Kommentar der Linksfraktion zum neuen Weißbuch der Bundeswehr

Christine Buchholz - Alexander Neu - Katrin Kunert

Ein Weißbuch für Aufrüstung und Krieg

„Das neue Weißbuch ist nichts anderes als die zu Papier gebrachte Forderung nach mehr Geld für mehr Soldaten, mehr Militäreinsätze und mehr Kriegsgerät. Es ist ein Weißbuch für Aufrüstung und Krieg“, kritisiert Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE, das heute im Kabinett verabschiedete neue Weißbuch zur Zukunft der Bundeswehr. Buchholz weiter:

„Die Bundesregierung propagiert im Weißbuch die militärische Beteiligung an anlassbezogenen ‚Ad-hoc-Kooperationen‘. Sie beansprucht, ‚die globale Ordnung aktiv mitzugestalten‘. Das ist Großmachtdenken und lässt das Schlimmste für die Zukunft befürchten. Die Bundesregierung drängelt sich weiter nach vorn, um innerhalb der Nato oder auch in ‚Koalitionen der Willigen‘ militärische Führung zu übernehmen. Zu diesem Zweck soll die Bundeswehr hemmungslos aufgerüstet werden. DIE LINKE lehnt die dafür im Weißbuch geforderte drastische und dauerhafte Erhöhung des Verteidigungshaushaltes ab.

Im Weißbuch wird behauptet, äußere und innere Sicherheit seien ‚nicht mehr trennscharf voneinander abzugrenzen‘. Das ist Unsinn. Offenbar geht es der federführenden Ministerin für Verteidigung darum, den politisch noch nicht durchsetzbaren Einsatz der Bundeswehr im Innern weiterhin mit Argumenten vorzubereiten. Sie erklärt im Weißbuch das Internet zu einem globalen Operationsraum und kündigt dafür den Aufbau ‚defensiver und offensiver Hochwertfähigkeiten‘ an. Von der Leyen macht damit nichts anderes, als was sie der russischen Regierung vorwirft: Sie verwischt die Grenzen zwischen Militärischem und Zivilem, um die Bundeswehr zu hybrider Kriegsführung zu befähigen.“

Ein Weißbuch für Aufrüstung und Krieg

Stellungnahme zum „Weißbuch 2016 zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ 

Heute hat die Bundesregierung ein neues "Weißbuch Bundeswehr" vorgestellt, in dem Zustand, Neuausrichtung und verteidigungspolitische Ziele der Armee beschrieben werden. Die Arbeitsgemeinschaft Sicherheitspolitik der Fraktion DIE LINKE, Christine Buchholz, Katrin Kunert und Alexander Neu, haben das Buch gelesen und eine Stellungname dazu verfasst.

 

  1. Das Weißbuch ist Teil einer PR-Strategie des Verteidigungsministeriums. In den letzten Monaten wurde immer wieder der Eindruck erweckt, als sei es das Ergebnis eines „inklusiven“ Prozesses, an dem auch breite Teile der Bevölkerung hätten teilnehmen können. In dem Weißbuch wird postuliert: „Transparenz nach innen und außen hat den Rang eines strategischen Prinzips.“ Tatsächlich ist das Weißbuch in weiten Teilen nichts anderes als ein Spiegelbild der längst bestehenden Ausrichtung des federführenden Verteidigungsministeriums, überdies zumeist in wolkig-unklaren Formulierungen gehalten.
     
  2. Die Abstimmung mit anderen Ressorts wie dem Außenministerium mag dazu geführt haben, dass nicht mehr von einer Verfassungsänderung für den Einsatz der Bundeswehr im Innern die Rede ist. Der Wille, in diese Richtung zu gehen, ist indes weiterhin deutlich. Auffällig häufig werden „äußere und innere Sicherheit“ in einem Atemzug genannt, beides sei „nicht mehr trennscharf voneinander abzugrenzen“. An anderer Stelle ist von einem „zunehmenden Ineinandergreifen von innerer und äußerer Sicherheit“ die Rede, was die „gemeinsame Ausbildung und Übung von staatlichen und zivilen Akteuren für das Handeln im gesamten Krisenzyklus“ erfordere. Das Weißbuch beschwört „ungewöhnliche Ausnahmesituationen“, in diesem Zusammenhang müssten „Bundes- und Landesbehörden“ ihre gute Zusammenarbeit „im Rahmen von Übungen vorbereiten“.

    Das Weißbuch fordert nicht explizit die Verfassungsveränderung für einen Einsatz bewaffneter Soldaten im Innern, aber die Logik seiner Argumente läuft darauf hinaus.
     
  3. Auffällig ist, dass zu zentralen Fragen der Verteidigungspolitik gar keine Aussagen zu finden sind. Obgleich seit Erscheinen des letzten Weißbuchs in Afghanistan der erste ganz große Kampfeinsatz der Bundeswehr im Rahmen von ISAF zu Ende ging, gibt es keinerlei Bilanzierung dieses Einsatzes. Es wird auch nicht für nötig befunden zu erklären, warum der Einsatz in Afghanistan im Rahmen einer Ausbildungs-und Beratungsmission ohne Aussicht auf ein Ende fortgesetzt werden soll. Der Afghanistan-Einsatz wird weder in Bezug auf seine Kosten, seine Opfer noch seine politischen Wirkungen betrachtet und auch nicht auf seine Bedeutung für die Bundeswehr selbst. Er existiert in dem Weißbuch nicht, obgleich sich alle Militärexperten einig sind: Der Afghanistan-Einsatz hat die Bundeswehr mehr verändert als jede Reform.

    Dieselbe Sprachlosigkeit gilt für alle anderen Auslandseinsätze, wie etwa dem längsten aller Einsätze: im Kosovo. An einer einzigen Stelle heißt es verschämt: „Die Stabilisierungseinsätze der Allianz [Nato], zum Beispiel in Afghanistan und auf dem Balkan, zeigen, dass Eindämmung und Bewältigung von Konflikten in einem komplexen Sicherheitsumfeld ein langfristiges und verlässliches Engagement erfordern, um Stabilisierungsfortschritte zu erhalten und zu verstetigen.“ Soll heißen: Wenn der Kriegseinsatz nicht zu dem vorgegebenen Ziel führt, müssen wir den Einsatz auf unbestimmte Zeit „verstetigen“. Das ist nichts anderes als das Bekenntnis, im Zweifelsfall auch Endloskriege führen zu wollen, nur um die eigene „Verlässlichkeit“ und militärische Glaubwürdigkeit unter Beweis zu stellen. Mehr als diese lapidare Formel ist in dem Papier zu den bisherigen Auslandseinsätzen nicht zu finden.
     
  4. Auch andere Leerstellen sind bezeichnend. So wird die größte Gefahr des Weltfriedens – der neue nukleare Rüstungswettlauf – nicht thematisiert. Kein Wort zur Modernisierung der amerikanischen Atomwaffen in Büchel. Zum Thema gibt es nichts als das Bekenntnis zur Nato als ein „nukleares Bündnis“: Deutschland bleibe „über die nukleare Teilhabe in die Nuklearpolitik und die diesbezüglichen Planungen der Allianz eingebunden.“

    Selbst die Aussagen zu Aufstellung und Ausrichtung der Teilstreitkräfte Marine, Heer und Luftwaffe bleiben mehr als vage. Alles, was Stein des Anstoßes sein könnte, wird ausgeblendet oder in Watte gepackt. Das KSK existiert in dem Papier nicht. Konkrete Aufrüstungsprojekte werden nicht diskutiert.
     
