Linkspartei würdigt 100 Jahre russische Oktoberrevolution kritisch

Revolution im Widerstreit
Vor 100 Jahren machten die Bolschewiki ernst: »Frieden, Brot, Freiheit und Land«. Mit dem Sturm auf das Winterpalais begann die Oktoberrevolution
Von Stefan Bollinger
Der Blindschuss der »Aurora«, der Sturm auf das Winterpalais, prägen unsere Erinnerung an 1917. In unserem Kopf sind die Filmszenen von Sergej Eisenstein zum 10. Jahrestag der Revolution. Die Wirklichkeit war prosaischer, wennschon kaum weniger dramatisch.
Heute über die Oktoberrevolution zu sprechen, erfordert einen detaillierten und zugleich komplexen Blick. Wie alle Klassenkämpfe, aber auch der Streit unter Linken, ist 1917 nicht zu den Akten gelegt, sondern so präsent wie vor 100 Jahren. Mit dem Oktober wie dem gesamten Realsozialismus bleibt das Ringen um ein linkes Profi l bis heute ebenso verbunden wie der Streit mit politischen Gegnern, denen jede sozialistische Alternative eine tödliche Bedrohung ist.
Für Generationen von Linken – meist unabhängig von ihrer Haltung zum Realsozialismus – war die Oktoberrevolution das Ereignis des 20. Jahrhunderts, der Beginn einer »Epoche des weltweiten Übergangs zum Sozialismus« und Sinnbild für handelnde Massen. Spätestens mit dem Bruch der Jahre 1989/91 haben sich diese Erwartungen als nicht realisiert erwiesen. Der Sowjetstaat löste sich auf, das Gesellschafts-, und militärische Blocksystem im Namen des Roten Oktober kapitulierte faktisch vor dem Kapitalismus und zerfiel. Ein wiedererwachter Nationalismus meldete sich zuweilen kriegerisch zurück und die kapitalistische Restauration triumphierte. Die kommunistische Bewegung, die einst den Sieg errang, resignierte, kapselte sich ein oder erfand sich neu – ohne die Massen noch mobilisieren zu können wie einst.
Neue Annäherungen
Von der Last der Geschichte befreit, lässt sich heute ungezwungener nachdenken. Nicht wenige wollen diese Revolution vergessen machen. Für viele moderne Linke ist sie ob ihrer Gewalt und ihrer Fehler, Irrtümer und der in ihrem Namen begangenen Verbrechen nicht anschlussfähig.
Das Abwerfen von Ballast ermöglicht allerdings einen schärferen Blick auf das, was 1917 nicht voraussetzungslos in die Welt trat. Vor allem gestattet es, den Kern dieser Revolution freizulegen – gegen den imperialistischen Krieg, für einen Frieden ohne Annexionen und Kontributionen, für einen Bruch mit einem Kapitalismus, der Kriege als Garant für Maximalprofite braucht. Die Bolschewiki gewannen die Massen, weil sie in der Friedensfrage kompromisslos waren. Gleichzeitig nahmen sie sich der Forderungen an, die Arbeiter und Bauern des krisengeschüttelten, kriegsmüden, hungernden und aufbegehrenden Landes stellten: Frieden, den Bauern den Boden, den unterdrückten Nationen die Chance zur Selbstbestimmung bis hin zur Lostrennung. Die Bolschewiki nahmen die demokratischen Errungenschaften des Februars ernst. Für sie durften aber Wahlen und Parlamentarismus nicht die Klassenspaltung fortschreiben, sondern sie wollten mit den Sowjets basisdemokratische Strukturen, in denen die Objekte der Politik, die Arbeiter, Bauern, Soldaten, handelnde Subjekte wurden. Sie wollten nicht nur Mitbestimmung in den Fabriken, sondern deren Verstaatlichung, erwartend, dass dies eine Vergesellschaftung werde.
Zunächst, was heute auf »russische « Revolution(en) reduziert wird, waren »russländische« Revolutionen, also das Aufbegehren nicht nur der Russen, sondern vieler Völkerschaften, auch unter sozialistischem Vorzeichen. Dass in den auch dort schnell einsetzenden Bürger- und Interventionskriegen – wie im Baltikum oder Finnland – schließlich die Reaktion die Oberhand behielt, gehört zu den bekannten Wahrheiten. Ebenso, dass andere Auseinandersetzungen – wie in der Ukraine – in den Sowjetstaat führen.
