierigen Bedingungen. Unter Lebensgefahr. Er habe gesagt, das Wichtigste sei für ihn in Deutschland, dass seine Kinder hier ohne Furcht aufwachsen könnten. Das ist vielleicht das größte Kompliment, das man unserem Land machen kann: dass die Kinder Verfolgter hier ohne Furcht groß werden können. Und das war auch ein Motiv der vielen Menschen, die vor 25 Jahren in der DDR jeden Montag auf die Straße gingen. Hunderttausende demonstrierten 1989 für Demokratie und Freiheit und gegen eine Diktatur, die Kinder in Furcht aufwachsen ließ. Heute rufen manche montags wieder "Wir sind das Volk". Aber tatsächlich meinen Sie: Ihr gehört nicht dazu - wegen Eurer Hautfarbe oder Eurer Religion. Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja, sogar Hass in deren Herzen! Und, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, welch großes Glück es ist, dass wir seit bald 25 Jahren in einem in Frieden und Freiheit geeinten Land leben können, das konnten wir trotz aller Anstrengungen und trotz aller Probleme auch unseres Alltags gerade auch in diesem Jahr spüren. Wir spüren, welchen Wert es hat, wenn die Zahl der Menschen, die Arbeit haben, so hoch ist wie noch nie oder wenn wir im kommenden Jahr das erste Mal seit 46 Jahren keine neuen Schulden im Bund aufnehmen müssen und Schluss machen können mit dem Leben auf Pump. Wir spüren, welchen Wert der Zusammenhalt in unserem Land hat. Er ist Grundlage unseres Erfolges. Übrigens - es war auch der Zusammenhalt eines Teams, der uns beim Gewinn der Fußballweltmeisterschaft so unvergessliche Momente bescherte. Diesen Erfolg fas ste ein englischer Fan wunderbar in Worte, als er sagte: "Deutschland hat eine Mannschaft." Genau das war es, eine Mannschaft, die zusammenhielt, um das große Ziel zu erreichen. Ich drücke natürlich auch unserer Frauen - Fußballnationalmannschaft ganz fest die Daumen, wenn sie im kommenden Jahr bei ihrer WM den Titel gewinnen will. Es ist und bleibt der Zusammenhalt, mit dem wir auch in Zukunft die großen Herausforderungen meistern können: - die digitale Revolution, die unser Leben fundamental verändert und ganz neue Möglichkeiten für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit bietet. - Die demographische Entwicklung, die nicht nur Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt hat, sondern unser gesamtes Leben erfasst, denken wir nur an die Pflege unserer Angehörigen. - Die Zuwanderung von Menschen, die ein Gewinn für uns alle ist. - Den Welthandel, bei dem es darum geht, große Wettbewerbschancen zu nutzen und gleichzeitig soziale und ökologische Standards zu behaupten. - Den Schutz des Klimas, für den es endlich gelingen muss, neue verbindliche Vereinbarungen zu beschließen. Und im Rahmen der deutschen G7 - Präsidentschaft will ich mich dafür in den nächsten Monaten mit aller Kraft einsetzen. Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch im kommenden Jahr sollten wir gemeinsam alles daran setzen, den Zusammenhalt unseres Landes zu stärken. Er macht unsere Gesellschaft menschlich und erfolgreich. In diesem Sinne wünsche ich von Herzen denen, die am heutigen Abend Kummer haben oder um einen lieben Menschen trauern, Trost und Bei stand, und uns allen gemeinsam Kraft, Gesundheit und Gottes Segen für das neue Jahr 2015."

Kanzlerin wird attackiert: Unionsfraktionsvize Friedrich macht Merkel für Erstarken der AfD verantwortlich 

Götterdämmerung - Ist das Ende von Merkel gekommen?

Erstmals gibt es für die Kanzlerin schwere Kritik aus den eigenen Reihen.


Die Rechtspopulisten machen in der Union mobil und Merkel für den Aufstieg der AfD verantwortlich.

Sie sei zu liberal und verwalte als Kanzlerin sozialdemokratische Politik - Das treibe viele konservative und rechtspopulistischewähler in die Hände der AfD und wohl auch der  islamophoben und rassistischen Pegida. 

Kein geringerer Kader als Ex-Bundesinnenminister Friedrich CSU äussert diese Kritik , die in Reihen der Union bisher undenkbar war. Nur ist es ein Plädoyer für einen Rechtsruck, was die CDU zu einem möglichen Koalitionspartner der AfD mutieren lassen könnte. In Thüringen hatte der CDU Fraktionschef Mohring ein solches Bündnis gegen rot-rot-grün in Geheimgesprächen bereits angestrebt. 

Es soll wohl auch eine Rechtsfront als Option für die Bundestagswahlen 2017 gegen rot-rot-grün salonfähig gemacht werden. Ausländerfeindlichkeit odre gar Rassismus soll hoffähig werden und auch in der CDU einen herausragenden Platz bekommen.  

Die Kanzlerin nehme SPD und Grünen die Themen weg, statt sich um die Inhalte der AfD zu kümmern. Wenn Merkel ihren Kurs nicht ändere, werde die AfD zur "tödlichen Gefahr" für die Union. Das ist starker Tobak von einem Mann, der immerhin Unionsfraktionsvize ist. Beginnt jetzt also eine Debatte über die bisher sakrosankte Merkel?

Dass es in der Union Diskussionsbedarf gibt, ist offensichtlich. In der AfD ist eine neue Konkurrenz entstanden, die durch Pegida noch mehr Zulauf erhalten könnte. Viele in der Union treibt das um. Mit seiner harschen Attacke hat Friedrich dieser Debatte aber keinen Dienst erwiesen.

Zum einen ist der Ex-Minister nicht sonderlich glaubwürdig. Er hat an verantwortlicher Stelle alle Beschlüsse mitgetragen, die er jetzt kritisiert. Egal ob Rente mit 63, Mindestlohn, Mietpreisbremse oder Frauenquote - Friedrich hat sich in keinem Fall darum bemüht, die SPD-Gesetze im Sinne der Union abzumildern oder gar zu verändern. Umso überraschender ist jetzt seine Wortmeldung.

Außerdem schadet die AfD der Union ja nicht nur, sie hilft ihr taktisch sogar. Die Wähler der Euro-Kritiker kommen auch aus dem Lager der Linken und der SPD. Die AfD wird deshalb linke Mehrheiten erschweren. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wäre es mit den rot-grünen Mehrheiten vorbei, wenn die AfD den Einzug in die Landtage schaffte-

Vor allem aber scheint er der Kanzlerin bis heute nicht verziehen zu haben, dass sie ihn in der Edathy-Affäre eiskalt fallen ließ . Als  Rächer in eigener Sache macht man sich aber keine Freunde. Und so hat Friedrich mit seiner Kritik nicht nur Merkel sondern auch sich selbst geschadet.