  5. Eingangs wird der Anspruch erhoben, „die globale Ordnung aktiv mitzugestalten“, vor dem Hintergrund der „wirtschaftlichen, politischen und militärischen Bedeutung“ Deutschlands, das „zunehmend als zentraler Akteur in Europa wahrgenommen“ werde. Im Weißbuch wird behauptet, „diese Wahrnehmung schafft ihre eigene Realität“. Der Kniff besteht darin, diesen Anspruch immer als Verantwortung darzustellen, die uns von anderen auferlegt werde. Nirgends wird eingeräumt, dass es einen Wettlauf der großen und mittleren Mächte um Rohstoffe, Märkte und politischen Einfluss gibt, der mit militärischen Mitteln unterfüttert wird.

    Der Grund für diese Leerstelle: Die Aufrüstungsmaßnahmen in Deutschland, die im Weißbuch gerechtfertigt werden, sind selbst Teil dieses Wettlaufs.
     
  6. Schuld sind immer die anderen. So ist es neben dem als voraussetzungslos erscheinenden „Terrorismus“ und „Fanatismus“ vor allem Russland, dem die „Infragestellung der „regelbasierten euro-atlantischen Friedens- und Stabilitätsordnung“ angelastet wird. Wörtlich heißt es: „Russland wendet sich dabei von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und betont strategische Rivalität. International präsentiert sich Russland als eigenständiges Gravitationszentrum mit globalem Geltungsanspruch. Hierzu gehört auch eine Erhöhung russischer militärischer Aktivitäten an den Außengrenzen der EU bzw. Nordatlantischer Allianz (NATO). Im Zuge einer umfassenden Modernisierung seiner Streitkräfte scheint Russland bereit, an die Grenzen bestehender völkervertraglicher Verpflichtungen zu gehen. Der zunehmende Einsatz hybrider Instrumente zur gezielten Verwischung der Grenze zwischen Krieg und Frieden schafft Unsicherheit in Bezug auf russische Ziele.“

    Das Groteske daran: Alles liest sich wie ein Spiegelbild der Aktivitäten des Westens. So wird im Weißbuch die Bundeswehr selbst als Armee eines Landes mit globalem Gestaltungsanspruch definiert. Auf dem jüngsten Nato-Gipfel in Warschau wurde die Vorverlegung von Bataillonen und Manöver in Richtung Russland beschlossen. Schließlich war es die EU, die der Ukraine ein Assoziierungsabkommen vorlegte, das den Bruch mit Russland zur Bedingung hatte – nachdem die Nato sich über zwanzig Jahre konsequent bis an die Grenze mit Russland vorgeschoben hat. Dies hat maßgeblich zur Schaffung einer Lage beigetragen, in dem der Konflikt um den jeweiligen „Einfluss“ als militärischer Konflikt auf dem Gebiet der heutigen Ukraine geführt wird – von beiden Seiten.

    Tatsache ist: Der Militärhaushalt der Nato-Staaten zusammengenommen übersteigt den russischen Militärhaushalt um mehr als das Zehnfache. Im Weißbuch werden die wahren Kräfteverhältnisse verleugnet, um die Nato-Politik als defensiv darstellen zu können.
     
  7. Im Übrigen wird in dem Weißbuch die Entwicklung der Fähigkeit zur „hybriden“ Kriegführung ausführlich behandelt. Der Cyberraum wird als ein globaler Operationsraum definiert, in dem die Bundeswehr in Zukunft auch offensiv vorgehen soll – mithin die virtuelle „Grenze zwischen Krieg und Frieden verwischt“. Das Weißbuch behauptet: „Die Auswirkungen von Cyberangriffen können denen bewaffneter Auseinandersetzungen entsprechen.“ Außerdem: „Insgesamt hat sich der Cyber- und Informationsraum damit zu einem internationalen und strategischen Handlungsraum entwickelt, der so gut wie grenzenlos ist.“ Schließlich: „Auch terroristische Gruppierungen, kriminelle Organisationen und versierte Einzelpersonen können potenziell mit geringem Aufwand erheblichen Schaden anrichten … Innere und äußere Sicherheit fallen in wenigen Bereichen so eng zusammen wie im Cyberraum. … Die Verteidigung gegen derartige Angriffe bedarf auch entsprechender defensiver und offensiver Hochwertfähigkeiten…“. Was hier formuliert wird, ist nichts anderes, als was der russischen Seite vorgeworfen wird: Die Verwischung der Grenzen zwischen Militärischem und Zivilem.

    Das Weißbuch soll in dem Zusammenhang den Aufbau einer eigenen Cyberstreitmacht in der Bundeswehr rechtfertigen. Sie wird für künftige „hybride“ Operationen zuständig sein. Die Bundesregierung sieht den Splitter im Auge des Andern, aber nicht den Balken im eigenen.
     
  8. Um Russland als den einzigen Aggressor erscheinen zu lassen, wird überdies die jüngste europäische Geschichte geklittert. Wörtlich heißt es: „Die Staaten Europas haben – gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika – auf dem europäischen Kontinent seit Ende des kalten Krieges eine einzigartige Friedensordnung geschaffen… [a]uch wenn diese Friedensordnung den Ausbruch vorübergehender, lokal begrenzter gewaltsamer Auseinandersetzungen in Europa nie ganz verhindern konnte…“

    Zunächst einmal war auch Russland an der Begründung dieser europäischen Ordnung beteiligt. Zum anderen gab es zwischen 1991 und 1999 vier Kriege auf dem Balkan. Das war mehr als ein vorübergehender, lokal begrenzter Konflikt. Im Bosnien-Krieg wurden Hunderttausende auf ethnischer Grundlage vertrieben und viele ermordet. 1999 kam es zur Bombardierung Serbiens durch die US-Streitkräfte und ihre europäischen Verbündeten. Selbst die chinesische Botschaft in Belgrad wurde getroffen. Bis heute stehen internationale Truppen in Kosovo, um die Lage „stabil“ zu halten.
     
  9. Eine Bilanzierung der inflationären Ausweitung der Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt es nicht. Aber es wird als eine gegebene Tatsache hingestellt, dass weitere dazukommen. Grund: Die internationale Ordnung befindet sich „im Umbruch“. Ja, die Welt befindet sich in einem Umbruch. Hintergrund dafür ist der Wettlauf der großen und mittleren Mächte um Rohstoffe, um Märkte und politischen Einfluss. Doch obgleich im Weißbuch eingangs die Legitimität der Wahrung der eigenen „Interessen“ benannt wird, erscheinen „Interessen“ nirgends als „Treiber des Umbruchs“. Es gibt nur demografische und technologische Umbrüche, die destabilisierend wirken. Die Globalisierung befördere die „Verbreitung von Risiken… dies reicht von Epidemien … bis hin zum transnationalen Terrorismus.“ Letzteres erscheint voraussetzungslos, ebenso wie der Zerfall von Staaten als Ergebnis finsterer Ideologien dargestellt wird. Schuld sei ein „introvertierter und oft radikaler Nationalismus, gewalttätiger Extremismus und religiöser Fanatismus“.

    Fakt: Es waren vergangene internationale Militäreinsätze, die den Zerfall von Staaten und Gesellschaften hervorgebracht haben. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Kriege in Afghanistan und im Irak. Im Weißbuch wird letztlich nichts anderes gefordert, als mit immer mehr Öl die Brände zu löschen, die internationale Streitkräfte verschiedener Groß- und Mittelmächte, allen voran die amerikanischen Streitkräfte, gelegt haben.
     
  10. Im Weißbuch wird dieser Kurs nicht nur gerechtfertigt. Es wird postuliert: Künftig werde es mehr „Ad-hoc-Kooperationen“ geben, im Rahmen derer die Bundeswehr in Kriege geschickt werden soll. Ein Grund können „Maßnahmen gegen Proliferation von Massenvernichtungswaffen“ sein. Ganz gleich, ob in einer Gruppe wie der G7, der G20 oder auch in „anlassbezogenen Gruppierungen“: Im Weißbuch wird Bündnissen wie der US-geführten „Koalition der Willigen“, die 2003 den Überfall und die Invasion des Iraks eben mit der Unterbindung der vermeintlichen Produktion von Massenvernichtungswaffen gerechtfertigt hat, das Wort geredet.