Zur neuen Einsicht gehört, dass von Russischen Revolution»en« im Plural gesprochen werden muss. Februar und Oktober hängen unmittelbar zusammen. Die Bolschewiki hatten deshalb Erfolg, weil sie die Inkonsequenzen der Provisorischen Regierung entlarvten, ihren bürgerlichen Charakter und ihre Unterwürfigkeit unter die Forderungen der Bündnispartner Großbritannien und Frankreich, vor allem aber gegenüber dem Kapital und Großgrundbesitz. Die Alternative gab es: die Sowjets. Hier hatten sich – wie schon 1905 – basisdemokratische Machtorgane gebildet, die unmittelbar die Stimmungen der Massen abbildeten und selbst Verantwortung für die Umsetzung der Beschlüsse übernahmen.
Die ersten Sowjets nach der Februarrevolution waren von Sozialrevolutionären und Menschewiki dominiert . Die Bolschewiki, als radikale Antikriegspartei besonders vom Zarismus verfolgt, mussten um Mehrheiten zäh ringen. Mit Lenins Heimkehr aus dem Exil und der Rückkehr der vielen Emigranten, begann ein erbittertes Ringen um Mehrheiten in den Sowjets. Dabei waren die Bolschewiki selbst keineswegs die streng disziplinierte und straff geführte Massenpartei. Selbst in ihrer Führung akzeptierten nicht alle Lenins strikten Kurs auf Sturz der Provisorischen Regierung und das Vorantreiben der Revolution in Richtung Frieden und sozialistische Perspektive. Lew Kamenew und Grigori Sinowjew, einflussreiche Bolschewiki, wollten abwarten, wollten ein Zusammengehen mit den Menschewiki, träumten im Herbst von einer breiten sozialistischen Regierung.
Hier musste Lenin immer wieder überzeugen gegen eine Regierung, die die drängenden sozialen Fragen, nicht zuletzt auf dem Lande, ebenso wie die nationalen Fragen aussaß und im Sommer Hunderttausende in einer aussichtslosen Offensive verheizte. Selbst der Schritt zum bewaffneten Aufstand stieß auf Widerstand in der Parteiführung. Auch hier war wieder Überzeugungsarbeit angesagt. Die Partei war ein lebendiger, widersprüchlicher Organismus. Ihre Mitgliederzahl verzehnfachte sich seit dem Frühjahr auf bis zu 300.000. Die Mitglieder mussten geschult, motiviert werden, die taktischen Züge Lenins akzeptieren und selbst in den Roten Garden kämpfen, ihre Arbeitskollegen und Kameraden gewinnen.
Revolutionärer Prozess
Wer heute von Revolutionen schwärmt, wird eher im Februar fündig, als Arbeiterinnen und Arbeiter massenhaft auf die Straße gingen, Widerstand leisteten und das Recht in die eigene Hand nahmen. Er wird an hitzige Versammlungen denken und die Revolution gerne als Festtag in Erinnerung behalten. Spätestens mit der Kerenski-Offensive im gehassten Krieg im Juni waren diese Festtage vorbei, die Doppelherrschaft von Regierung und Sowjets zerbrach, nachdem der Sowjetkongress sich zur Unterstützung der Offensive hatte überreden lassen. Die blutige Niederlage führte zum Aufbegehren Petrograder Arbeiter und Soldaten im Juli.
Sie löste eine blutige Repression seitens der Regierung aus, die sich vor allem gegen die Bolschewiki wandte, sie als »Vaterlandsverräter « diffamierte, ihre Presse unterdrückte, die Führer verfolgte, inhaftierte oder in den Untergrund trieb. Hier waren Massen auf der Straße, wenn auch noch ohne Erfolg. Sechs Wochen später sorgte der Putschversuch des von Kerenski eingesetzten reaktionären Oberbefehlshabers Lawr Kornilow für eine erneute tiefe Krise. In der Abwehr des Putsches bewährten sich die bolschewistischen Strukturen. Rote Garden und Arbeiter zerstörten den Traum der Generäle von der Diktatur.
In dieser Vorgeschichte war der Sturm auf das Winterpalais und das Gewinnen des Zweiten Sowjetkongresses für die Revolution und eine neue Regierung – bestehend aus dem Rat der Volkskommissare auf der Basis einer kleinen Koalition von Bolschewiki und Linken Sozialrevolutionären – fast randständig, aber eben kein Staatsstreich. Es war der Abschluss einen Prozesses, der die Sowjets auf bolschewistischem Kurs sah. Am 7. November begann erst die soziale Revolution. Der Sowjetkongress beschloss Dekrete über Frieden, Boden, Verstaatlichung von Banken und Industrie. Er griff hinein bis in die nun auf Gleichberechtigung umgestellten Familienbeziehungen.
