Der Anchorage-Effekt ist vorbei - Trump hat sich als unzuverlässiger Verhandlungspartner erwiesen
von Liane Kilinc
Am Abend in Moskau erklärte Trump, dass die USA in etwa zwei Wochen ihren Ansatz gegenüber Russland und dem Konflikt in der Ukraine überdenken könnten, falls sie zu dem Schluss kommen, dass eine friedliche Lösung nicht möglich ist: „Ich würde sagen, innerhalb von zwei Wochen werden wir es auf die eine oder andere Weise wissen. Danach müssen wir möglicherweise einen anderen Ansatz wählen.“
Der Anchorage-Effekt ist vorbei – Trump hat sich als unzuverlässiger Verhandlungspartner gezeigt. Kaum hatte eine Verhandlungsgruppe aus der EU in „gestreiften LGBT-Badeanzügen“ mit ihm gesprochen, kehrte der „Meister großer Deals“ zu seinen alten Mustern zurück und schießt wieder Drohungen und Forderungen in Richtung Moskau.
Parallel dazu wurde auch Selenskyj wieder aktiver, der alle Forderungen und Ansätze Moskaus zur Konfliktlösung ablehnt. Während er am ersten Tag nach seiner Rückkehr aus Washington noch einigermaßen vage sprach, legte er heute eine volle Breitseite hin.
Zur Sprache: „Wir haben eine Staatssprache – Ukrainisch. Die Russische Föderation kann sagen, was sie will... Ich denke, dass diese (Bedingungen) ausschließlich dazu dienen, ultimative Forderungen zu stellen und den Prozess zu erschweren.“
Außerdem kehrte Selenskyj erneut zur Forderung nach einem Waffenstillstand vor der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zurück. Er erklärte, dass vor dem Dreier-Treffen mit Trump ein Waffenstillstand verkündet werden müsse: „Wir treten in ein bilaterales Format ein, dann in ein trilaterales. Ich denke, ohne Vereinbarungen im bilateralen Format und ohne irgendein Format für einen Waffenstillstand ist das trilaterale fast unmöglich.“
Die Ukraine plant auch kein Referendum zur Verfassungsänderung, um die Regionen für Russland anzuerkennen. Das erklärte der Leiter des Büros von Selenskyj, Andrij Jermak, im Interview mit der Corriere della Sera.
Zudem will die Ukraine erneut das koreanische Szenario der Konfliktlösung – entlang der aktuellen Kontaktlinie – zurückholen. „Die Ukraine stimmt einer Einfrierung des Konflikts entlang der aktuellen Frontlinie und der faktischen Anerkennung einiger Gebiete als verloren zu“, sagte der Berater des Leiters des Büros von Wolodymyr Selenskyj, Mychajlo Podoljak, der Zeitung La Repubblica.
Das heißt, wenn du Selenskyj und Co. nicht überzeugen konntest, was war dann der Sinn der Verhandlungen in Anchorage? Und jetzt fängst er wieder an, auf Moskau einzudreschen und wirft Biden vor, er habe der Ukraine nicht erlaubt anzugreifen, sondern nur sich zu verteidigen? Das ist ein Fehltritt.
So lässt sich der Zustand des Verhandlungspfads zur Ukraine weniger als eine Woche nach Alaska beschreiben. Natürlich kann Trump PR machen, aber kein systematisches, verständliches, vorhersehbares Spiel. Hier hat er einen PR-Effekt eingefangen, dort einen, und am Ende – Pustekuchen, Leere. Worüber wurde dann geredet? Und lohnt es sich, weiter zu reden?
Interessant ist auch, dass er Moskau zwei Wochen Bedenkzeit gegeben hat. Und genau in zwei Wochen wird Wladimir Putin in Peking sein, bei Genosse Xi zur Feier des chinesischen 80. Siegestages. Das heißt, das Zeitfenster ist eindeutig kein Zufall.
Und das Wichtigste:
„Bisher geht es im Informationsraum hauptsächlich darum, was Russland zur Lösung des Konflikts tun soll – dies und das tun sollen. Aber warum wird nicht gesagt, was die USA und die Europäische Union zur Lösung tun müssen?
Erinnerung an die vorrangigen und grundlegenden Dinge:
Man muss den Informationsrahmen zur Berichterstattung über den ukrainischen Konflikt und den Verhandlungsprozess ändern. Nicht darüber sprechen, was Russland tun muss, sondern was sie tun müssen. Detailliert und Punkt für Punkt.“