    Auch hat die Bundesregierung Regime wie jene in Ägypten und Saudi-Arabien zu „Partnern“ erklärt. Das Weißbuch macht die Unterstützung solcher Regime zu einer Option für künftige Auslandseinsätze, nennt dies „kurzfristige Unterstützung von Partnern im Rahmen von Stabilisierungseinsätzen“. Die Sprache ist in Watte gepackt, doch zwischen den Zeilen kommt der aggressive Charakter der eigenen Ambitionen zum Vorschein.
     
  11. Schließlich läuft alles auf die Frage nach der Aufrüstung hinaus. Es wird die Aufstockung des Personals gefordert, ohne jede feste Obergrenze. Es wird der Aufbau einer Teilstreitmacht für den Cyberkrieg ausgeführt. Und: „Die Ausstattung der Bundeswehr muss dazu geeignet sein, unterschiedliche Aufgaben in verschiedenen Einsatzgebieten erfüllen zu können (Mehrrollenfähigkeit).“ Die Bundeswehr solle in der ganzen Breite aufgestellt sein, zu Land, zu Luft und zu Wasser, daneben im Cyber- und im Weltraum. Die Entwicklung der heimischen Rüstungsindustrie, zum Beispiel durch die Unterstützung von Exportmaßnahmen oder bei der Vergabe von Aufträgen als ein strategisches Ziel definiert.

    All das erfordert viel mehr Geld als bisher, und das dauerhaft: „Mit dem Einzelplan 14 für das Jahr 2016 und dem Finanzplan bis 2019 wurde eine Trendwende bei der Finanzausstattung der Bundeswehr eingeleitet. Auch im Haushalt 2017 setzt sich diese positive Entwicklung … fort. In den kommenden Jahren bedarf es einer verlässlichen Verstetigung dieser Finanzlinie…“

    Das Geld wird in bestehende Beschaffungsprojekte gepumpt werden, die weiterhin Milliarden verschlingen, darunter verschiedene militärische Satellitenprogramme, der Nachfolger der Aufklärungsdrohne Eurohawk, das Kampfflugzeug Eurofighter oder der Militärtransporter A400M. Daneben hat das Verteidigungsministerium unter Ministerin von der Leyen neue Projekte angeschoben, deren Kosten unabsehbar sind, wie das Mehrzweckkampfschiff 180, die Entwicklung einer europäischen Kampfdrohne oder ein neues Luftverteidigungssystem. Schließlich wird das Geld in die Aufrüstung des Heeres mit Panzern gesteckt, um für einen möglichen Landkrieg in Osteuropa gerüstet zu sein.

    Das Weißbuch ist nichts anderes als die zu Papier gebrachte Forderung nach mehr Geld für mehr Soldaten, mehr Militäreinsätze und mehr Kriegsgerät. Es ist ein Weißbuch für Aufrüstung und Krieg.
     

Die pro-westliche Ukraine- Regierung  führt den Krieg gegen das Volk im Donbass fort 

Während westliche Mainstreammedien - sowohl Konzernmedien wie Staatsmedien- von einer relativen Ruhe in der Ost-Ukraine berichten, stellen die Behörden  der Unabhängigkeitsbewegung, die die Resultate des USA gesteuerten Putsches in der Ukraine bis heute nicht anerkennen, eine verstärkte Kampftätigleit ukrainischer  Militärverbände gegen die sich als Volksrepublik in einem Referendum unabhängig erklärten Ost-Ukrainer fest.

Ukraine: Kämpfe im Donbass erreichen neue Eskalationsstufe

Der Bürgerkrieg im Donbass flammt wieder auf. Ukrainische Regierungstruppen und Einheiten der Volksrepubliken Donezk (DVR) und Lugansk (LVR) liefern einander immer intensivere Kämpfe im Osten der Ukraine. Auf beiden Seiten sind vermehrt Tote zu beklagen. Reine Wohngebiete werden attackiert.

Westliche Medien beschreiben die Lage im Donbass derzeit als "ruhig". Wie aus Meldungen des Verteidigungsministeriums der selbsternannten Volksrepublik Donezk (DVR) hervorgeht, ist dies jedoch nicht der Fall. In den vergangenen Tagen soll es nicht weniger als 500 Angriffe mit Mörsern, Granatwerfern und Kleinwaffen gegeben haben.

Beschuss vonseiten ukrainischer Einheiten betraf den Meldungen zufolge vor allem die Außenbezirke von Donezk, besonders Gorlowka, die größte Stadt im Norden der DVR, und das Gebiet Kominternovo im Süden der Republik.

So kam es am Wochenende in der Nacht vom Samstag zu Sonntag zu einem der größten Angriffe des ukrainischen Militärs seit mehreren Monaten. Laut dem Ministerium der Volksrepublik wurde neben Mörsern auch 152-mm-Artilleriemunition in Donezk verwendet. Dabei kamen auch Zivilisten zu Schaden. Die Projektile landeten auch im Zentrum der Stadt, verwundeten vier Zivilisten, zerstörten vier Häuser und beschädigten 70 Gebäude.

Bei einem Feuerangriff in der Ortschaft Staromichailowka im Donbass ist in der Nacht auf Mittwoch laut der örtlichen Verwaltung die Stromversorgung für mehr als 2.000 Wohnhäuser unterbrochen.

„Bei einem Beschuss wurden fünf Wohnhäuser beschädigt, zwei von ihnen wurden unmittelbar von Geschossen getroffen. Auch Starkstromleitungen kamen zu Schaden. Im Ergebnis hat die ganze Ortschaft, die rund 2.000 Häuser zählt, keinen Strom“, heißt es von den Behörden. Der Angriff habe von 21.00 Uhr bis 02.00 Uhr Ortszeit angedauert. 

„Der Beschuss hielt ununterbrochen an. Zuerst wurde mit Schusswaffen und Granatwerfern, dann mit Mörsern und Artillerie geschossen. Glücklicherweise kam dabei kein einziger Zivilist zu Schaden“, hieß es weiter.    

Zuvor hatte die spezielle Sonderbeobachtermission der OSZE in der Ukraine eine Zunahme von Verstößen gegen den Waffenstillstand im Donbass gemeldet.

Das Rote Kreuz berichtet außerdem von einer Beschädigung der Wasserversorgungsleitung in Gorlowka. Zwei Millionen Menschen seien davon betroffen.

Im Laufe der letzten Woche trafen nach Angaben aus Donezk ungefähr 3.000 Projektile verschiedener Munitionsarten das Territorium der Republik, darunter auch 2.000 aus schweren Waffen.

Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA)veröffentlichte letzte Woche einen neuen Bericht. In diesem heißt es, dass im Juni 2016 die höchste Anzahl an Toten auf Grund von Kampfhandlungen im Donbass seit August 2015 zu verzeichnen war. Nach dem Bericht starben zwölf Zivilisten und 57 wurden verletzt. Somit steigt die Zahl der getöteten Menschen im Donbass in dem seit zwei Jahren tobenden Konflikt auf 9.500 an.

Die ukrainischen Regierungstruppen verlegen zudem Panzer und Artillerie an die Trennlinie im Donbass, wie der Vize-Stabschef der Donezker Volkswehr, Eduard Bassurin, am Montag gegenüber Journalisten mitteilte.

„In (der Ortschaft) Granitnoje, zehn Kilometer von der Trennlinie entfernt, sind acht Panzer, drei Granatenwerfer vom Kaliber 120 Millimeter sowie fünf Wagen mit Munition geortet worden“, so Bassurin.

Situation in der Ukraine
 

In ein anderes Gebiet, drei Kilometer von der Trennlinie entfernt, sind dem Vize-Stabschef der Donezker Volkswehr zufolge bis zu zwei Bataillone mit ukrainischen Soldaten gebracht worden, „um sie unter Einsatzbedingungen zu trainieren“.