Gern wird vergessen, dass dies nicht allein und in erster Linie die Entscheidungen einer Zentrale waren, sondern dass sie tatkräftig in Betrieben und Kommunen umgesetzt wurden. Es wird auch ausgeblendet, das Bürger- und Interventionskriege letztlich die Entwicklung prägten und jenen Deformationen Vorschub leisteten, die als Stalinismus in die Geschichte eingingen. Denn zu den komplizierten Ausgangsbedingungen einer Revolution in Russland mit geringer Arbeiterklasse, schwacher Industrie und übermächtiger, obschon differenzierter Bauernschaft, dem Ausbleiben der Revolution im Westen, kam ein unerbittlicher Krieg im eigenen Lande.
Frühzeitig suchte sich die neue Macht gegen bürgerliche Kräfte, gegen Konterrevolution zu wehren, mit harten, nicht immer angemessenen Mitteln. Aber erst der Bürgerkrieg und seine unmittelbare Unterstützung durch 14 ausländische Mächte stieß das Land ins blutige Chaos. Zwiespältige
Bilanz
Der aus Not geborene »Kriegskommunismus « konnte keine Lösung sein. Er zerstörte das Bündnis mit der eben noch durch die Übergabe des Bodens dankbaren, nun zugunsten der Roten Armee und der Städter ausgepressten, wütenden Bauernschaft.+++ Darum gehören zu den Russischen Revolutionen unbedingt auch der Übergang zur neuen Ökonomischen Politik im Jahr 1921 und schließlich die Bildung der Sowjetunion 1922. Erst hier wurden jenseits der revolutionären Attacke die Grundlagen für sozialistisches Wirtschaften mit Markt, Geld und auch privaten Unternehmen gelegt. Mit der Bildung der UdSSR entstanden zumindest die Ansätze eines gedeihlichen Zusammenlebens der Völkerschaften.
Wir wissen, dass viele dieser Weichenstellungen nicht langfristig trugen. Zu schnell wurde aus der versprochenen Macht der Werktätigen eine für die Werktätigen, ausgeübt durch die Partei und ihre engste Führung. Das gehört auch zu den Erfahrungen mit dem Realsozialismus. Aber diese Erfahrungen belegen auch, dass es keine aussichtslosen Situationen gibt, dass Massen mit ihren Interessen und den von ihnen getragenen Organisationen und Parteien handeln können. Und schließlich, dass die Friedensfrage als Überlebensfrage eine der stärksten Antriebe für Gesellschaftsveränderungen sein kann. Insofern bleibt der Oktober lebendig und zwingt, ihn sich in seiner Widersprüchlichkeit anzueignen.
Stefan Bollinger ist Mitglied der Historischen Kommission beim Parteivorstand der Partei Die Linke.
Oktoberrevolution.
Aufstand gegen den Krieg 1917-1922
Stefan Bollinger
224 Seiten
14,99 €
ISBN 978-3-360-01 882-3
auch als E-Book erhältlich
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Russische Linke feiert 100 Jahre Oktoberrevolution
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IZ - History: Rede von Sahra Wagenknecht im Bundestag im Wortlaut
Die Rede vom Januar 2014 im Wortlaut
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bundeskanzlerin, Geschichte wiederholt sich nicht, aber es gibt Phasen, in denen die politischen Uhren rückwärts zu gehen scheinen, unerbittlich zurück in eine Zeit, die sich eigentlich niemand zurückwünschen kann. Wer die Entwicklung der letzten Jahre verfolgt, der wird das beklemmende Gefühl nicht los, dass wir heute in genau so einer Phase leben, und ich möchte mir nicht ausmalen, wie das enden kann.
75 Jahre nach Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion finden in unmittelbarer Nähe der russischen Grenze wieder martialische Kriegsübungen unter deutscher Beteiligung statt.
Die US-Atomwaffen in Deutschland werden modernisiert ‑ nicht abgebaut, Frau Merkel: modernisiert – und Raketenbasen in ganz Europa aufgebaut. Angeblich geht es immer nur um Abschreckung, darum, Putin davon abzuhalten, ins Baltikum einzumarschieren. Es würde mich wirklich interessieren, ob diejenigen, die uns diesen Schwachsinn erzählen, auch nur eine Sekunde selber daran glauben.
