Leistet Angela Merkel Beihilfe zu US Drohnenmorden von BaWü aus ?
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Deutschland im geheimen Krieg
Zusammenstellung von Maik Söhler
Die Regierung des Jemen ist es leid. Hunderte Tote werden dort mittlerweile Angriffen zugeschrieben, die die USA im Kampf gegen Al-Qaida mit bewaffneten Drohnen ausgeführt haben. Zuletzt wurden im Dezember in der zentraljemenitischen Provinz Bajda 17 Menschen getötet. Die Attacke galt einem radikalen Islamisten, doch die meisten der Opfer waren wohl Zivilisten, die im Konvoi einer Hochzeitsgesellschaft mitfuhren.
Egal ob im Jemen, in Afghanistan, Pakistan oder Somalia – der Drohnenkrieg, der sich auf von Sondereinheiten der Armee und Geheimdiensten erstellten Todeslisten des Pentagon und des Oval Office stützt, geht trotz internationaler Kritik (Amnesty Journal 1/14) weiter. Barack Obama hat als US-Präsident und Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte zwar im Januar angekündigt, die Zahl der Drohnenangriffe zu verringern, unklar bleibt allerdings, ab wann das gelten soll und ob die mögliche Verringerung dem Widerstand einzelner Staaten wie dem Jemen zu verdanken ist oder ob die kritische Debatte in den USA und juristische Bedenken zu dieser Ankündigung geführt haben. Von einem Ende der Fernlenkluftschläge war jedenfalls nicht die Rede.
Dabei gerät zusehends auch Deutschland in den Blick jener, die über den „geheimen Krieg“ – denn weder mit dem Jemen noch mit Somalia oder Pakistan befinden sich die USA offiziell im Krieg – aufklären wollen. Die „Süddeutsche Zeitung“ und der zur ARD gehörende Sender NDR kooperieren seit dem Herbst 2013 auf eine besondere Art. Aufbauend auf den Recherchen von US-Autoren wie Jeremy Scahill verfolgen Journalisten die Spuren, die der US-Drohnenkrieg in Deutschland hinterlassen hat. Dabei kommen erstaunliche Ergebnisse ans Licht, insbesondere was die Beteiligung des United States Africa Command (Africom) in Stuttgart-Möhringen und der US-Airbase Ramstein an Drohnenangriffen in Somalia angeht.
„Die Phase der Entführungen und Verschleppungen ist vorbei. Wir befinden uns jetzt in der Phase der Hinrichtungen“, schreiben Christian Fuchs und John Goetz in ihrem neuen Sachbuch „Geheimer Krieg“. Gemeint ist, dass sich die Strategie im „Krieg gegen den Terror“ unter US-Präsident Obama geändert hat. Wo unter George W. Bush einst Geheimgefängnisse und Folter als wichtigste Mittel gegen Al-Qaida angesehen wurden, fliegen heute mit Hellfire-Raketen ausgerüstete Drohnen. Seit dem Jahr 2007 sollen ihnen mindestens 5.000 Menschen zum Opfer gefallen sein, meint Jeremy Scahill – ohne Anhörung der Betroffenen und ohne dass zuvor ein Gericht über Schuld oder Unschuld, Freispruch oder Strafmaß befunden hätte.
Auf der gemeinsam vom NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ betriebenen Website Geheimerkrieg.dewerden die Zwischenergebnisse zur Rolle Deutschlands im „geheimen Krieg“ der USA zusammengetragen und aktualisiert. Es fließen ein die Recherchen aus dem Buch von Fuchs und Goetz, Fernsehberichte im Rahmen einer ARD-„Panorama“-Dokumentation, Zeitungsartikel sowie weiterführende Informationen, die in einer Datenbank und auf interaktiven Onlinekarten gesammelt werden, beides ansprechend realisiert von der Berliner Datenvisualisierungsfirma Open Data City.