Darüber hinaus hatten die Militäts der Kiewer Regierung einen Vorstoß nahe dem Flughafen von Donezk versucht, was zu drei Toten und sieben Verletzten geführt habe.
Insgesamt hätten Kiews Truppen in den vergangenen 24 Stunden 601 Mal die Donezker Volksrepublik beschossen, so Bassurin weiter.

Die Nato rüstet gleichzeitig die Ostfront entlang der russischen Grenze durch massive Truppenverstärkungen massiv auf. Auch das Schüren des Bürgerkrieges  in der Ukraine  könnte Teil dieser neuen Globalstrategie des Westens sein.

Vor allem werden so Europäer gegen Europäer in einen neuen Krueg getrieben, was nur im Interesse der USA und niemals der Europäer sein kann.

Die Verhandlungen der Untergruppen der Trilateralen Kontaktgruppe zur Lösung der Situation im Osten der Ukraine finden erneut in Minsk statt, wurde der belarussischen Telegraphenagentur BelTA vom Außenministerium von Belarus mitgeteilt.

Es wird erwartet, dass die Parteien ein Treffen im Format der Trilateralen Kontaktgruppe durchführen werden.

Die Ukraine vertritt der Ex-Präsident der Ukraine, Leonid Kutschma.

„Die Teilnehmer des Treffens sollen die Bildung einer Untergruppe zur Wiederherstellung der Kontrolle von Kiew über die ukrainisch-russische Staatsgrenze erörtern“, teilte früher auf Facebook die Pressesprecherin von Leonid Kutschma, Darka Olifer, mit.

 

Wissler ( Linke) bezeichnet Verfassungsschutz als Nulpenverein, der Neonazis finanziere - Fraktionschefin der hessischen Linksfraktion redet Tacheles

Mit dem Wort Nulpe, dialektal auch Nülpe, wird umgangssprachlich eine Person bezeichnet, die vom Sprecher für einen Dummkopf, Versager,[1] Nichtskönner oder einen energielosen oder wunderlichen Menschen[2 ( Wikipedia).

Die in Hessen extrem  rechtspopulistische und regierungstreue CDU und Linke sind im Landtag in heftigen Streit geraten. Linken-Politikerin Wissler sagte, der Verfassungsschutz sei ein "Nulpenverein", der auch Neonazis finanziere. Die CDU konterte: "Ihr habt sie doch nicht mehr alle".

Während der Debatte über einen Investitionsstau in Hessen haben CDU und Linke sich am Mittwoch im Landtag ein Wortgefecht geliefert. Linken-Fraktionschefin Janine Wissler kritisierte mit einem Zwischenruf, dass der Staat unter anderem Geld für den "Nulpenverein" Verfassungsschutz ausgebe, der mit den V-Männern auch Neonazis finanziere.

Der CDU-Abgeordnete Manfred Pentz rief im Gegenzug in Richtung der Linksfraktion "Ihr habt sie doch nicht mehr alle" und tippte sich an die Stirn. Der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Holger Bellino, warf Wissler unparlamentarisches Verhalten vor und forderte eine Sitzung des Ältestenrats, um dies zu rügen. Darauf wurde die Plenarsitzung für einige Minuten unterbrochen.

Landtags-Vizepräsidentin Heike Habermann (SPD) rügte den Begriff "Nulpenverein" anschließend als "unparlamentarisch", nicht aber den Zusatz, dass der Verfassungsschutz auch Neonazis finanziere. Dies sei eine politische Wertung. "Mit den V-Leuten, die finanziert werden, kann man natürlich eine solche Verbindung herstellen, weil das in der Tat Leute aus der rechten Szene sind", erklärte Habermann.

 

Gericht verurteilt polizeiliche Räumung der Rigaer Str. als illegal - Hausbesetzer dürfen wieder einziehen.

Dramatische Klatsche für Berlins CDU Innenminister Henkel

Teilräumung in Rigaer Straße war rechtswidrig

Rückschlag für Innensenator Frank Henkel (CDU): Die polizeiliche Räumung in der Rigaer Straße war nicht durch das Gesetz gedeckt und somit illegal

Die Verhandlung dauerte gerade mal eine halbe Stunde, dann brach im Saal Jubel aus: Das Landgericht entschied, dass die Räume der „Kadterschmiede und weiterer Räume im Haus Rigaer Straße 94 dem Verein „Freunde der Kadterschmiede - Kultur im Kiez e.V. wieder zugänglich zu machen sind. Die Räumung am 22. Juni sei illegal gewesen. Den Beschluss der Vorinstanz hob das Gericht auf. Die Räumung hatte ohne gerichtlichen Titel, dafür aber unter Polizeischutz stattgefunden. Innensenator Frank Henkel (CDU) muss sich jetzt unangenehmen Fragen stellen.
Der Sieg der Kläger ist allerdings nur ein vorläufiger. „Was wir hier machen, ist nur von kurzer Dauer, stellte Richterin Nicola Herbst klar. Das Eigentum sei nun mal das stärkere Recht. „Sie machen ja Ihren Anspruch nur aufgrund des Besitzes geltend, sagte Herbst. Der klagende Verein und seine Vorgänger sind schon seit rund 20 Jahren in den Räumen, deshalb konnte die Eigentümerin die Lafone Investments Limited nicht einfach hineingehen und sich die Räume zurückholen.

Lage sei rechtlich eindeutig

Zwei Vorstandsmitglieder des Vereins „Freunde der Kadterschmiede gaben eidesstattliche Versicherungen ab, seit Dezember 2013 den Besitz an den Räumen zu haben. „Wir hatten mehrere Schlüssel sowohl zu den Räumen im Erdgeschoss Seitenflügel als auch dem Erdgeschoss Hinterhaus, schilderten sie. „Wir hatten auch Schlüssel zu der Toreinfahrt zum zweiten Hinterhaus, und aus Brandschutzgründen wurden uns Schlüssel zu weiteren Räumen hinten im Haus ausgehändigt. Von wem diese Schlüssel übergeben wurden, wurde nicht erörtert.

Das bedeutet aber, dass die Eigentümerin dem Verein die Räume durch verbotene Eigenmacht entzogen hat. „Die Gegenseite hatte keinen Räumungstitel, konstatierte das Gericht. Ein Gerichtsvollzieher war auch nicht dabei. „Der Weg, den der Eigentümer gewählt hat, war vom Gesetz nicht vorgesehen. Die Lage sei rechtlich eindeutig, aber dennoch verfahren, sagte die Richterin. Sie ermahnte die Erschienenen mehrmals, alles zu tun, um eine erneute Eskalation zu vermeiden.

Urteil soll sobald wie möglich vollstreckt werden

Für den Eigentümer war niemand erschienen. Der Rechtsanwalt war offenbar verhindert; er hatte am Morgen versucht, über das Anwaltszimmer im Landgericht jemanden zu finden, der den Termin für ihn wahrnimmt, was aber nicht gelang. So erging gegen die Eigentümerin als Verfügungsbeklagte ein Versäumnisurteil.

Rechtsanwalt Lukas Theune, der die Klägerseite vertreten hatte, wurde bejubelt ,als er das Gericht verließ; es knallten Sektkorken. Theune drehte sich lächelnd eine Zigarette und kündigte an, er werde jetzt im Gefängnis einen Mandanten besuchen, dann mit dem Gerichtsvollzieher das Urteil zum Anwalt der Gegenseite bringen und sobald wie möglich vollstrecken.

Am Nachmittag war noch unklar, ob die unterlegene Seite Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegt. „Darauf warten wir nicht; wir vollstrecken sofort", sagte Theune dem Tagesspiegel. Es sei aber unwahrscheinlich, dass das noch am Mittwochnachmittag klappen könne - sonst in den nächsten Tagen. (Mittlerweile hat der Anwalt der Gegenseite sich geweigert, das Urteil entgegenzunehmen. Alle aktuellen Entwicklungen lesen Sie hier im Newsblog).