Wer hat denn seine Grenzen in den letzten zwei Jahrzehnten immer weiter nach vorne geschoben?
Russland in Richtung NATO, oder war es nicht eher umgekehrt?
Die USA haben 5 Milliarden Dollar in einen Regime-Change in der Ukraine investiert. Das Ergebnis ist ein zerrissenes Land mit marodierenden faschistischen Banden und, ja, die russische Annexion der Krim, die immer als Beweis für die Aggressivität der russischen Außenpolitik herhalten muss.
Auch die neue Aufrüstungsspirale dient angeblich immer nur dazu, den russischen Bären im Zaum zu halten. Eine dümmere Begründung kann man sich wirklich nicht ausdenken.
Aktuell liegen die Militärausgaben der NATO beim etwa 13-Fachen der russischen. Und jetzt brauchen wir noch mehr Aufrüstung, um die Sicherheit in Europa zu gewährleisten? Was ist denn das für ein Irrsinn!
Trotzdem gehörten Sie, Frau Bundeskanzlerin, wieder einmal zu den ersten, die die Umsetzung des 2-Prozent-Ziels angekündigt haben. 2 Prozent, das bedeutet 25 Milliarden Euro jedes Jahr mehr für Mordwaffen, für Panzer und für Kriegsgerät, aber für gute Renten fehlt uns angeblich das Geld, und für bessere Bildung erst recht. Was sind denn das für absurde politische Prioritäten, die Sie hier setzen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.
Der große Außenpolitiker George F. Kennan hat die NATO-Osterweiterung schon Ende der Neunziger als den verhängnisvollsten Fehler der US-Politik seit der Ära des Kalten Krieges bezeichnet, eben weil die Einkreisung Russlands den Weltfrieden nicht sichert, sondern gefährdet. Und trotzdem wird sie immer weiter vorangetrieben, auch mit Ihrer Unterstützung, Frau Merkel. Wir finden das unverantwortlich.
Sie haben auf Artikel 5 des NATO-Vertrages hingewiesen. Leider haben Sie Artikel 1 nicht erwähnt, der die NATO-Mitglieder verpflichtet, sich jeglicher Drohung oder Gewaltanwendung zu enthalten. Ich glaube, es liegt auf der Hand, dass die NATO und allen voran die USA mit ihren völkerrechtswidrigen Kriegen und ihren Drohnenmorden ihren eigenen Vertrag tagtäglich mit Füßen treten. Dazu hätte ich von Ihnen auch ein Wort erwartet.
Ich muss schon sagen: Über die Destabilisierung des Nahen Ostens zu reden, wie Sie es eben getan haben, aber die Hauptverantwortung von NATO-Staaten und den Irakkrieg noch nicht einmal zu erwähnen, das zeugt nun wirklich von bemerkenswerter Einäugigkeit.
Die Manöver in Osteuropa, die Hochrüstung, die Raketenbasen, die Truppenstationierung: Was kann Moskau darin denn anderes sehen als Kriegsvorbereitung? Auf jeden Fall wird so die Wahrscheinlichkeit und die Möglichkeit einer militärischen Eskalation mit der Atommacht Russland beträchtlich erhöht. Der Ernstfall, für den Sie in Osteuropa so lässig proben und von dem neuerdings in Militärkreisen wieder geredet wird, als wäre er ein kalkulierbares Ereignis – – Frau Merkel, ich finde es ja interessant, dass Sie sich mit Herrn Hofreiter unterhalten; aber ich würde es doch gut finden, wenn Sie meiner Rede wenigstens etwas Gehör verleihen würden.
Nach einem solchen Ernstfall, für den Sie in Osteuropa so lässig proben und von dem neuerdings in Militärkreisen wieder geredet wird, als wäre er ein kalkulierbares Ereignis, würde es Europa mit seinen über 700 Millionen Einwohnern vielleicht nicht mehr geben.
Das Urteil Willy Brandts, dass ein Krieg mit Russland nicht die Ultima Ratio, sondern die Ultima Irratio ist, das gilt doch heute nicht weniger als in den 70er-Jahren. Deshalb ist es dringend an der Zeit für eine eigenständige europäische Außenpolitik in der Tradition der Entspannungspolitik und natürlich auch für die Ersetzung der US-dominierten NATO durch ein kollektives Sicherheitssystem unter Einschluss Russlands.