In einer Auftragsdatenbank lassen sich rund 150.000 Datensätze durchforsten, die Aufträge der US-Regierung an deutsche Unternehmen beinhalten. „Spionieren Sie zurück!“, heißt denn auch der zentrale Satz, den die Seitenbetreiber ihrem Rechercheprojekt vorangestellt haben, und weiter: „Finden Sie die Agenten vor Ihrer Haustür! Die wichtigste Regel für Geheimdienste lautet: Lass dich nicht erwischen! Denn das Einzige, das Spione weltweit nicht dürfen, ist dabei ertappt zu werden, wie sie arbeiten.“
Schnell wird deutlich, dass sich Geheimerkrieg.de nicht allein auf den US-Drohnenkrieg und seine Vorbereitung in Deutschland beschränkt. Die Präsenz der US-Geheimdienste in unterschiedlichen Städten und Regionen ist ebenso Thema wie die Kooperation deutscher Dienste mit den US-Kollegen. Auch werden US-Unternehmen wie die Computer Science Corporation aufgelistet, die der Verschleppung und Folter von US-Kriegsgefangenen beschuldigt werden und trotzdem in Deutschland unbehelligt arbeiten können, teilweise sogar Aufträge hiesiger Behörden bekommen. Dies gelte für zehn unterschiedliche Ministerien und das Bundeskanzleramt. „Viele der Aufträge betreffen hochsensible Bereiche“, heißt es auf Geheimerkrieg.de.
Auch die tätige Mithilfe bei der Informationsbeschaffung für den Drohnenkrieg und den Antiterrorkampf in Afrika gerät in den Blick. Sei es, dass die Hauptstelle für Befragungswesen in Berlin, die mit dem Bundesnachrichtendienst kooperiert, Asylbewerber in Deutschland ausquetscht und dabei offensichtlich mit US-Agenten zusammenarbeitet; sei es, dass das Bundeskriminalamt die kenianische Polizei schult und ausrüstet. Jene Polizei also, der Philip Alston, UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche Hinrichtungen, attestiert, längst ein „eigenes Recht“ geschaffen zu haben.
Wirkten das Buch „Geheimer Krieg“ und die ARD-„Panorama“-Sendungen zum Thema anfangs wie eine bemühte und fast schon verzweifelte Suche nach Fakten, mit denen sich eine Beteiligung bzw. die Duldung des US-Drohnenkrieges in Afrika durch deutsche Behörden und Geheimdienste belegen lässt, wird auf Geheimerkrieg.de nunmehr ein Netzwerk sichtbar, das durchaus Rückschlüsse auf die Rolle Deutschlands zulässt.
Noch immer stehen kaum Beweise zur Verfügung – etwa dass US-Kampfdrohnen über Somalia von Stuttgart oder Ramstein aus gesteuert werden. Man wünschte sich, dass mehr Informationen zur Verfügung stünden, dass gerade die Website und ihre Social-Media-Kanäle öfter aktualisiert würden und dass auch Dementis und Recherchefehler gut sichtbar ausgewiesen würden.
Diese Mängel machen das Buch, die TV-Beiträge und vor allem die Website jedoch nicht weniger interessant. Allesamt stehen sie für den Anfang einer Suche nach der Wahrheit, während die Gegenseite in der Kriegsführung mit Drohnen Jahre und beim Verbergen von Informationen sogar Jahrzehnte Vorsprung hat.
Vor Tagen wurde in einem TV Bericht erklärt, dass der Generalstaatsanwalt die Vorermittlungen wegen Mordes mit Kampfdrohnen von Ba Wü aus eingestellt hat. Das ist ein fatales Signal, dass für einen Unrechtsstaat passend ist und so nicht hingenommen werden darf .
Christian Fuchs/John Goetz: Geheimer Krieg. Wie von Deutschland aus der Kampf gegen den Terror gesteuert wird. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2013. 256 S., 19,95 Euro.
Erschienen im Amnesty Journal 4/5 2014, nur Print, daher online hier.
Datenbank auf Geheimerkrieg.de
Dossier der Süddeutschen Zeitung
http://tristerosempire.tumblr.com/post/81377995997/deutschland-im-geheimen-krieg