"Riesige Blamage für Frank Henkel"

Über Innensenator Frank Henkel braute sich derweil Ungutes zusammen. Wenn die Räumung illegal war, dann war es auch der Polizeieinsatz. Lassen sich die Beamten denn vor einem Einsatz wie jenem am 22. Juni denn keinen Räumungstitel zeigen? Eine Stellungnahme der Polizei  zu dieser Frage steht noch aus. Die Politiker der Opposition schossen sich  auf Henkel ein.

„Bitter ist, dass diese illegale Räumung der Ausgangspunkt der Eskalationsspirale der letzten Wochen war, erklärte Christopher Lauer, Innenpolitiker der Piratenfraktion. „Uns wäre insbesondere die Gewalt vom letzten Wochenende erspart geblieben, wenn sich Frank Henkel einfach selbst an Recht und Gesetz halten würde. Auch der Linke-Innenpolitiker Hakan Tas kritisierte den Innensenator: „Die heutige Entscheidung des Berliner Landgerichts ist eine riesige Blamage für Frank Henkel."

In der Rigaer Straße 94 dürfte es am Abend hoch hergehen. Über Twitter trommelten Unterstützer schon zur Party am Abend. „Kommt heute Abend zur 94. Das muss gefeiert werden! Bringt Getränke, Konfetti und Futter mit, heißt es in einem Aufruf.

Erster Eilantrag blieb erfolglos

Wie berichtete, verhandelte das Gericht am Mittwoch um 10 Uhr im Saal 0208 des Landgerichts über den Eilantrag des Verein.

Der Verein hatte argumentiert, er habe seit Ende Dezember 2013 die Räume im Erdgeschoss des Vorderhauses genutzt und damit in seinem Besitz gehabt. Am 22. Juni 2016 habe die Eigentümerin, eine englische Firma, unter Polizeischutz geräumt, nun sei der Zugang durch ein Schloss verwehrt. Damals sollten die Beamten Bauarbeiter sichern, die die Räume im Vorderhaus des Altbaus angeblich zu Flüchtlingswohnungen umbauen wollten.

Die Räumung hatte unter Polizeibewachung stattgefunden; ein dagegen gerichteter Eilantrag des Vereins beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg war erfolglos geblieben. Dem Gericht hatte es an der Glaubhaftmachung gefehlt. Gegen dessen ablehnenden Beschluss richtet sich nun die Beschwerde.

Vorgeschichte

Der Einsatz in der Rigaer Straße war maßlos, seine Rechtsgrundlage zweifelhaft. Einen Innensenator, der solche Aktionen veranlasst, braucht kein Mensch. Ein Gastkommentar.

Am 13. Januar 2016 beginnt die Berliner Polizei um 20:50 Uhr mit einer „Begehung“ der Rigaer Str. 94. Es werden hierzu 550 Beamte und Beamtinnen eingesetzt, davon 200 direkt am Haus, die Polizisten werden von einem Spezialeinsatzkommando und einem Hubschrauber unterstützt. Grund der „Begehung“ war, dass man in Keller, Flur, Hof und Dachboden des Hauses „gefährliche Gegenstände“ sicherstellen wollte. Um 0:30 Uhr präsentiert die Polizei via Twitter (!) stolz ihren Fund. Auf vier Bildern zu sehen ist: Gerümpel. Eine Kiste voller Nägel, Bauzäune, ein Einkaufswagen mit Pflastersteinen und ein Sammelsurium aus Feuerlöschern, Gasflaschen und Metallstangen. Wüsste man es nicht besser, man würde denken, die Polizei hat gerade eine Razzia bei den Ludolfs durchgeführt. Doch es waren nicht die Ludolfs, die „Begehung“ fand in einem links-alternativen Hausprojekt in Friedrichshain statt.

Das ist natürlich nur die halbe Geschichte.

Um 12:00 Uhr mittags, also acht Stunden und 50 Minuten vor der „Begehung“, wird laut Darstellung der Polizei ein 52-jähriger Kontaktbereichsbeamter des Abschnitts 51 beim Ausstellen eines Knöllchens von einer vermummten Person angesprochen. Der Kontaktbereichsbeamte verlangte, dass sich die vermummte Person ausweist, in diesem Moment erscheinen zwei weitere Männer und eine Frau, sie attackieren den Polizisten, dieser geht zu Boden, sie treten ihn, flüchten sich dann in das Haus der Rigaer Str. 94. Nach der Attacke konnte der Beamte im Dienst verbleiben. Soweit die Polizeidarstellung.

Der Fall scheint zumindest für die Polizei und die CDU klar: Sogenannte „Linksextremisten“ überfallen an der Rigaer Straße einen wehrlosen Polizisten und verstecken sich dann in einem Rückzugsort der Szene. Leider, wie so oft im Leben, ist gar nichts klar. Denn es gibt zur Darstellung des Polizisten mittlerweile Zeugenaussagen, die den Tathergang anders schildern, nach einigen Darstellungen soll die Gewalt vom Polizisten ausgegangen sein, in der "Berliner Zeitung" wird der Besitzer einer Bäckerei in unmittelbarer Nähe zum Tatort mit den Worten „Verprügelt wurde der (Kontaktbereichsbeamte) nicht, eher geschubst“ zitiert.

Mit dem Gewaltmonopol des Staates kommt auch die Verpflichtung, diese Befugnisse verhältnismäßig einzusetzen. Die unklare Gesamtsituation hinderte Innensenator Frank Henkel natürlich nicht daran, eine markige Pressemitteilung rauszugeben, in der er ankündigt, diesen „neue(n) Eskalationsversuch der linksextremen Szene“ nicht „unbeantwortet zu lassen“. Diese Antwort „des Rechtsstaates“ also war die „Begehung“ der Rigaer Str. 94 mit insgesamt 550 Polizistinnen und Polizisten. Auf meine Frage in der letzten Plenarsitzung, welche Tatsachen dafür sprechen, dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern um Linksextremisten handelt, antwortete der Senator sinngemäß, das ergebe sich daraus, dass sie in das Hausprojekt der Rigaer Str. 94 geflohen seien.

Die politische Zuordnung der Täter findet also allein aufgrund der Örtlichkeit der Tat und des mutmaßlichen Fluchtorts statt. Mutmaßlicher Fluchtort deswegen, weil die Distanz zwischen Tatort und Fluchtort 60 Meter sind. Eine bemerkenswerte Leistung des grade überwältigten Polizeibeamten, auf diese Distanz ermitteln zu können, in welchen Hauseingang die mutmaßlichen Täter genau geflüchtet sind. Ob es sich bei einem der mutmaßlichen Täter möglicherweise um den Fahrzeughalter des Autos handelt, das vom Kontaktbereichsbeamten ein Knöllchen bekam, klärte die Polizei meines Wissens nicht.

Interessant ist die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Polizei eigentlich diese „Begehung“ durchgeführt hat. Auf meine Nachfrage im Plenum antwortete Henkel: §17 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG Berlin). Das ist die Generalklausel zur Gefahrenabwehr. Das heißt, die Polizei hat laut Henkel die Rigaer Str. 94 nicht im Rahmen der Strafverfolgung betreten, nicht also um der mutmaßlichen Täter des Angriffes habhaft zu werden, sondern um eine Gefahr abzuwehren. Deswegen betonte die Polizei auch mehrfach, man würde jetzt Flur, Keller, Dachboden und Hof des Hauses begehen, um nach gefährlichen Gegenständen zu suchen.