Schon Helmut Schmidt war der Meinung, dass heute mehr Gefahr von den USA als von Russland ausgeht. Das dürfte nach den nächsten US-Präsidentschaftswahlen, wenn im Weißen Haus entweder ein Halbverrückter oder eine Marionette der US-Rüstungslobby regiert, nicht viel anders werden.
Aber das Verhältnis zu Russland und die Kriegsgefahr sind leider nicht die einzigen Punkte, bei denen die politischen Uhren rückwärts laufen. Ich muss schon sagen: Ich finde es ebenso bezeichnend wie traurig, dass Ihre Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates letzte Woche mal eben von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Wegschweigen, aussitzen, bloß nicht über Veränderungen reden – das können doch nicht ernsthaft Ihre Schlussfolgerungen aus der aktuellen Krise sein.
Der französische Ökonom Piketty hat doch recht, wenn er Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, eine wesentliche Mitverantwortung für den Brexit und den zunehmenden Nationalismus andernorts gibt.
Ihre ständigen Alleingänge haben den europäischen Zusammenhalt ebenso wenig gestärkt wie die Besserwisserei, mit der die deutsche Regierung versucht, ganz Europa auf die Linie der deutschen Wirtschaftspolitik zu bringen. Halten Sie doch endlich einmal inne, und überdenken Sie Ihre Politik, bevor es wirklich zu spät ist.
Das geeinte Europa, Verständigung und Zusammenarbeit zwischen jahrhundertelang verfeindeten Völkern, ein europäisches Sozialmodell als Alternative zum entfesselten Kapitalismus, das war einmal ein großes, ich würde sagen, ein großartiges Projekt. Es geht längst nicht mehr darum, ob dieses Projekt eine Zukunft hat. Es geht darum, ob es wieder eine Gegenwart bekommt; denn die europäische Integration hat sich doch längst ins Gegenteil verkehrt, in ein Projekt zur Entfesselung der Märkte und zur Aushebelung der Demokratie, in ein Projekt, das europaweit die Prekarisierung der Arbeit und den Abbau sozialer Leistungen vorantreibt. Die Wachstumsraten sind heute in den meisten EU-Staaten niedriger und die Arbeitslosigkeit höher als vor Einführung des Binnenmarktes. Ländern, in denen jeder zweite Jugendliche keinen Job und keine Perspektive hat, werden mit kaltem Ehrgeiz Kürzungsprogramme diktiert. Dieser Ehrgeiz verlässt die EU aber sofort, wenn es zum Beispiel darum geht, den Steuertricks von Apple, Google & Co. endlich die Grundlage zu entziehen. Dabei tragen sie weiß Gott mehr Verantwortung für die öffentlichen Defizite als angeblich generöse Sozialprogramme.
Überall in Europa wächst die Ungleichheit. Zwischen schamlosem Reichtum am oberen und hoffnungsloser Armut am unteren Ende lebt eine schrumpfende, abstiegsgefährdete Mittelschicht, die sich politisch im Stich gelassen fühlt. Die Zustimmung zur EU geht doch nicht deshalb zurück, weil irgendwelche Nationalisten Stimmungen schüren. Die Zustimmung geht zurück, weil die Mehrheit schlicht keinen Grund hat, sich für eine EU zu begeistern, die ihren Wohlstand verringert und ihre demokratischen Rechte aushebelt.
Die agilsten Gegner Europas sitzen heute in Brüssel. Es ist nicht bekannt, ob Marine Le Pen Herrn Juncker inzwischen für ihre Frexit-Kampagne als Mitarbeiter verpflichtet hat; aber er ist definitiv ihr bester Mann. Die Stimmen in Großbritannien waren kaum ausgezählt, als Herr Juncker noch einmal bekräftigte, dass das Handelsabkommen CETA ohne Zustimmung der Mitgliedstaaten in Kraft gesetzt werden soll. Inzwischen hat die Kommission den Mitgliedstaaten zwar großzügig das Recht zur Ratifizierung eingeräumt; allerdings ist das wieder nur ein Täuschungsmanöver, weil sie das Abkommen vorläufig in Kraft setzen will. Ich hätte von der Bundesregierung schon gerne gehört, wie sie zu dieser erneuten Unverschämtheit unserer Brüsseler Antidemokraten steht.
Das ist ja nicht alles. Wenige Tage nach dem Brexit entschied die EU-Kommission, das mutmaßlich krebserregende Pflanzengift Glyphosat für weitere anderthalb Jahre zuzulassen. Das Defizitverfahren gegen Portugal und Spanien soll trotz Krise verschärft werden. Ignoranz gegenüber demokratischen Rechten, Einknicken gegenüber der Wirtschaftslobby und Gleichgültigkeit gegenüber einer perspektivlosen jungen Generation: Deutlicher als mit diesen drei Entscheidungen konnte man in der kurzen Zeit seit dem Brexit wirklich nicht all das demonstrieren, was die Menschen an der EU abstößt.
Wer nicht will, dass Europa endgültig zerfällt, der muss doch spätestens jetzt auf einen sozialen und demokratischen Neubeginn setzen, auf ein Europa, das die Menschen wieder begeistern kann und in dem Referenden nicht als Bedrohung, sondern als normaler Bestandteil der Demokratie empfunden werden.
So ein Europa wollen zumindest wir als Linke, gerade weil wir nicht wollen, dass die Geister der Vergangenheit über unsere Zukunft bestimmen.
#Katalanen wählen Puidgedemont - EU könnte katalanischen Rebellen politisches Asyl gewähren
Hunderttausende solidarisieren sich mit Puidgedemont
Die Entmachtung durch Madrid betrachtet er als illegalen Putsch.
Carles Puigdemont will aus Brüssel weiter für ein unabhängiges Katalonien kämpfen. Der angeklagte Ex-Regionalpräsident beteuerte, kein Asyl in Belgien zu suchen. Gegen die spanische Regierung erhob er schwere Vorwürfe.
Der Präsidernt des katalanischer Regionalparlamentes hat sich nach der Ausrufung der Republik Katalonien nach Brüssel in die Hauptstadt der EU abgesetzt.
Er will am 21.12. an den von Spanien ausgerufenen Rergionalwahlen im Dezember teilnehmen .
Etliche Minister der Autonomie-Regierung wurden duirch das Rajoy- Regime bereits festgenommen . Puidgedemont und wenige Minister befinden sich in Brüssel.
Belgiens Staatssekretär für Asyl und Migration hat sein Land als möglichen Zufluchtsort für die abgesetzte katalanische Regionalregierung ins Spiel gebracht. Katalanen, die sich politisch verfolgt fühlten, könnten in Belgien Asyl ersuchen, sagte Theo Francken dem flämischen Sender VTM News. "Es ist nicht unrealistisch."
Der Grund für seine Flucht aus Spanien sei allein seine Sicherheit gewesen, sagte Puigdemont, der sein Statement in drei Sprachen vortrug, um Unklarheiten zu verhindern, wie er sagte: katalanisch, spanisch und französisch.
Gegen die spanischen Behörden erhob er schwere Vorwürfe: Ab dem Moment, als die spanische Polizei die Macht über die katalanische Polizei übernommen habe, hätten er und seine Kabinettskollegen keinen Schutz mehr gehabt.
Das spanische Verfassungsgericht setzte inzwischen die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens vorläufig aus. Das katalanische Regionalparlament hatte sich vorher von Spanien losgesagt.
Die Zentralregierung in Madrid setzte daraufhin Puigdemont ab und löste das Parlament in Barcelona auf. Katalonien steht nun unter Zwangsverwaltung aus Madrid.
Der abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puidgedemont könnte in Spanien möglicherweise festgenommen werden. Sollte er wegen Auflehnung gegen die Staatsgewalt oder gar Rebellion verurteilt werden, drohen ihm bis zu 30 Jahre Haft. Francken warf die Frage auf, ob Puigdemont angesichts der "Unterdrückung" durch die spanische Zentralregierung überhaupt die Chance auf ein faires Gerichtsverfahren habe. "Belgien könnte ein möglicher Ausweg für Puigedemont sein", sagte er.
Theo Francken ist ein Politiker aus der belgischen Region Flandern. Er gehört der Neu-Flämischen Allianz (N-VA) an, die sich für die Unabhängigkeit Flanderns von Belgien einsetzt.
Bislang sei kein solcher Antrag eingegangen, fügte Francken hinzu. In der Vergangenheit hätten aber baskische Nationalisten Asyl beantragt. Belgien ist eines der wenigen EU-Mitgliedsländer, in dem andere EU-Bürger Asyl beantragen können.
Unterdessen haben die Post-Francisten des Rajoy Regimes eine Haftbefehl gegen Puidgedemot ausgeschgrieben und sie erwarten die Auslieferung des demokratisch gewählten Politikers, dem Rebellion gegen Madrid vorgeworfen wird.