Der Besitz einer Schrottsammlung ist nicht strafbar

Unter einem gefährlichen Gegenstand stellt sich der Laie vielleicht ein besonders großes Messer, eine Pistole oder einen Sprengsatz vor. Juristisch ist ein gefährlicher Gegenstand aber alles, mit dem man einen Menschen verletzen kann. Benutzt man bei einer Schlägerei ein Glas oder eine Flasche zum Schlagen, wird aus der Körperverletzung automatisch eine gefährliche Körperverletzung. Das bedeutet, so ziemlich jeder Gegenstand kann ein gefährlicher Gegenstand sein. Würde die Polizei meine Wohnung „begehen“, fände sie dort auch gefährliche Gegenstände wie zum Beispiel Messer, Gläser und Pfannen in meiner Küche oder Chemikalien in Form von Putzmitteln im Badezimmer. Die Polizei fände in jeder Wohnung gefährliche Gegenstände.

Umso erstaunlicher ist die bereits erwähnte Ausbeute der Polizei: Steine, Bauzäune, Feuerlöscher, Propangasflaschen, Metallstangen, Nägel. Man kann darüber streiten, ob es jetzt ästhetisch so sinnvoll ist, im Hof Gerümpel zu lagern, es ist auf jeden Fall nicht illegal, einen Einkaufswagen voll Pflastersteine in den Hof zu stellen. Die Polizei oder eher ängstliche Menschen können natürlich vermuten, dass diese Gegenstände dazu gedacht waren, Straftaten zu begehen, nur: Hierfür gibt es keinen einzigen Beweis. Es gehört zum momentan inflationär herangezogenen Rechtsstaat dazu, dass erstens die Unschuldsvermutung gilt und zweitens nur das bestraft wird, was nachgewiesen werden kann.

Der Besitz einer Schrottsammlung ist jedenfalls nicht strafbar. Sollte es konkrete Pläne gegeben haben, die Schrottsammlung für eine Straftat zu benutzen, dann muss halt ein Gericht entscheiden, ob und wie konkret die Pläne waren und wie das zu bestrafen ist.

Wenn die Polizei die Rigaer Straße 94 also zur Gefahrenabwehr „beging“, dann ist die Frage, was eine „Begehung“ rechtlich sein soll. Das ASOG kennt die „Begehung“ als polizeiliche Maßnahme nicht. Auch zu klären ist, welche konkrete Gefahr überhaupt vorgelegen haben soll. Denn Grundlage jedes polizeilichen Handelns zur Gefahrenabwehr ist die Gefahr. Eine Gefahr ist die „Hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines nicht bloß geringfügigen Schadens an den Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit“.

Bemerkenswert ist die öffentliche Debatte um die Polizeiaktion: Henkel spricht wie aufgeputscht im Plenum von einer „Übermacht“, die in einer „feigen Attacke“ einen „wehrlosen“ Polizisten angegriffen hätte. Henkel verlangt von allen, die Tat nochmal zu verurteilen, obwohl es mehrfache Beschlüsse des Abgeordnetenhauses gibt, dass wir das alle tun. Das ist die beliebte konservative Taktik, allen anderen vorzuwerfen, sie würden Gewalt gegen die Polizei insgeheim billigen oder begrüßen. Das ist Wahlkampf der plattesten Sorte und perfide Verleumdung zugleich.

Auch die Presse geht ab

Aber auch die Presse geht ab. Statt zu versuchen, Licht in die unklare Situation zu bringen, wird der Einsatz überwiegend positiv aufgefasst und Kritiker werden durch die Kommentatoren beschimpft. Der Polizeijournalist des Tagesspiegels kann sich kaum noch zurückhalten in seiner Begeisterung und bezeichnet die Kritik der Opposition am Einsatz als „Diffamierung“. Dass über 500 Polizisten eingesetzt wurden, quittiert er lapidar mit einem „Egal“. Die Kommentatorin der Morgenpost macht sich nicht mal die Mühe, Quellen zu verifizieren, und legt Journalisten ein Zitat in den Mund, das gar nicht gefallen ist. Dafür bekommen sie dann ein „sorry, da wurde mir was falsch übermittelt“ und eine Änderung der Online-Beiträge, die Printleser dürfen sich weiterhin über ein nie gefallenes Zitat von dem Journalisten wundern, er hätte dem Kontaktbereichsbeamten vorgeworfen, er sei ja selbst schuld, wenn er verprügelt wird.

Wenn Journalismus, nur weil gut und böse klar zu sein scheinen, so auf die Sorgfaltspflicht verzichtet wie in den letzten Tagen, dann tut er sich selbst keinen Gefallen. Persönlich irritiert sind  kritische Journalisten  wie Christopher Lauer über die Beleidigung und  Diffamierung. In fünf Jahren Parlamentszugehörigkeit wurde die Wahrnehmung seines verfassungsmäßigen Kontrollauftrags noch nie auf eine solche Art bezeichnet.

Weder der Senat noch die Polizei können es sich erlauben, dass der Vorwurf im Raum steht, die Polizei ließe sich politisch instrumentalisieren. Danach sieht es im Moment aber aus. Frank Henkel hat zum Ende seiner Amtszeit außer einem Dienstreiserekord nichts vorzuweisen. Die Kriminalität ist höher, die Verwaltung funktioniert schlechter, in der Flüchtlingsfrage komplettes Versagen, außer der Forderung nach mehr Videoüberwachung absolut keine sicherheitspolitischen Konzepte. Da ist eine Machtdemonstration in der Rigaer Straße eine willkommene öffentlichkeitswirksame Aktion im Wahlkampfjahr.

Gleichzeitig wurde ein Brandstifter und Auto- Brandstifter aus dem Umfeld der Rigaer Str. auf frischer Tat  verhaftet, der sich als Staatsspitzel deutscher Geheimdienste und als der Rechtsextremist Marcel G. entpuppt hatte. Der Staat  scheint hier die Eskalation der Gewalt selber mit zu schüren, zumal Marcel G. als  entgtarnter Staatsspitzel Kleinautos anzündete, die den Hass auf die Bewohner der Rigaer Str. in Friedrichshain wohl weiter schüren sollte.

Der Grüne Hans- Christian Ströbele meint:

Dem persönlichen Kleinkrieg des Senators Henkel und die polizeiliche Besetzung der Rigaer Straße kam heute die bisher behauptete Rechtsgrundlage abhanden. Der Senator trägt die Verantwortung für den martialischen Polizeieinsatz zur Unterstützung der Zwangsräumung in der Rigarer Str.94 Ende Juni, der ohne rechtliche Grundlage erfolgte und daher rechtswidrig war. So hat das Landgericht Berlin heute entschieden. Auch seine und ihm folgend der Weigerung des Reg Bürgermeister an dem vorgeschlagenen Runden Tisch oder Gesprächen mit Anwohnern teilzunehmen ist zu hinterfragen. Es sollte um Deeskalation und Befriedung der Lage. Die allgemein gehaltene Begründung, mit Rechtsbrechern und Straftätern wird nicht verhandelt, ist dürftig. Unklar ist schon wer gemeint ist. Die Bewohner der R94 jedenfalls können es kaum sein, denn die wohnen dort mit gültigen Mietverträgen und dafür, daß es sich bei ihnen um Straftäter handeln soll, wurde nichts bekannt. Gegen eine Beteiligung an Straftaten der letzten Zeit spricht eher, dass sie zu den seit Monaten bestbewachten und beobachteten Personen in ganzen Stadt gehören dürften. Die Konsequenz: Abzug der Polizei und Beendigung des Kleinkriegs.

IZ- History: Gladio: NATO-Terroristen im Untergrund

Ein RT/ NDS Beitrag

Im Kalten Krieg existierten in Westeuropa zahlreiche Untergrundorganisationen, die im Fall eines sowjetischen Überfalls als Partisanen Sabotageaktionen ausführen sollten. Dazu wurden Kämpfer geschult und geheime Waffendepots angelegt. In der Bundesrepublik unterstand diese Stay-Behind-Truppe dem BND. Erst Anfang der 1990er Jahre flogen die illegalen Netzwerke auf. Über den aktuellen Forschungsstand zum Thema sprach Jens Wernicke mit dem Filmemacher und Journalisten Ulrich Stoll.