Die Katalanen hatten mit 90 % iger Zustimmung der Wähler in einem Referendum das Recht auf Selbstbestimmung als katalanisches Volk gemäß dem Völkerrecht wahrgenommen. Obwohl viele Wähler an der Wahl gehindert wurden und etliche Wahlurnen beschlagnahmt wurden, hatten ca. 50 % der Wähler an der Wahl teilgenommen.
Dieses Recht auf ethnische Selbstbestimmung von Minderheiten ist in Vielvölkerstaaten gewichtiger als das Recht auf staatliche Integrität Spanien, dass die Mehrheit der Katalanen offensichtlich nicht mehr will.
Zu Puigdemonts Pressekonferenz hatten drei katalanische Abgeordnete der Grünen/EFA-Fraktion im Europaparlament eingeladen - und Puigdemont unverdrossen als "Präsident der Regierung Kataloniens" bezeichnet.
Philippe Lamberts, Co-Vorsitzender der Grünen-Fraktion, zeigte sich gegenüber Konzernmedien "nicht überrascht, dass Mitglieder der Parteien der scheidenden katalanischen Regierungskoalition ihren scheidenden Premierminister weiterhin unterstützen".

Der katalanische Gewerkschaftsverband CSC will mit einem Generalstreik auf die Inhaftierungen durch Spanien, geplante Parteiverbote und die deregulierten Arbeitsmarktgesetze reagieren
Es gab am späten Freitag einen ohrenbetäubender Lärm in den Straßen Kataloniens, mit dem die Bevölkerung auf die Inhaftierungen von Mitgliedern der katalanischen Regierung durch Spanien am Donnerstag reagierte.
Hunderttausende Menschen standen nicht nur topfschlagend auf ihren Balkonen, viele zogen wie schon am Vortag demonstrierend durch die Straßen Barcelonas, Tarragonas oder Gironas, um gegen die Inhaftierung von Vizepräsident Oriol Junqueras und sieben Minister zu protestieren und forderten einen Generalstreik.
Deshalb bleibt es dabei: #KatalanenwählenPuidgedemont
Rechtsgerichteter Rüstungskonzern-Lobbyist Lars Klingbeil wird neuer SPD General
Angeblich wollte sich die politisch neoliberal tickende SPD, die sich jahrelang an die rechspopulistische CDU/CSU verkauft hatte,in der Opposition politisch neu ausrichten.
Prompt faselte die neue SPD Fraktionschefin Nahles, die als Ministerin Konzernnherswchaft und Sozialabbau mitgetragen hatte, von neuer Kapitalismuskritik.
Doch es hat in der SPD Tradition links zu blinken und dann ganz schnell neoliberal und auch rechts abzubiegen.
Jetzt soll ausgerechnet der Rüstungslobbyist und SPD Rechtsaussen Lars Klingbeil, der dem konservativ-neoliberalen Seeheimer Kreis angehört, auf Wunsch vom scheinheiligen Parteichef Martin Schulz neuer Generalsekretär der SPD werden.
Klingbeil macht Stimmung für mehr Rüstung – hier das Positionspapier vom 21. März 2017.
Im Folgenden geben wir Auszüge dieses Papiers wieder, kommentiert mit „A.M.“ . Der zweite Autor des Positionspapiers, Thomas Hitschler, ist Mitglied des Verteidigungsausschusses.
Er ist mein Nach-Nachfolger als SPD-Bundestagsabgeordneter der Südpfalz im Deutschen Bundestag, vertritt aber in Fragen der Friedenspolitik ziemlich gegenläufige Positionen.
POSITIONSPAPIER HERUNTERLADEN (.PDF)
von Thomas Hitschler und Lars Klingbeil
„Europa blickt auf die friedlichsten Jahrzehnte seiner Geschichte zurück. Insbesondere nach Ende des Kalten Krieges haben die europäischen Staaten die Friedensdividende ein- und die Verteidigungsetats heruntergefahren. Im Resultat sind nun jedoch Fähigkeitslücken und Mangelverwaltung entstanden. Neue Bedrohungslagen an unseren Bündnisgrenzen und weltweite Krisenherde stellen uns vor Herausforderungen und erfordern ein Umdenken. Klar ist: Sicherheit kostet Geld. Deutschland hat darauf bereits reagiert und den Verteidigungshaushalt erhöht. Um gute Arbeitsbedingungen und die bestmögliche Ausrüstung unserer Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten, sind hier weitere Erhöhungen dringend nötig. Die Gewährleitung von sozialer, innerer und äußerer Sicherheit sind für uns unabdingbare Faktoren eines funktionierenden Staates, die nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Der Anspruch auf eine
faire Lastenverteilung in einem Bündnis ist absolut nachzuvollziehen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob ein starres Prozentziel der richtige Ansatz ist und den sicherheitspolitischen Bedürfnissen entspricht.“ – Quelle
Obwohl die Rüstungsausgaben schon gigantisch siond und die Nato das Vielfache von Russland für Rüstung und Kriege ausgibt, will Trump und auch Klingbeil den deutschen Rüstungsetat drastisch erhöhen und sich offensichtlich dem irrsinigen 2 % BIP-Kriterium für Rüstungsausgaben der Nato-Staaten annähern. Das bedeutet eine Erhöhung von jährlich über 30 Mrd €uro. Geld das man beispielsweise in der Sozialpolitik viel sinnvoller verwenden könnte.
Lars Klingbeil ist Mitglied des Präsidiums „Förderkreis deutsches Heer e.V., Bonn“.
Das Abstimmungsverhalten und die Redebeiträge zu Bundeswehrauslandseinsätzen sprechen dann für sich.
Der Besuch der Sicherheitskonferenz in München wird dann auf der eigenen Facebookseite wie folgt beschrieben: „Für die SPD-Bundestagsfraktion nehme ich an der Münchener Sicherheitskonferenz teil.“ Die Tätigkeit für den FDH wird natürlich verschwiegen.
Er ist also Lobbyist der Rüstungslobby und er hatte im Vorfeld der Bundestagswahl zusammen mit seinem Kollegen Hitschler in einem Positionspapier für eine Erhöhung des Rüstungsetats warb – weitere Erhöhungen seien „dringend nötig“
Damit stellt sich die SPD erneut in die Tradition der Kriegstreiber von 1914 bis 1919, die Interessen der Konzernherrschaft und imperialistischer Weltherrschaftsallüren der kapitalistische Hauptmächte vertritt. Das ist ei Schlag gegen Volksinteressen, die Rot-Rot-Grün udn die ablösung des Merkel-Regimes auch in vier Jahren als aussichtslos erscheinen lässt.
Klingbeil gehörte bereits im vergangenen Jahr, damals noch unter Parteichef Sigmar Gabriel, zu den Unterstützern eines Kanzlerkandidaten Schulz.
Der zeigt sich nun dankbar - und bindet zudem mit der Personalie Klingbeil den mächtigen niedersächsischen Landesverband ein, der schon durch die Nähe von Altkanzler Schröder seinerzeit zum Maschmeyer-Finanzspekulantentum bekannt wurde.
Klingbeil gehört zudem den linksfeindlichen anti Rot-Rot- Grün agierenden konservativen Seeheimer Kreis an und damit der Strömung, aus der auch Schulz kommt - was den Parteilinken nicht gefallen kann, die so weiter geschwächt werden.
Bei der Bundestagswahl hatte der 39-jährige Klingbeil seinen Wahlkreis im niedersächsischen Rotenburg/Heide direkt gewonnen. Er gilt als Experte für Digitales und Netzpolitik und gehört seit 2009 dem Bundestag an.
Im Vorfeld hatten auch die Frauen in der Partei Anspruch auf den frei werdenden Posten des Generalsekretärs erhoben. Elke Ferner, die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen sagte: "Eine Generalsekretärin wäre das richtige Signal". Sie sei davon ausgegangen, dass die Ämter in Partei- und Fraktionsspitze beim Neuanfang nach der Bundestagswahl paritätisch besetzt würden, so Ferner. "Wieder ein Mann, das ist definitiv zu viel."
Eine offizielle Bestätigung, dass Klingbeil tatsächlich auf Heil folgt, gibt es noch nicht.
Vorher hatte Schulz angeblich angedacht, den linken Flügel mit einer wichtigen Position zu berücksichtigen.
Es war bekannt geworden, dass Schulz die Noch-Juso-Chefin Johanna Uekermann zur neuen Bundesgeschäftsführerin hatte machen wollen - was er nun bestätigte.
Schulz hatte mit Uekermanns Berufung auch ein Versöhnungszeichen an die Frauen und die Linken in der SPD senden wollen.
Die fühlen sich bei den jüngsten Personalentscheidungen in Partei und Fraktion nicht ausreichend berücksichtigt. Schulz' Taktik ging jedoch nicht auf: Uekermann lehnte das Angebot ab.
Sie SPD bleibt wohl im Windschatten der angedachten Jamaika-Regierung weitgehend auf CDU-Kurs. Im Westen nichts Neues.
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