Jens Wernicke: Herr Stoll, soeben erschien Ihr Buch „Die Partisanen der NATO“, in dem Sie gemeinsam mit Erich Schmidt-Eenboom den sogenannten Stay-Behind-Truppen der NATO auf dem Gebiet der Bundesrepublik nachspüren, deren Existenz vor einigen Jahren der Schweizer Historiker Daniele Ganser aufgedeckt hat. Was sind Stay-Behind-Truppen und wieso gab es diese in der BRD?

Ulrich Stoll: Nach 1945 und bis in die 1970er Jahre gingen westliche Militärs davon aus, dass im Kriegsfall weite Teile der Bundesrepublik innerhalb weniger Tage von den Angreifern überrollt würden. Stay-Behind-Netzwerke sollten nach einem Angriff des Warschauer Paktes im besetzten Deutschland, also im Rücken der sowjetischen Front, tätig werden – als Saboteure, Schleuser und Nachrichtenübermittler.

Jens Wernicke: Diese „Partisanen“, wie Sie sie nennen, waren also dazu da, um im Falle eines sowjetischen Angriffs Widerstand zu leisten? Dazu und zu nichts sonst?

Auch die ZDF-Sendung

Ulrich Stoll: Interessant ist an frühen Stay-Behind-Netzwerken, die die CIA in Westdeutschland aufbaute, dass sie auch im Inneren tätig werden sollten. Diese Partisanen waren oft frühere SS-Männer, die von fanatischem Antikommunismus geprägt waren. Sie hatten nicht nur das Feindbild Sowjetunion, sondern misstrauten auch allen Demokraten, die nicht bedingungslos hinter den USA standen.

Jens Wernicke: Das heißt, diese Truppen sollten im Zweifelsfall auch gegen „linke Regierungen“ aktiv werden? Womit und wodurch denn genau?

Ulrich Stoll: Reinhard Gehlen teilte noch 1956 als Chef der US-geführten „Org“ und wenige Tage, bevor er BND-Präsident wurde, den Amerikanern mit, dass er Stay-Behind-Truppen im Innern gegen deutsche Politiker einsetzen würde, falls diese Westdeutschland auf Neutralitätskurs bringen würden.

Und eine frühe CIA-geführte Stay-Behind-Truppe, der Bund Deutscher Jugend – Technischer Dienst, hatte Anfang der 1950er Jahre ganz konkrete Pläne ausgearbeitet, wie man linke Demonstrationen bekämpfen wollte. Man würde einfach in die Menge schießen, frei nach dem Motto: „Frühes Blut spart viel Blut“. Die Truppe war also zu einem brutalen Vorgehen gegen innenpolitische Gegner bereit und wollte KPD- und SPD-Politiker auch gewaltsam aus dem Verkehr ziehen – durch Festnahme oder Mord.

Jens Wernicke: Aber, entschuldigen Sie, sind derlei Aktionen nicht vielmehr als Terrorismus denn als Partisanentum anzusehen?

Ulrich Stoll: Ganz klar: Ja. Es kam aber nicht zu solchen Gewaltakten, weil die Bundesrepublik im Sinne der US-Interessen stabil blieb. In Griechenland und der Türkei unterstützten Stay-Behind-Truppen hingegen Militärputsche, und in Italien war die dortige Stay-Behind-Organisation „Gladio“ in Bombenattentate gegen Polizisten und Bürger involviert. Die Bereitschaft, Stay Behind gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, um eine kommunistische Regierungsbeteiligung zu verhindern, war da.

Jens Wernicke: Wer baute diese Organisationen denn auf und wem unterstanden sie? Die Regierenden waren offenbar ja nur zu geringen Teilen oder gar nicht mit derlei Strukturen vertraut?

Ulrich Stoll: Die Regierung Adenauer war nicht souverän und musste die US-Geheimdienste in Deutschland gewähren lassen. Adenauer wusste sicher über Stay Behind Bescheid, denn er verhinderte ja die Strafverfolgung der Terroristen des BDJ-TD, als diese Gruppe aufgeflogen war. Die von der CIA aufgebauten Partisanen-Netze wurden 1956 dann vom BND übernommen, wodurch der Auslandsgeheimdienst rechtswidrig im Inland tätig wurde.

Jens Wernicke: Der CIA und BND stecken also – auf verschiedene Arten und Weisen und zu verschiedenen Zeiten – hinter diesen paramilitärischen Einheiten? Und das weit überwiegend ohne Wissen der Regierenden?

Ulrich Stoll: Teile der Regierung müssen Bescheid gewusst haben, die parlamentarischen Kontrollgremien wurden jedoch systematisch getäuscht und waren bis 1990 ahnungslos.

Der BND übernahm 1956 die Partisanen-Netze, die in Deutschland nach dem Krieg von amerikanischen, niederländischen, dänischen und französischen Geheimdiensten aufgebaut worden waren.

Das ist übrigens eine der erstaunlichsten Erkenntnisse aus den jetzt freigegebenen BND-Akten: Nicht nur die CIA, sondern weitere westeuropäische Staaten hatten in Deutschland Stay-Behind-Partisanen rekrutiert. Was in der entsprechenden Aufzählung auffällt: Die Briten fehlen.

Britische und US-amerikanische Dienste hatten nach dem Krieg untereinander die Länder aufgeteilt, in denen sie Untergrundtruppen aufbauten. In Österreich und Deutschland muss es daher sowohl britische als auch US-amerikanische Stay-Behind-Gruppen in den jeweiligen Besatzungszonen gegeben haben. Die Briten gewähren, anders als die Amerikaner, bis heute jedoch keinerlei Akteneinsicht. Die britische Stay-Behind-Organisation verschwindet 1956 also völlig von der Bildfläche.

Jens Wernicke: Und bezüglich der Ihnen nun vorliegenden Informationen: Wie viele Personen waren hier für welche Stay-Behind-Gliederung tätig? Und vor allem: Wie und durch wen wurde eine solche überhaupt gesteuert und gelenkt?

Ulrich Stoll: Die größte frühe Stay-Behind-Organisation, der BDJ-TD, hatte 2.800 Kämpfer ausgebildet und plante, bis zu 7.000 Antikommunisten als Partisanen zu rekrutieren. Die vom BND geführte Stay-Behind-Organisation hatte anfangs rund 500 „Schläfer“, die als Partisanen im Kriegsfall aktiv werden sollten. Deren Zahl sank bis in die 1980er Jahre auf rund 100 Personen. Es gab aber eine unbekannte Zahl von Helfern und ein paar Dutzend hauptamtliche Offiziere. Der militärische Arm der Stay-Behind-Organisation, die als Bundeswehreinheit getarnte Lehr- und Ausbildungsgruppe für das Fernspähwesen der Bundeswehr, sollte auf bis zu 375 aktive Fallschirmspringer ausgebaut werden.

Stay Behind wurde von der Stay Behind-Zentrale in München aus gesteuert und das Alliierte Koordinationskomitee steuerte die gemeinsamen Aktivitäten wie etwa multilaterale Übungen.

„Schon in den frühen fünfziger Jahren sorgte die BDJ-Affäre für entsprechende Schlagzeilen. Im Januar 1953 verboten mehrere Landesinnenminister den drei Jahre zuvor gegründeten Bund Deutscher Jugend (BDJ) und dessen Technischen Dienst (TD). Tatsächlich stellte das eine, der Bund, den legalen Mantel für das andere, für den konspirativ organisierten Dienst dar. Unter Leitung des Arztes und Publizisten Paul Lüth sollte mit ehemaligen Soldaten der Wehrmacht und Waffen-SS eine bewaffnete Organisation aufgebaut werden, mit der man im Falle eines Linksrucks in der Bundesrepublik oder gar des befürchteten Einmarsches der Ostblock-Armeen den Partisanenkampf aufnehmen wollte. Bei Razzien gegen die Doppelorganisation, die nach außen als Vereinigung in der Tradition der bündischen Jugend auftrat, hatte die Polizei 1952 auch Mordlisten mit Namen von prominenten SPD-Politikern wie Erich Ollenhauer gefunden.
Umfangreiche Untersuchungen der damaligen hessischen Landesregierung ergaben, dass der BDJ/TD – quasi als klandestiner Verbündeter im Kalten Krieg – von US-Geheimdiensten finanziert und mit Waffen und Bomben versorgt wurde. Und der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz stellte im November 1952 mäßig überrascht fest, dass die vom BDJ/TD verwendeten Personenblätter zu ihrer Mordliste „in Anlage und Aufbau jenen gleichen, wie sie das Bundesamt für Verfassungsschutz verwendet“. Ganz offensichtlich hatten Lüth und die Seinen entsprechende Unterstützung erhalten.“

Die Zeit: „Für Volk und Nation

Jens Wernicke: Sie widmen ein Kapitel in Ihrem Buch ja auch dem Oktoberfestattentat. Wäre denn wirklich denkbar, dass hier Paramilitärs im Auftrag von Sicherheitsdiensten oder anderen Akteuren des Tiefen Staates gegen die eigene Bevölkerung tätig geworden sind und das bis heute unentdeckt blieb? Das klingt doch sehr nach Verschwörungstheorie…

Ulrich Stoll: Es gibt keinen Beweis, dass staatliche Stellen hinter dem Oktoberfestattentat stecken. Aber die Informationsblockade der Bundesregierung zu Stay Behind und die viel zu schnelle Festlegung auf Gundolf Köhler als Einzeltäter, der ohne Hilfe die Oktoberfestbombe gebaut, transportiert und gezündet haben soll, hat Raum für Spekulationen geschaffen.

Das könnte die Bundesregierung durch Aktenfreigabe klären. Aber erst seit dem letzten Jahr ist dem Oktoberfestopferanwalt Werner Dietrich Einblick in Ermittlungsakten gewährt worden. Und erst jetzt ermittelt der Generalbundesanwalt wieder – auf öffentlichen Druck hin und nachdem fast alle Asservate längst vernichtet sind.

Die Rolle des Rechtsterroristen Heinz Lembke ist auch noch vollständig ungeklärt – auch hier ein viel zu schnelles Ermittlungsende trotz deutlicher Hinweise auf Mittäter bei der Beschaffung von Waffen und Sprengstoff. Das hat Verschwörungstheorien Raum gegeben – wie jetzt auch beim NSU, den der Generalbundesanwalt ja auch nur als isoliertes Trio sehen will.

Jens Wernicke: Und derlei „Untergrundarmeen“, wie Sie sie im Buch auch nennen – nach der Abwicklung der bekannten Stay-Behind-Netzwerke ab 1991 dürfte derlei nun als „erledigt“ erachtet werden, ja? Ich frage, weil mir Wolf Wetzel im Interview vor einigen Tagen zumindest andeutete, die Staatspraxis im Bereich des NSU werfe doch mehr und mehr die Frage auf, ob dieser nicht etwa, wie gern behauptet, weniger von diesem „überwacht“ als vielmehr durch diesen überhaupt erst ermöglicht und später geschützt worden sei..

Ulrich Stoll: Da sind wir wieder im Bereich der Verschwörungstheorien. Ich kann mir den NSU nicht als staatlich gesteuerte Terrortruppe vorstellen. Gleichwohl ist es falsch, das von V-Leuten der Geheimdienste durchsetzte Umfeld des Trios nicht genau zu durchleuchten. Da hat der Generalbundesanwalt offenbar eine Beißhemmung wie damals beim Umfeld Köhlers, wo es von V-Leuten ebenfalls wimmelte. Das nährt natürlich den Verdacht, dass staatliche Zuträger damals wie heute von Gewalttaten wussten oder sie sogar förderten.

Zu Stay Behind will ich aber noch etwas zu bedenken geben: In den 1970er Jahren fand ein Anwerbeversuch eines hohen deutschen Offiziers im Verteidigungsministerium durch britische Offiziere statt. Es gab damals also weiterhin eine britische Stay-Behind-Gruppe in Deutschland, die bis heute geheim gehalten wird und die natürlich nie parlamentarischer Kontrolle unterlag.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung zwar immer betont, dass ihre Stay-Behind-Organisation seit Anfang der 1970er Jahre unbewaffnet gewesen sei. Es wurden jedoch noch in den 1990er Jahren Waffen- und Funkausrüstungslager geborgen. Das wurde uns 18 Jahre lang verschwiegen. Es ist also denkbar, dass es noch immer Stay-Behind-Sprengstoff- und Waffendepots gibt und also auch die Gefahr, dass Unbefugte diese entdecken und nutzen können.

Jens Wernicke: Damit ich nicht durcheinanderkomme: Es gab eine deutsche Stay-Behind-Organisation, die ursprünglich vom CIA aufgebaut worden war, und davon unabhängig noch mindestens eine niederländische, dänische und französische sowie eine bis heute vollkommen unerforschte britische?

Ulrich Stoll: Ganz genau, das ist in den deutschen Papieren aktenkundig. Aber wir haben bis heute nicht die ergänzenden Akten der Alliierten zur Verfügung.

Jens Wernicke: Und mit derlei Wissen und Enthüllungen: Wie gehen Sie damit um? Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Was sind Ihre Wünsche und Forderungen an die politische Debatte im Land?

Ulrich Stoll: Das Europäische Parlament hat 1990 nach der Enttarnung des Gladio-Terrornetzwerkes gefordert, dass in allen EU-Ländern Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden. Gladio war der Übungspartner der deutschen Stay-Behind-Organisation. Doch obwohl der BND dankenswerterweise einige Akten zur Stay-Behind-Organisation freigegeben hat, werden Hinweise auf Partnerorganisationen weiterhin zurückgehalten. In nur drei Ländern gab es bisher Untersuchungskommissionen, und die wurden zudem oftmals, wie etwa in Belgien, auch noch unzureichend informiert.

Dabei ist Stay Behind Zeitgeschichte und dieses düstere Kapitel sollte endlich europaweit untersucht und aufgearbeitet werden. Zum einen, um Spekulationen um staatlichen Terror entgegenzutreten, zum anderen, um endlich den Bürgern Europas das Ausmaß dieser ungesetzlichen und gefährlichen Aktivitäten zu offenbaren.

Jens Wernicke: Da Sie gerade noch einmal „ungesetzlich“ sagen: Wenn das parlamentarische Kontrollgremium belogen wurde und die Stay-Behind-Gruppen zumindest potentiell auch als Terroristen gedacht waren – wieso gibt es eigentlich keine Ermittlungen gegen in diese Machenschaften verstrickte Politiker, Geheimdienstler und andere Akteure? Noch jenseitiger des Grundgesetzes geht es doch gar nicht…

Ulrich Stoll: Eine solche Ermittlung könnte der Generalbundesanwalt einleiten. Er hat es jedoch 1990 nicht getan, als die Stay-Behind-Strukturen noch bestanden. Und heute dürfte es noch schwerer sein, Belege und Zeugen zu finden. Politiker wie der damalige Kanzleramtsminister Lutz Stavenhagen oder die damaligen Verteidigungsminister leben nicht mehr.

Jens Wernicke: Ich bedanke mich für das Gespräch.

Ulrich Stoll, Jahrgang 1959, Studium der Geschichte, Literatur- und Theaterwissenschaft in München ist seit 1984 freier Journalist für den WDR (ZAK, Monitor), seit 2001 Reporter des ZDF-Magazins Frontal 21, Autor zahlreicher TV-Dokumentationen für ARD, ZDF und ARTE, darunter »Hitlers Traum von Micky Maus – Zeichentrickfilm im III. Reich« (ARTE 1999), »Im Fadenkreuz des Staates – Der Große Lauschangriff« (mit H.-C. Schultze, ARD 2004) und „Die Schattenkrieger der NATO“ (ZDF Info 2014).